Gebäude des BVT
ORF.at/Roland Winkler
Spionageskandal

Karner verspricht „lückenlose Aufklärung“

Nachdem im Spionageskandal rund um den in U-Haft befindlichen Ex-Staatsschützer Egisto Ott zuletzt weitere Details rund um die Weitergabe geheimer Informationen an den russischen Geheimdienst ans Licht gekommen sind, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ in der Affäre eine „lückenlose und restlose Aufklärung“ versprochen. Neue Kritik hinsichtlich der Verantwortung für den Skandal kommt von der Opposition.

Die Ermittlungen zu den „schwerwiegenden Vorwürfen“ seien „voll im Gange“, die Festnahme Otts habe schließlich erst vor wenigen Tagen stattgefunden, so der Innenminister. Zur Festnahme geführt hatten von britischen Strafverfolgungsbehörden sichergestellte Chatverläufe zwischen dem geflüchteten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mit Hilfe Moskaus untergetaucht sein dürfte, und einem inzwischen in Großbritannien festgenommenen russischen Spion.

Diese Chats belasten Ott und dessen ehemaligen Vorgesetzten, den Spionagechef beim damaligen Staatsschutz BVT, Martin Weiss, der sich mittlerweile nach Dubai abgesetzt hat. Aus den Chats geht hervor, dass Ott „systematisch“ den russischen Geheimdienst mit geheimen, streng vertraulichen Tatsachen und Erkenntnissen aus dem Verfassungsschutz sowie personenbezogenen Daten aus Polizeidatenbanken versorgt haben dürfte, wie aus der Festnahmeanordnung hervorgeht.

„Hohe kriminelle Energie“

Auf den Verdacht angesprochen, dass Russland hinter der Razzia im BVT am 28. Februar 2018 stehen könnte, sagte Karner, es gebe „mehrere Verdachtslagen“, die Staatsanwaltschaft sei aber Herrin des Verfahrens. Versäumnisse des Innenministeriums in der Vergangenheit wollte Karner nicht erkennen: Die Polizei habe „massiv ermittelt“, der etwa 100-seitige Haftbefehl unterstreiche das, so Karner.

Zum Umstand, dass Ott trotz zweier Suspendierungen und einer U-Haft weiter Informationen für Russland sammeln konnte, verwies Karner auf die Aufhebung der Suspendierung durch das Bundesverwaltungsgericht („Das ist nun einmal das Dienstrecht“), eine Änderung im Disziplinarrecht für Beamte sei aber vorstellbar, so Karner auf Nachfrage. Zudem gab er zu bedenken, dass „in diesem Fall eine hohe kriminelle Energie da“ sei, was „intensive Ermittlungen“ nötig mache.

Durch Razzia war BVT „ein Jahr blind“

Erneut verwies der ÖVP-Minister in der Schuldfrage auf FPÖ-Chef und Ex-Innenminister Herbert Kickl. Dieser habe das BVT mit der rechtswidrigen Hausdurchsuchung „zertrümmert“, wodurch man international „ein Jahr blind gewesen“ sei. Karner verwies auf den (damals noch aufrechten) Freundschaftsvertrag der FPÖ mit der Wladimir-Putin-Partei Geeintes Russland, auch diese Dinge müsse man „lückenlos aufklären“.

Innenminister Gerhard Karner
APA/Georg Hochmuth
Karner: „Viele Maßnahmen wurden gesetzt, um Spionage zu verhindern“

Karner sieht keine Verantwortung bei ÖVP

Eine Verantwortung bei der ÖVP – die jahrzehntelang das Innenministerium führte – wollte Karner mit Verweis auf den nun existenten Haftbefehl nicht sehen. „Viele Maßnahmen wurden gesetzt, um Spionage zu verhindern“, so Karner. Nun seien alle dafür verantwortlich, für Aufklärung zu sorgen. Dass die ÖVP die Razzia unterstützt habe, wollte Karner nicht gelten lassen: „Eine Partei unterstützt keine Hausdurchsuchung“, es seien Entscheidungen von Behörden gewesen.

