Junge Palästinenser auf Fahrrädern in Gaza
Reuters/Mahmoud Issa
Schutz von Zivilisten

Biden stellt Netanjahu die Rute ins Fenster

Groß ist noch immer das Entsetzen, nachdem sieben NGO-Mitarbeiter durch einen israelischen Luftangriff in Gaza gestorben sind. US-Präsident Joe Biden forderte nun vom israelischen Premier Benjamin Netanjahu „konkrete“ und „unverzügliche“ Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten und Helfern. Der weitere US-Kurs in dem Konflikt hänge davon ab.

Biden äußerte sich dazu am Donnerstag nach einem Telefonat mit Netanjahu. Das rund 30-minütige Gespräch war das erste seit dem Tod der Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) am Dienstag. Die Opfer stammten laut einer Mitteilung von WCK aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten, zudem hatte eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft.

Bereits am Tag des Vorfalls hatte sich Biden empört gezeigt. Israel habe nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, so Biden am Dienstag. Im Gespräch mit Netanjahu am Donnerstag nannte Biden die Angriffe auf humanitäre Helfer und die allgemeine humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet zudem „inakzeptabel“, wie das Weiße Haus mitteilte.

Israel müsse „eine Serie von spezifischen, konkreten und messbaren Schritten“ ergreifen, um Schaden für Zivilisten zu verhindern, das menschliche Leid zu verringern und für die Sicherheit der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu sorgen, sagte der US-Präsident den Angaben zufolge.

Drängen auf Geiseldeal

Zugleich habe Biden erneut eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen gefordert. Auch drängte er den Angaben zufolge darauf, dass Netanjahu „ohne Verzögerung“ seine Unterhändler zum Abschluss einer Vereinbarung über die Freilassung der von der militanten Palästinenserorganisation Hamas verschleppten Geiseln ermächtigt.

Biden hat Israel im Krieg gegen die Hamas bisher durchgehend unterstützt, unter anderem mit Rüstungslieferungen. Allerdings übte der US-Präsident zuletzt angesichts der humanitären Not im Gazastreifen zunehmend deutliche Kritik an der israelischen Kriegsführung.

NGO will Untersuchung durch Dritte

Biden hatte auch eine zügige Untersuchung und die Veröffentlichung der Ergebnisse gefordert. Das will auch die betroffene NGO, allerdings sollen in ihren Augen Dritte die Prüfungen durchführen. „Wir haben die Regierungen von Australien, Kanada, den Vereinigten Staaten, Polen und Großbritannien gebeten, mit uns eine unabhängige Untersuchung durch Dritte zu fordern“, teilte die in Washington ansässige Organisation am Donnerstag mit. Es solle auch die Frage geklärt werden, „ob die Angriffe vorsätzlich durchgeführt wurden oder auf andere Weise gegen das Völkerrecht verstoßen haben“.

US-Präsident Joe Biden
APA/AFP/Getty Images/Chip Somodevilla
Biden macht nunmehr den US-Kurs von Netanjahus Maßnahmen abhängig

Nach Angaben von World Central Kitchen waren die drei bombardierten Fahrzeuge klar gekennzeichnet. Die Route habe „uneingeschränkt den Vorgaben der israelischen Behörden entsprochen“ und sei diesen auch bekannt gewesen. Israel hatte nach der Tötung der Helfer von einem unabsichtlichen Treffer gesprochen. Generalstabschef Herzi Halevi entschuldigte sich für den „schweren Fehler“ des Militärs und drückte sein Bedauern aus.

Israel rüstet für Spannungen mit Iran

Laut Weißem Haus sprachen Biden und Netanjahu am Donnerstag auch über die Bedrohung Israels durch den Iran. Seit Beginn des Gaza-Krieges verstärkte Israel seine Angriffe auf iranische Ziele und Teherans Verbündete in Syrien und dem Libanon. Fast täglich kommt es zu gegenseitigem Beschuss zwischen Israel und vom Iran unterstützten und entlang der libanesischen Grenze positionierten Hisbollah-Kämpfern. Die Spannungen nahmen nach einem Israel zugeschriebenen Angriff auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus am Montag weiter zu.

Nun kündigte Israel eine Stärkung seiner Verteidigungskräfte an. Die Armee verhängte am Donnerstag eine Urlaubssperre für ihre Kampfeinheiten, blockierte GPS-Signale an bestimmten Orten und stärkte die „Wachsamkeit“ des Militärs. Die Armee befinde sich „im Krieg, und die Frage des Einsatzes der Streitkräfte wird ständig nach Bedarf überprüft“, erklärte das Militär.