Soziologe Güngör nicht in „Leitkultur“-Expertenrat

Soziologe und Politikberater Kenan Güngör hat nach einer ersten Sitzung entschieden, nicht für den Expertenrat zur Ausgestaltung einer österreichischen „Leitkultur“ zur Verfügung zu stehen.

Die Initiatorin, Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), habe dort zwar sehr bedacht über das Thema gesprochen. Die Kampagne der ÖVP mit ihren „unsäglichen“ Sujets polarisiere aber mehr, als sie zusammenführe. Außerdem sei schon der nebulöse Begriff „Leitkultur“ problematisch.

Güngör betonte im Interview mit dem „Heute“-Portal Newsflix, dass er sich nicht aus dem Gremium zurückziehe. Er habe von vornherein nur zugesagt, an einem ersten Austauschgespräch teilzunehmen, um dann zu schauen, ob er tatsächlich mitarbeiten wolle.

Unter den gegebenen Bedingungen – noch dazu in Zeiten vor einem Wahlkampf – sei es ihm allerdings nicht möglich, einen sinnvollen Beitrag zu leisten.

„Sehr stark rechtspopulistische“ ÖVP-Kampagne

Die bedachten Äußerungen der Ministerin und die „sehr stark rechtspopulistische“ ÖVP-Kampagne, mit der für Güngör eine Grenze überschritten wurde, würden nicht zusammenpassen.

Der von der deutschen AfD entlehnte Spruch „Leitkultur statt Multikulti“ sei nicht nur rechtspopulistisch, sondern auch realitätsfremd – denn wenn man einen eher ländlichen Traditionalismus a la Maibaumaufstellen als „Leitkultur“ definiere, wäre „vermutlich die Hälfte der Österreicher dagegen“, so Güngör.

Eine Debatte über „Leitkultur“ sei in Österreich durchaus möglich, „wenn wir es wirklich klug und vernünftig machen“. So könne man versuchen, den Heimatbegriff im 21. Jahrhundert neu zu definieren und mit der latenten Angst der autochthonen Bevölkerung vor einer Verdrängung vernünftig umzugehen. „Man muss die Sorgen ernst nehmen, wirklich ernst, sehr oft versteht die Politik leider darunter eher nachplappern.“

Stocker bedauert Schritt

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bedauerte den Schritt, wie er am Rande einer Pressekonferenz erläuterte. Er schätze Güngör und dessen Expertise. „Ich hätte mich gefreut, wenn er weiter für die Ausarbeitung des Leitbilds zur Verfügung gestanden wäre.“ Man habe auch zugestanden, dass die Kampagne nicht optimal war, die Sujets seien auch teilweise geändert worden, betonte Stocker.

Die ÖVP hat etwa jenes mit dem Slogan „Tradition statt Multikulti“ gelöscht. Der Schritt Güngörs sei aber zu respektieren, hielt der ÖVP-Generalsekretär fest.