„Moderne Möglichkeiten“ für Ermittlungen gefordert

Die im Dezember 2021 geschaffene BVT-Nachfolgerin Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) genieße nun wieder internationale Beachtung, wichtig sei, dass man neue Mittel für Ermittlungen bekomme, so Karner. Sinnvoll sei ein Gesamtpaket. Wenn man etwa sage, man wolle Strafen im Bereich Spionage verschärfen (wie das das Justizministerium zuletzt forderte), dann müsse man auch „neue moderne Möglichkeiten“ für die Ermittlungen bekommen, so Karner. Er verwies auf eine Überwachung der Internettelefonie, wogegen sich die Grünen sperren.

Der Kampf gegen russische Desinformation sei auch eine gesellschaftliche Aufgabe, so Karner. Es gelte zu hinterfragen, was man „liest, hört oder sieht“. Bei Schutzmaßnahmen gegen Cyberangriffe gebe es aber generell „Luft nach oben“, gestand Karner ein.

SPÖ: ÖVP mitverantwortlich

Kritik an Karners Aussagen kam von der SPÖ: „Die ÖVP hat die katastrophalen Zustände, unter denen das Marsalek-Netzwerk mit Ott und Weiss im BVT operieren konnte, zu verantworten. Karl Nehammer hat damals als Generalsekretär die Zerstörung des BVT durch Kickl unterstützt, und heute will Karner nichts mehr davon wissen“, sagte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner.

„Überwachungsplänen“ von Bundeskanzler Karl Nehammer und Karner erteilte Einwallner eine „klare Absage“: „Die ÖVP kann offensichtlich nicht mehr klar denken. Nachdem eine enorme Sicherheitslücke im ehemaligen Nachrichtendienst öffentlich geworden ist, ist das Erste, was der ÖVP einfällt: Wir wollen in die Handys der Österreicher reinschauen können.“ Die ÖVP mache Kickl damit gleich das „nächste Angebot“ und wolle gemeinsam mit der FPÖ wieder die Österreicher und Österreicherinnen überwachen.

FPÖ: Abwälzen der Verantwortung „unglaubwürdig“

Die FPÖ wies die Vorwürfe in ihre Richtung zurück: „Die ÖVP agiert derzeit nach dem bekannten Sprichwort ‚Der Dieb schreit: Haltet den Dieb!‘“, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. Die „ÖVP-Versuche“, die eigenen Verantwortlichkeiten auf die Freiheitlichen abzuwälzen, seien „unglaubwürdig und durchschaubar“.

„Der Innenminister kann diesen Skandal nicht von sich und seiner Partei abkoppeln. Der Hauptverdächtige in dieser Causa machte unter ÖVP-Innenministern Karriere und konnte anscheinend sogar weitermachen, obwohl bereits der Spionageverdacht evident war“, sagte Amesbauer.

„ÖVP-Märchen“

Auch die mutmaßlichen Verbindungen zu den „Wirecard-Kompagnons Marsalek und (Markus, Anm.) Braun“ würden zur ÖVP führen. „Ersterer dinierte im Jahr 2017 nachweislich mit dem damaligen Innenminister (Wolfgang, Anm.) Sobotka in der österreichischen Botschaft in Moskau, zweiterer ging als Mitglied des ‚Think Austria‘-Beratungsgremiums unter Sebastian Kurz im Kanzleramt ein und aus.“

Auch mit dem „ÖVP-Märchen“ über die Zerschlagung des BVT sei einmal mehr aufzuräumen: „Jahrelang haben ÖVP-Innenminister diese Behörde unter ihren Fittichen heruntergewirtschaftet. So zu tun, als hätte die ganze Problematik mit einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung begonnen, ist nur ein weiterer lächerlicher Versuch, sich der eigenen Fehler zu entledigen.“