Hochspannungsleitungen
ORF.at/Christian Öser
Netzausbau

Plan als Basis für heimische Energiewende

Bis 2030 soll in Österreich der Stromverbrauch über das Jahr gerechnet vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Zehn Jahre später soll ganz Österreich klimaneutral sein. Als wichtiger Pflasterstein auf dem Weg dorthin soll der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) dienen. Dessen finale Version wurde am Montag präsentiert.

Neun Milliarden Euro will die Austrian Power Grid (APG) in den kommenden zehn Jahren in Aus- und Umbau des heimischen Hochspannungsnetzes stecken. Der Betreiber des heimischen Hochspannungsnetzes will etwa neue Umspannwerke im Osten des Landes errichten und die Übertragungsleitungen Richtung Westen kräftig ausbauen. So soll elektrische Energie aus Wind und Sonne ihren Weg vom Osten des Landes zu den Pumpspeicherkraftwerken im Westen finden – aber auch zu künftigen Großabnehmern wie der voestalpine.

Dass diese große Vorhaben – anders als bisweilen in der Vergangenheit – möglichst reibungslos verwirklicht werden, dafür soll auch ein Plan sorgen, der heute in seiner finalen Version präsentiert wurde: der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan – kurz ÖNIP.

Ausbau der Stromnetze drängt

Die erneuerbaren Energien haben von Jänner bis März 87 Prozent der heimischen Stromversorgung gedeckt. Das bringt aber auch das Stromnetz an seine Grenzen. Ein Ausbau wird deshalb zunehmend drängender.

Der Ausbauplan legt dar, wo künftig in welchem Ausmaß neue PV-Anlagen und Windräder aufgestellt werden sollen und in welchem Ausmaß dafür das Hochspannungsnetz ausgebaut werden muss. Neben der elektrischen Energieproduktion widmet er sich überdies dem Ausbau erneuerbarer Gase und deren Transport, also von Biogas und grünem Wasserstoff.

„Integrierter Blick“ als Novum

Der Plan nimmt damit – zumindest was die großen Übertragungsrouten betrifft – quasi das gesamte Energiesystem in den Blick. Der ÖNIP fokussiere nicht nur auf einen Energieträger, sondern biete „einen integrierten Blick“, formulierte es Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag. Laut der grünen Ministerin passierte das auf diese Weise das erste Mal in Österreich. Und auch in der EU nehme Österreich mit dem Plan eine Vorreiterrolle ein.

APG-Vorstand Gerhard Christiner, Energieministerin Leonore Gewessler (Güne) und AGGM-Vorstand Bernhard Painz bei einer Pressekonferenz zum Ausbauplan der Infrastruktur für die Energiewende
APA/Eva Manhart
Klimaschutzministerin und die Chefs der Übertragungsnetzbetreiber „feierten“ am Montag die finale Version des ÖNIP

Die gesetzliche Grundlage hat der ÖNIP im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das bereits im Jänner 2022 in Kraft getreten war. Im vergangenen Sommer hatte Gewessler dann einen ersten Entwurf des ÖNIP vorgestellt und danach in Begutachtung geschickt. In die finale Version seien nun zahlreiche Stakeholder aus Energiewirtschaft, Umweltorganisationen, Sozialpartnern, Politik, Verwaltung und Bundesländern einbezogen worden, sagte die Klimaschutzministerin.

Umweltprüfung als Teil von Transparenz

Darüber hinaus wurde der gesamte Plan einer strategischen Umweltprüfung unterzogen. Mit anderen Worten: Es wurde geprüft, inwieweit die darin formulierten Ziele sich auf die Umwelt auswirken. Auch dieser Umweltbericht wurde einer eigenen Konsultation unterzogen.

All das soll augenscheinlich auch Transparenz zum Ausdruck bringen. „Der ÖNIP schafft Klarheit und Transparenz – und schafft Sicherheit für die Umsetzung der Projekte“, sagte denn auch APG-Geschäftsführer Gerhard Christiner im Zuge des Präsentation. Mit dem Ausbauplan hätte die APG nun zum einen eine klare Richtschnur, welche Projekte in Zukunft nötig seien. Zum anderen erhoffe er sich durch den ÖNIP auch für die bei den Projekten nötigen Umweltverträglichkeitsprüfungen einen stützenden Unterbau.

