Eduard Müller im COFAG-Untersuchungsausschuss
ORF/Lukas Krummholz
COFAG-U-Ausschuss

Ex-Sektionschef mit „selektiver Erinnerung“

Der COFAG-U-Ausschuss um die mögliche Bevorzugung von Reichen bei den Finanzbehörden unter dem ÖVP-geführten Finanzministerium wird heute ohne Rene Benko fortgesetzt, der sein Erscheinen verweigert hat. Erste Auskunftsperson des Tages war Eduard Müller, derzeit Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA) und Kurzzeitfinanzminister im Kabinett Bierlein, im Untersuchungszeitraum Sektionschef im Finanzministerium. Müller betonte bei vielen Fragen, nach der langen Zeit und angesichts der Fülle der Informationen keine eigene Erinnerung mehr zu haben.

Bereits in seinem Eingangsstatement wies Müller jede Schuld von sich. „Ich weiß, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe.“ Was die Vorwürfe in Bezug auf ein Steuerverfahren betrifft, verwies Müller in der Folge auf seine „Sorge vor Verjährung“. Von Anfang an stand auch Müllers Verhältnis zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid im Fokus. Er habe diesen „nicht durchschaut“, so Müller, der Schmid hier nicht namentlich nannte. Er war nicht Schmids Buddy, wie Müller in seinen Schlussworten sagte.

Was seine Zeit als Sektionschef im Finanzministerium betraf, verwies Müller vor allem darauf, dass die Dinge Jahre zurücklägen und er Tausende Telefonate und Zehntausende Mails im Jahr geführt und erhalten habe und sich daher an Details oft nicht mehr genuin erinnern könne. Er antwortete in der Folge oft mit „keine Erinnerung“ oder „nicht aus der Erinnerung, sondern aus der Rekonstruktion“. Müller sprach auch selbst von einer „selektiven Erinnerung“ – und das war einer der wenigen Punkte, wo er sich mit den Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS einig war. Die ÖVP dagegen verteidigte Müller und die Arbeit der Finanzverwaltung, die ja von ÖVP-Ministern geführt wurde.

Mehrmals Kontakt zu Benko

Müller bestätigte bei seiner Befragung einen Termin im Jahr 2017 mit Benko. Dass dieser in Benkos Büro stattgefunden habe, habe ihn überrascht – inhaltlich sei es um ein seit Jahren laufendes Abgabeverfahren gegangen. Was weitere Treffen mit Benko betrifft, sagte Müller, dass ihm noch ein Telefonat und eine „Stehung“ vor Schmids Büro „erinnerlich“ sei. Der Temin bei Benko sei von Schmid vereinbart worden – dessen Naheverhältnis mit dem Signa-Gründer sei ihm damals nicht bekanntgewesen.

Auch sehe er sich nicht als Schmids „Zwilling“, wie Müller auf eine entsprechende Frage sagte. „Keine Wahrnehmung“ lautete die Antwort auf die Frage, ob er 2017 davon Kenntnis gehabt habe, dass Benko bei der Signa keine Organfunktion innegehabt habe. Das habe damals aber auch keine Rolle gespielt.

„Ein Steuerzahler wie jeder andere“

Zentrales Thema ist wie am Vortag die Signa-Firmensitzverlegung von Wien nach Innsbruck. „Das war eine Entscheidung des Unternehmens“, so Müller, der den Vorwurf, in die Sitzverlegung involviert gewesen zu sein, als „Unterstellung“ strikt zurückwies. Auch ein ihm zugeschriebenes Zitat, wonach Benko 5.000 Arbeitsplätze gerettet habe, weist Müller zurück. Er habe hier vielmehr gesagt, dass Benko für die einen ein Immobilienspekulant sei und für die anderen ein Retter von Arbeitsplätzen, für die Finanzabteilung aber ein Steuerzahler wie jeder andere. Die Thematik beschäftigte die Abgeordneten weiter – und sorgte auch für Unterbrechungen wegen Geschäftsordnungsfragen.

