Wahlplakate in Trencin
Reuters/Radovan Stoklasa
Präsidentenamt

Bäriges Wahlkampffinish in der Slowakei

Kaum jemand wagt eine Prognose, wie am Samstag die Stichwahl um das Präsidentenamt in der Slowakei ausgehen wird. Der Parteichef der linksorientierten mitregierenden Hlas (dt.: Stimme) und aktuelle Parlamentspräsident Peter Pellegrini und der liberale Karrierediplomat und einstige Außenminister Ivan Korcok liegen im Umfragen gleichauf. Zwar geht es in der Wahl um einen grundlegenden Richtungsentscheid für das Land, zuletzt mischte aber auch ein Bär im Wahlkampf mit.

Denn nach einem neuerlichen Zwischenfall mit einem Bären kündigte Pellegrini am Donnerstagabend an, eine Sondersitzung des Parlaments für Dienstag anzuberaumen. „Der Staat muss in erster Linie das Leben und die Gesundheit der Menschen schützen und erst dann jenes der Raubtiere“, sagte Pellegrini der Nachrichtenagentur TASR.

Ein Waldarbeiter stürzte diese Woche nach einer Begegnung mit einem Braunbären über einen steilen Hang und zog sich mehrere Knochenbrüche zu. Am Wochenende waren ein Pilzsucher, ein Wanderer und danach ein Jäger von Bären angegriffen und verletzt worden. Mitte März hatte ein ins Stadtgebiet der Kleinstadt Liptovsky Mikulas verirrter Bär fünf Menschen verletzt. Nach offizieller Zählung gibt es in der Slowakei rund 1.100 bis 1.200 frei lebende Bären.

Stichwahl bei Präsidentenwahl

Am Samstag fällt in der Slowakei die Entscheidung, wer in den nächsten fünf Jahren Staatspräsident des Landes ist. In der Stichwahl stehen sich der 60-jährige, bürgerlich-liberale, ehemalige Außenminister Ivan Korcok und der 49-jährige linksliberale Parlamentspräsident Peter Pellegrini gegenüber.

Alle Register werden gezogen

Zuletzt wurden Rufe lauter, ihre Zahl durch gezielte Abschüsse zu reduzieren, auf diesen Zug sprang nun eben auch Pellegrini auf. Für Beobachter ist das keine Überraschung: Beide Kandidaten versuchen angesichts der knappen Ausgangslage, in letzter Minute alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Zuletzt umwarb Pellegrini Wählerinnen und Wähler aus der ungarischen Minderheit im Süden der Slowakei sowie jene der nationalistischen Kandidaten, die in der ersten Wahlrunde gescheitert sind.

Die slowakische Politik und Gesellschaft sind tief gespalten – erst recht nach der Parlamentswahl im Herbst, bei der Populist Robert Fico mit seiner Partei Smer allen Skandalen zum Trotz an die Macht zurückkehrte – auch dank der Unterstützung Pellegrinis und seiner Partei Hlas, die als drittstärkste Kraft Königsmacherin war.

„Aufpasser“ oder verlängerter Arm Ficos?

Seitdem fährt Fico – ähnlich wie Viktor Orban in Ungarn – einen russlandfreundlichen und EU-kritischen Kurs, was sich vor allem in der Frage der Ukraine-Politik niederschlägt. Zwar betonte Pellegrini immer wieder seine Treue zur NATO und EU, Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt er aber – wie Fico – ab. Von der progressiv-liberalen Opposition wird daher befürchtet, er werde der verlängerte Arm des Ministerpräsidenten im Präsidentenpalast.

Slowakischer Präsidentschaftskandidat Peter Pellegrini
Reuters/Radovan Stoklasa
Pellegrini punktete in den vergangenen Jahren mit hohen Beliebtheitswerten

Ganz so einfach ist Pellegrinis Rolle aber nicht: Mit dem Eintritt seiner Hlas in die Koalition mit Fico war Pellegrini, der selbst in der Smer politisch groß wurde und sich 2020 mit einer eigenen Partei abspaltete, quasi als „Aufpasser“ und Garant eines proeuropäischen Kurses in der Regierung gesehen worden. Einhalten konnte er dieses Versprechen aber nicht – und das mit Folgen: Das Nachbarland Tschechien beschloss im März, geplante Regierungskonsultationen mit dem slowakischen Kabinett wegen dessen Russland-Politik abzusagen.

Korcok in erster Wahlrunde überraschend voran

Umgekehrt haben Smer und der dritte Koalitionspartner, die rechtspopulistisch-prorussische Slowakische Nationalpartei (SNS), Pellegrini im Wahlkampf aber kaum unterstützt, Letzterer galt er als zu liberal. Erst diese Woche rückten Fico und SNS-Chef Andrej Danko aus, um sich mit Pellegrini filmen zu lassen.

Der 48-Jährige hat Aufholbedarf: In der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen lag er überraschend 5,5 Prozentpunkte hinter Korcok. Der ehemalige Diplomat war unter anderem Botschafter in den USA und Deutschland sowie von 2020 bis 2022 Außenminister. Doch erst der Wahlkampf verhalf dem 59-jährigen zu einem großen Bekanntheits- und Popularitätsschub. Korcok tritt zwar als Unabhängiger an, wird aber von den Oppositionsparteien unterstützt – vor allem von der Partei Progressive Slowakei, die von der scheidenden Präsidentin Zuzana Caputova gegründet wurde.

Slowakischer Präsidentschaftskandidat Ivan Korcok
Reuters/Radovan Stoklasa
Korcok ist ein klar liberal und proeuropäisch orientierter Karrierediplomat

Proteste zeigten Mobilisierungspotenzial

Die großen Proteste gegen die Fico-Regierung seit Dezember zeigten enormes Mobilisierungspotenzial der Unzufriedenen – und genau das konnte Korcok anzapfen. „Sie können nicht alles haben!“ lautete sein Wahlmotto. Er warnt damit vor einer Machtkonzentration in den Händen von Ficos Koalition, wenn sie auch den Präsidenten stellen kann. Und Korcoks Mobilisierung scheint zu funktionieren: Seine Anhänger prägen mit Kundgebungen vor der Stichwahl das Stadtbild in vielen Orten der Slowakei. Zu erwarten ist jedenfalls viel Spannung und möglicherweise ein nächtlicher Wahlkrimi: Bis 22.00 Uhr können 4,33 Millionen Slowakinnen und Slowaken ihre Stimme abgeben.