Kinder vor beschädigten Gebäuden in Rafah
APA/AFP/Mohammed Abed
Druck aus USA

Israel will Gaza-Hilfen „sofort“ verstärken

Nach einer deutlichen Warnung aus den USA hat Israel in der Nacht „sofortige Schritte“ zur Erhöhung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen beschlossen. Der Hafen von Aschdod sowie der Grenzübergang Erez werden vorübergehend für Hilfslieferungen geöffnet, bestätigte die israelische Regierung entsprechende Medienberichte.

Das Kriegskabinett entschied Freitagfrüh (Ortszeit) über die Öffnungen, wie „Haaretz“ und „Times of Israel“ unter Berufung auf eine Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zunächst meldeten. Dadurch kann leichter Hilfe in den besonders von Lebensmittelmangel betroffenen Norden Gazas gelangen. Auch die über den Grenzübergang Kerem Schalom aus Jordanien kommende Hilfe werde aufgestockt, hieß es.

Davor hatte ein 30-minütiges Gespräch zwischen Netanjahu und US-Präsident Joe Biden stattgefunden. Darin forderte Biden nach Angaben des Weißen Hauses vom israelischen Premier eine Reihe „spezifischer, konkreter und messbarer Schritte“, um das Leid für die Menschen in Gaza zu verringern und den Schutz von Helfern zu erhöhen. Die künftige US-Politik in Bezug auf Gaza hänge davon ab, wie Israel diese Maßnahmen umsetze, warnte Biden.

USA drängen auf rasche Umsetzung

Die USA begrüßten „die Schritte, die die israelische Regierung heute Abend auf Ersuchen des Präsidenten nach seinem Gespräch mit Premierminister Netanjahu angekündigt hat“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Adrienne Watson. Sie müssten „vollständig und rasch umgesetzt werden“.

Bei einem Luftangriff des israelischen Militärs waren diese Woche sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen im Gazastreifen getötet worden. Nach dem Vorfall äußerte sich Biden „empört“ und warf Israel vor, Helfer und Zivilisten nicht ausreichend zu schützen. Den Einwand von Regierungschef Netanjahu, die Attacke sei keine Absicht gewesen, ließ Biden nicht gelten – er hielt dagegen: „Das ist kein Einzelfall.“

Bericht: Neuer Vorstoß für Geiselabkommen

Biden forderte Netanjahu bei dem Telefonat zudem auf, „unverzüglich“ ein Abkommen zu schließen, um die Geiseln in der Gewalt der Hamas zurückzuholen. Wie der gewöhnlich gut unterrichtete israelische Journalist Barak Ravid Freitagfrüh im Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichtete, soll CIA-Direktor Bill Burns am Wochenende zu Gesprächen mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, sowie ranghohen Vertretern Katars und Ägyptens nach Kairo reisen, um ihre Freilassung zu erwirken.

Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch aus Israel verschleppter Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Knapp 100 Entführte in der Gewalt der Hamas dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

Israel fürchtet Vergeltungsangriff des Iran

Unterdessen drohte Netanjahu für den Fall eines Angriffs des Iran auf sein Land mit Konsequenzen. „Seit Jahren agiert der Iran sowohl direkt als auch über seine Stellvertreter gegen uns; deshalb geht Israel gegen den Iran und seine Stellvertreter vor, defensiv und offensiv“, sagte Netanjahu laut seinem Büro zu Beginn einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts.

Nach einem mutmaßlich von Israels Militär geführten Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mit mehreren Toten hatte der Iran Vergeltung angekündigt. Bei dem Angriff waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Die Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Iran und werden als mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte.

Die Drohungen des Iran waren auch Thema beim Telefonat zwischen Biden und Netanjahu. Biden machte dabei nach Angaben des Weißen Hauses deutlich, dass die USA Israel angesichts dieser Drohungen unterstützen. Die Unterstützung der USA für Israel, sich gegen eine Reihe von Bedrohungen zu verteidigen, bleibe „unumstößlich“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, in Washington. Auch nach Einschätzung der US-Regierung war Israel für den Angriff in Syrien verantwortlich. Von israelischer Seite wurde der Vorfall nicht kommentiert.

Armeesprecher: Horten von Lebensmitteln nicht nötig

Israels Militärsprecher Daniel Hagari bestätigte unterdessen am Donnerstagabend, das Positionsbestimmungssystem GPS im Land sei am Vortag bewusst gestört worden, um „Bedrohungen zu neutralisieren“. Er machte keine Angaben dazu, wo genau das geschehen sei. In israelischen Medien wurden die Drohungen aus dem Iran als mutmaßlicher Grund genannt. Hagari schrieb auf X (Twitter), es sei nicht nötig, Generatoren zu kaufen, Lebensmittel zu lagern und Geld von Bankautomaten abzuheben.

Angesichts der Sicherheitslage hat Israel Urlaube in allen Kampfeinheiten zeitweilig gestoppt. „Die israelische Armee ist im Krieg, und die Aufstellung der Streitkräfte wird ständig entsprechend der Notwendigkeiten angepasst“, teilte das Militär mit. Die Entscheidung sei in Einklang mit einer Lagebewertung getroffen worden. Ob sich das auf die neuen Spannungen mit dem Iran oder die Lage im Gaza-Krieg bezog, blieb unklar. Zuvor hatte die Armee angekündigt, Reservisten für die Raketenabwehr zu mobilisieren.