„Mit großem Stolz, Liebe und Engagement“ habe Maduro das Gesetz unterzeichnet, wie er auf X (Twitter) verkündete. „Es hat sich gelohnt, den Traum der Befreier und Befreiten zu retten, für unser Land und unsere Rechte zu kämpfen.“ Man werde die Rechte Venezuelas über Guayana Esequiba zurückgewinnen, „das schwöre ich, und so soll es auch sein!“
In einer vom Außenministerium Guyanas veröffentlichten Mitteilung hieß es daraufhin, man werde die „Annexion, Beschlagnahme oder Besetzung eines Teils seines Hoheitsgebiets nicht dulden“. Es sei ein „eklatanter Verstoß gegen die grundlegendsten Prinzipien des Völkerrechts“. Schien es, als hätte sich der Grenzstreit im Dezember nach einem Treffen der Präsidenten beider Länder beruhigt, gießt Maduro nun also einmal mehr Öl ins Feuer.
Immense Ölvorkommen entdeckt
Öl ist es unter anderem auch, das den 61-jährigen Autokraten befeuert. Internationalem Recht zufolge gehört die als Essequibo bekannte Region zwar seit 125 Jahren zu Guayana, doch vor allem seit 2015 dort riesige Ölvorkommen entdeckt wurden und sich Guayana von einem der ärmsten Länder des Kontinents zu jenem mit dem weltweit größten Wirtschaftswachstum wandelte, beansprucht Venezuela die Region für sich.
Venezuela reklamiert Essequibo bereits seit mehr als einem Jahrhundert für sich und beruft sich auf ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966 – wenige Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guayana unabhängig wurde. Dieses sah eine Verhandlungslösung des Disputs vor.
Mehr Innen- als Außenpolitik
Doch statt Verhandlung setzt man in Guyana auf Verteidigung – nicht zuletzt mit Verbündeten wie den USA und Großbritannien. Russland, China und der Iran unterstützen Maduro. Beobachter halten es aber ohnehin für unwahrscheinlich, dass venezolanische Streitkräfte tatsächlich in Guyana einmarschieren.
„Es geht Maduro vor allem um Innenpolitik und nicht so sehr darum, einen Krieg vom Zaun zu brechen“, sagte etwa Lateinamerikaexperte Phil Gunson vom auf Sicherheitsthemen spezialisierten Forschungsinstitut International Crisis Group (ICG).
Nebelgranate für Wirtschaftskrise
Die Politologin und Lateinamerikaexpertin Sandra Weiss bezeichnet den Grenzkonflikt im „Journal für Internationale Politik und Gesellschaft“ (IPG) als „nationalistisches Ablenkungsmanöver“, das Maduro nütze, um Kritikerinnen und Kritiker als Vaterlandsverräter zu diskreditieren. So sprach Maduro in seiner Rede etwa auch davon, Venezuela „auf der internationalen Bühne“ verteidigen zu wollen.
Bei „Americas Quarterly“ ist zu lesen, dass Maduro mit dem Grenzthema nationalistische Gefühle schüre und damit die öffentliche Aufmerksamkeit von der Wirtschaftskrise im Land abziehen wolle. Denn unter Maduro wurde aus dem einst reichen Land mit den global größten Erdölreserven ein Land, in dem die Mehrheit der Menschen in Armut und Hunger leben muss.
Dazu kommt: „Das Gesundheits- und Bildungssystem sind nach 25 Jahren korruptem Raubsozialismus kollabiert, Seuchen wie Malaria und Gelbfieber breiten sich aus“, schrieb Weiss. Ein Viertel der Bevölkerung ist bereits aus Venezuela geflohen, laut UNO sind das sieben Millionen Menschen. Damit handelt es sich nach Syrien um die größte Fluchtbewegung der Welt.
„Autokraten halten sich nicht an Spielregeln“
Was Guayana betrifft, so habe sich Maduro bewusst für eine diplomatische Krise entschieden, nämlich um seine politischen Interessen im eigenen Land voranzutreiben. Er nütze das „Essequibo-Problem“, um sich auf die Wahl am 28. Juli vorzubereiten. Denn eine Wahl, so schrieb auch Weiss, gewinne man lange vor dem eigentlichen Wahltag. Und Maduro bereite seit über einem halben Jahr das Terrain dafür vor.
Zwar einigte sich der amtierende Präsident vergangenes Jahr mit der Opposition auf eine Präsidentenwahl, für die beide Lager ihre Kandidaten frei bestimmen können, doch Maduro hat das Abkommen längst gebrochen. Zahlreiche Oppositionsvertreter wurden verhaftet und regierungskritische Kandidaten ausgeschlossen – mittlerweile bestimmt das Oppositionsbündnis Unidad Venezuela bereits einen möglichen Ersatzkandidaten für die Ersatzkandidatin der eigentlichen Kandidatin. Dementsprechend wollen die USA ihre damals gelockerten Ölsanktionen nun wieder in Kraft setzen.
„Wenn Nicolas Maduro eins gelernt hat, dann sind es Finten. Venezuelas Machthaber spielt meisterlich mit den Erwartungen seiner Gegner. Er täuscht Verhandlungsbereitschaft vor – und schlägt dann unerwartet zu“, analysierte Weiss. Das sei „bedauerlich, aber erwartbar.“ Denn „Autokraten halten sich nicht an Spielregeln, schon gar nicht, wenn diese fair und demokratisch sind“.