Im Ö1-Mittagsjournal wies Christiner am Montag noch einmal auf die „vielen Berücksichtigungen und Planungsgrundlagen, die in der strategischen Umweltprüfung passiert sind“, hin. Auf diese könne dann bei den jeweiligen Umweltverträglichkeitsprüfungen zurückgegriffen werden, und „wir müssen nicht sozusagen noch einmal bei null beginnen“, so der APG-Chef.

Umbau des Gasnetzes

Erfreut zeigte sich am Montag auch Christiners Gegenüber aufseiten der Gasnetzbetreiber. „Der ÖNIP hebt die Notwendigkeit einer parallelen Infrastruktur von Wasserstoff und Methan hervor, damit die Integration von Biomethan und Wasserstoff in das Energiesystem vorankommen kann“, sagte der Vorstand der Austrian Gas Grid Management, Bernhard Painz. Auch er wies auf die „Transparenzfunktion“ der „sektorgekoppelten Infrastrukturplanung“ hin, die heute „gefeiert“ werde.

Der Chef der Übertragungsnetzbetreiber sah in dem Ausbauplan auch eine wichtige Sicherheit, die für den Umbau der Gasinfrastruktur notwendig sei. Eine Wasserstoffwirtschaft lasse sich nur hochfahren, „wenn ich weiß, Wasserstoff wird aus der Pipeline verfügbar sein“. In Zukunft soll es laut Painz in Österreich zwei voneinander getrennte Gasnetze geben. Ein geschlossenes Netz für Biomethan und eines für Wasserstoff.

Grafik zum Ausbau des Gasnetzes in Österreich
Grafik: APA/ORF; Quelle: BMK

Bis 2030 sollen für ein erstes „Wasserstoffstartnetz“ 1.400 Kilometer an bisherigen Gasleitungen umgerüstet bzw. gewidmet werden und 300 weitere Kilometer neu gebaut werden. Wie auch beim Strom geht es hier aber erst einmal um die großen Verteilernetze. Denn so wichtig der Netzaus- und -umbau am Ende auch für die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher ist – die Netzebene drei, an der Wohnhäuser und kleine Gewerbe hängen, ist von den im ÖNIP vorgezeichneten Maßnahmen nicht betroffen.

Positives Echo von Branchenverbänden

Positive Reaktionen zum Netzausbauplan kamen von den Branchenverbänden Erneuerbare Energien Österreich (EEÖ), IG Windkraft und PV Austria. Der Netzinfrastrukturplan liefere das notwendige Gerüst für den Ausbau der erneuerbaren Energien, sagte EEÖ-Geschäftsführerin Martina Prechtl-Grundnig laut Aussendung.

Auch sie hofft auf raschere Genehmigungsverfahren. „Ein strukturierter Umbau des Stromnetzes ist wesentlich für das Gelingen der Energiewende“, sagte IG-Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl laut einer Aussendung.

Gesetz ausständig

Ausständig für den Umbau des Energiesystems sei allerdings noch der Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG). Dieser Ansicht ist auch PV Austria. Weiters notwendig seien eine Anpassung der Ziele im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz.

„Gut, dass es jetzt endlich – viel zu spät – einen Plan gibt“, sagte NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer laut Aussendung und forderte von der Ministerin, sich Mehrheiten für die notwendigen Gesetzesbeschlüsse im Nationalrat zu suchen. „Reden allein ist zu wenig, damit ist noch keine einzige notwendige Maßnahme in Arbeit.“

„Man kann auch jetzt schon Leitungen bauen“, sagte Gewessler zum noch nicht beschlossenen ElWG. Aktuell würden die Stellungnahmen aus der Begutachtung eingearbeitet, parallel würden Gespräche mit allen Parteiklubs geführt. Die Ministerin will diesen Schritt vor der Sommerpause des Parlaments abschließen.

Danach ist noch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat notwendig, neben den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne braucht es also auch jene der SPÖ oder der FPÖ. Dass letztere ihre Zustimmung gibt, darf wohl bezweifelt werden. In einer Aussendung sparte FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger nicht mit Kritik an Gewessler und ihren Plänen. Um das Gesetz noch vor den Wahlen im Herbst zu beschließen, drängt jedenfalls die Zeit.