Die Befragung drehte sich in der Folge auch um die „Abschleicherlisten“ und in diesem Zusammenhang um eine Selbstanzeige von KTM-Chef Stefan Pierer. Ab wann er von solchen Listen wusste, habe er keine Erinnerung – von Pierers Selbstanzeige habe er vermutlich aus den Medien erfahren, wie Müller dazu sagte.

Einblick in Signa-Prüfverfahren

Einen Einblick gab Müller schließlich auch in diverse Signa-Prüfverfahren, auf österreichischer und europäischer Ebene, etwa mit möglichen Bedenken vonseiten der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Rede ist etwa von Hinweisen eines unter Druck geratenen Gewerbeimmobilienzweiges. Die Signa selbst sei nicht im Zuständigkeitsbereich der FMA gestanden – die von ihm seit Februar 2020 angeführte Finanzaufsichtsbehörde habe ab diesem Jahr aber eine Taskforce, die sich „mit allen Immobilien“ beschäftigt. Signa sei etwa in einem Schreiben des Finanzministeriums an die Österreichische Nationalbank (OeNB) Thema gewesen.

Die Frage zu einem konkreten Prüfverfahren bei der Hypo Vorarlberg sorgte für eine längere Debatte, ob die Sitzung nicht öffentlich fortgesetzt werden solle. Hintergrund waren Bedenken im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis. Ausschussvorsitzender Norbert Hofer (FPÖ) zeigte sich abwartend – die Sitzung wurde öffentlich fortgesetzt. Keine Wahrnehmung hatte Müller bei der Frage, ob und wie weit eine Reform der Steuerprüfung von Stiftungen umgesetzt worden sei. Er sei seit mehreren Jahren nicht mehr im Finanzministerium tätig.

Mehrere Anzeigen und ein Verfahren

Müller wurde in mehreren Verfahren angezeigt, etwa zur „Causa Beinschab-Österreich-Tool“, aber auch zur „Causa Benko“. In den Causen geht es um Bestechung, Bestechlichkeit, Untreue und Amtsmissbrauch. In einem – anderen – Verfahren werde er bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt. Hier kündigte er an, sich der Aussage zu entschlagen. Das Verfahren zur „Causa Sigi Wolf“ wurde eingestellt.

Müller war bereits im „Ibiza“-U-Ausschuss zum Umgang der Finanz mit Benko befragt worden. Zu einem neuen Aspekt, der Sitzverlegung der Signa Holding von Wien nach Innsbruck und dem dann binnen weniger Tage erstellten Bescheiderlass, wurde Müller damals nicht befragt.

„Letzte Chance“ für Müller

NEOS-Abgeordneter Yannick Shetty sprach von harten Vorwürfen gegen Müller, der von einem Beamten der Großbetriebsprüfung als einer der „Zwillinge“ im Finanzministerium bezeichnet wurde und in dieser Funktion gemeinsam mit Ex-Generalsekretär Thomas Schmid eine Vorzugsbehandlung für ÖVP-nahe Superreiche wie Benko und Wolf sichergestellt haben soll. In Deutschland sei es unvorstellbar, dass jemand unter solchen Umständen noch im Amt sein könne, so wie Müller als Vorstand der FMA. Shetty nannte die Befragung Müllers als dessen „letzte Chance“.

„Wohlfühlmasseur“ und „Gehilfe“ Schmids

Die Grüne Nina Tomaselli verwies darauf, man kenne bisher nur einen ganz kleinen Ausschnitt der Steuerschuld von Benko. Sie sprach erneut von einem „Hütchenspiel“, bei dem ehemals führende Politiker wie Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aktiv mitgemacht hätten. Sie nannte Müller den „Wohlfühlmasseur“ und „Gehilfen“ Schmids im „Wohlfühlprogramm“, welches das ÖVP-geführte Finanzministerium Reichen angeboten habe.

Andreas Hanger (ÖVP) betonte, auch wenn Benko gekommen wäre, hätte er wohl nichts gesagt und sprach daher von einer „Showpolitik“ im U-Ausschuss.

Christian Hafenecker (FPÖ) wiederum ortete einen „Seufzer der Erleichterung“ bei der ÖVP angesichts Benkos Absage.