Filmbranche: „Gleichstellung in Slow Motion“

Zum dritten Mal seit 2016 ist am Samstag im Rahmen der Diagonale der Österreichische Film Gender Report präsentiert worden, eine vom Österreichischen Filminstitut (ÖFI) herausgegebene Studie, die Gleichstellungsfragen in der Filmbranche nach Zahlen aufgeschlüsselt analysiert.

Erstes Fazit der stellvertretenden ÖFI-Leiterin Iris Zappe-Heller: „Der Report zeigt, wie langsam Maßnahmen zur Förderung von Geschlechteregalität und Diversität greifen.“ Trotz Initiativen wie Gender Incentives, also finanzieller Anreize von Förderstellen für weibliche Kernteams bei Filmprojekten, gehe es nur langsam voran.

Der Beobachtungszeitraum der aktuellen Studie endete allerdings mit 2021. „Im Juli 2021 ist ein wichtiger Einschnitt gelungen, nämlich eine Geschlechterquote einzuführen, und die ist noch nicht im Report abgebildet“, betonte Regisseurin und Moderatorin Elisabeth Scharang.

Alles erkämpft

Daran sei der Gender Report, der seit 2016 von Projektleiterin Birgit Moldaschl (ÖFI) und dem Soziologen Paul Scheiblhofer (Uni Innsbruck) erarbeitet wird, maßgeblich beteiligt. „Nichts davon ist von selbst gegangen, wir haben alles erkämpft“, so Regisseurin Katharina Mückstein („Tatort: Dein Verlust“).

Seit dem letzten Bericht stieg der Anteil der weiblich verantworteten Kinofilme auf etwas über ein Drittel. Von den Spielfilmen – die im Allgemeinen höhere Budgets als Dokus haben – wurden allerdings 2020 und 2021 nur ein Fünftel von mehrheitlich weiblichen Kernteams umgesetzt. Im vorigen Beobachtungszeitraum war es noch jeder vierte Spielfilm.

V.l.: Kamerafrau Judith Benedikt, Regisseurin Katharina Mückstein, Regisseurin Elisabeth Scharang, ORF-Vertreterin Katharina Schenk und Soziologin Laura Wiesböck
ORF/Miedl

Träge ist die Situation auch im Fernsehbereich. „Es gab kein einziges mehrheitlich weibliches TV-Serienprojekt, das eine Förderungszusage erhielt“, heißt es in dem Bericht. „Nur annähernd jedes 20. TV-Spielfilmprojekt war weiblich verantwortet.“

Elitäre Hauptfiguren

Auch Inhalte analysiert der Report. Bei den Dokus kommt er zum Schluss, dass Frauen seltener als Expertinnen befragt werden und weniger Redezeit bekommen. Bei Hauptfiguren in Spielfilmen sind Menschen mit akademischer Bildung und Reiche überrepräsentiert, migrantische Figuren hingegen werden oft als arm dargestellt.

„Das ist es, was mich bei den Zahlen aus dem Report am meisten beschäftigt: die verzerrte soziale Abbildung“, so Katharina Schenk, Leiterin der Hauptabteilung Fernsehfilm beim ORF, die als einzige Vertreterin eines Geldgebers auf dem Podium war. „Es hat mich gerissen, wie wenig das die Menschen spiegelt, für die wir produzieren.“

Befragt, wie viel Spielraum sie habe, auch Filmschaffende zu engagieren, die noch nicht auf eine längere Filmografie zurückblicken können, sagt Schenk: „Einen geringen. Wenn wir Flächen hätten wie das ‚Kleine Fernsehspiel‘ (eine Sendereihe des ZDF, Anm.), wäre das gut. Das wünschen wir uns auch in der Abteilung.“

Frauen machen aus weniger mehr

Regisseurin Mückstein wies noch auf eine andere Schieflage hin: „Die Filme von weiblich gelesenen Personen sind künstlerisch erfolgreicher“, wie der Report an Festivalbeteiligungen und gewonnenen Preisen festmacht.

„Daraus ergibt sich: Frauen generieren aus weniger Geld mehr Relevanz. Es wäre gut, wenn wir das auch für Menschen of Color, mit Behinderungen und anderen Diskriminierungserfahrungen thematisieren.“

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