Zerstörte Gebäude in Chan Yunis im südlichen Gazastreifen
Reuters/Ahmed Zakot
Gaza-Krieg

Details zu US-Kompromissvorschlag

In den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung israelischer Geiseln aus der Gewalt der radikalislamischen Hamas sind am Montag (Ortszeit) neue Details zum Kompromissangebot der USA bekanntgeworden. Frankreich, Ägypten und Jordanien forderten unterdessen erneut eine sofortige Feuerpause.

Wie das „Wall Street Journal“ am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf arabische Vermittler berichtete, sieht der von CIA-Direktor William Burns in Kairo am Sonntagabend präsentierte Vorschlag vor, dass die Hamas im Zuge einer sechswöchigen Feuerpause 40 der mehr als 100 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freilässt.

Das soll im Tausch gegen 900 palästinensische Häftlinge geschehen – darunter 100, die wegen Mordes an Israelis zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Auch das Nachrichtenportal Axios berichtete über Burns’ neuen Vorschlag, der laut israelischen Kreisen auf Bedingungen aufbaue, die bei früheren Verhandlungen diskutiert worden seien. Der neue Vorschlag verlange Kompromisse von beiden Konfliktparteien.

Ägypten erwartet Reaktion

Die ägyptischen und katarischen Vermittler erwarten laut dem „Wall Street Journal“, dass die Hamas und Israel bis Dienstagabend auf den neuen Vorschlag reagieren. Laut Bericht müsste die Hamas Zugeständnisse bezüglich der Anzahl und Identität der freizulassenden Geiseln eingehen.

Israel wiederum müsste Kompromisse in Bezug auf die Rückkehr von vertriebenen palästinensischen Zivilistinnen und Zivilisten in den nördlichen Gazastreifen eingehen, schrieb Axios. Die Hamas teilte am Dienstag mit, man prüfe den Vorschlag, obwohl Israel bei den Gesprächen auf keine ihrer Forderungen eingegangen sei.

Israel: Auch Männer und Soldaten freilassen

Die erste Phase eines Abkommens sähe laut Axios die Freilassung von Frauen, Soldatinnen, Männern über 50 Jahren sowie von Männern unter 50 Jahren mit schweren medizinischen Problemen vor. In den jüngsten Verhandlungen habe die Hamas erklärt, sie habe keine 40 lebenden Geiseln aus diesen Kategorien.

In Israel hält man die Angaben laut Axios für zutreffend. Israel habe daher vorgeschlagen, die Lücke mit Soldaten oder Männern unter 50 Jahren zu schließen, die als Geiseln gehalten werden. Dafür würde Israel dann für jede dieser Geiseln eine höhere Anzahl palästinensischer Gefangener freilassen, hieß es.

Vorschlag für Nordgaza

Israel habe zudem deutlich gemacht, dass es Kompromisse bei der Frage der Rückkehr von Zivilbevölkerung in den nördlichen Gazastreifen eingehen würde, wenn die Hamas sich auf diesen Aspekt der Vereinbarung einließe, hieß es. So sehe der US-Vorschlag einen schrittweisen und fast vollständigen Rückzug Israels aus dem Korridor vor, der das Küstengebiet teilt und vertriebene Palästinenserinnen und Palästinenser an einer Rückkehr in den Norden hindert.

CIA-Direktor William Burns und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bei einem Treffen in Kairo
APA/AFP/Egyptian Presidency
CIA-Chef Burns (links) und Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi

Israel will verhindern, dass sich bei einer Rückkehr von Zivilpersonen Hamas-Kämpfer unter sie mischen. Es sei jedoch nicht klar, ob die Hamas sich auf den Kompromiss einlässt und bereit ist, Geiseln freizulassen, bei denen es sich um Soldaten oder Männer unter 50 Jahren handle, hieß es. Die Hamas sieht letztere als Druckmittel, um einen dauerhaften Waffenstillstand zu erzwingen.

Minister: Zeitpunkt für Abkommen „günstig“

Verteidigungsminister Joav Galant nannte den Zeitpunkt für ein Abkommen mit der Hamas „günstig“. Ein Abkommen erfordere allerdings „schwierige Entscheidungen“, räumte er ein. Der „unerbittliche Druck auf die Hamas“ habe Israel nach sechs Monaten Krieg in eine „starke Verhandlungsposition“ gebracht, die „Flexibilität und Handlungsfreiheit“ ermögliche. Israel müsse aber „bereit sein, den Preis zu zahlen, um die Geiseln zurückzuholen, bevor wir wieder in den Kampf ziehen“.

Netanjahu hält an Offensive in Rafah fest

Laut dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu steht der Termin für einen Einmarsch in Rafah im Süden des Gazastreifens fest. Israel arbeite kontinuierlich daran, seine Ziele zu erreichen, sagte Netanjahu. Diese seien die Freilassung aller Geiseln und der vollständige Sieg über die Hamas.

„Dieser Sieg erfordert den Einmarsch in Rafah und die Ausschaltung der dortigen Terroristenbataillone“, so Netanjahu. „Es wird geschehen – es gibt ein Datum.“ Den Termin selbst nannte er nicht. In Rafah an der Grenze zu Ägypten haben Hunderttausende Menschen Zuflucht gesucht.

Zerstörte Gebäude in Rafah
Reuters/Mohammed Salem
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel dauern die Kämpfe in Gaza bereits seit über sechs Monaten an

Zuvor war der Druck rechtsextremer Koalitionspartner auf den Regierungschef gestiegen. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir von der Partei Ozma Jehudit schrieb auf X (Twitter): „Wenn der Ministerpräsident entscheiden sollte, den Krieg zu beenden, ohne einen breiten Angriff auf Rafah, um die Hamas entscheidend zu schlagen, wird er kein Mandat haben, weiter als Regierungschef zu amtieren.“

Frankreich, Ägypten und Jordanien drängen

Frankreich, Ägypten und Jordanien forderten indes einen „unverzüglichen“ Waffenstillstand im Krieg im Gazastreifen und warnten Israel vor einer Offensive in Rafah. „Der Krieg in Gaza und das damit verbundene katastrophale menschliche Leid müssen unverzüglich beendet werden“, schrieben Präsident Emmanuel Macron, sein ägyptischer Amtskollege Abdel Fattah al-Sisi und der jordanische König Abdullah II. am Montag in mehreren Tageszeitungen.

„Angesichts der unerträglichen Zahl von Opfern (…) betonen wir die dringende Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza“, schrieben sie weiter. Die Staatsoberhäupter forderten, einen Aufruf des UNO-Sicherheitsrats zu einem Waffenstillstand „ohne weitere Verzögerung vollständig“ umzusetzen – ebenso wie die Freilassung der von der radikalislamischen Hamas festgehaltenen Geiseln.

Türkei erlässt Exportbeschränkungen

Die Türkei kündigte unterdessen an, bis zu einer Waffenruhe im Gazastreifen den Export von Produkten nach Israel zu beschränken. Laut türkischem Handelsministerium befinden sich 54 Güter auf einer entsprechenden Liste, darunter Eisen- und Stahlprodukte sowie Bauausrüstung und Maschinen. Die Maßnahme folgt auf eine von Israel abgelehnte Anfrage für eine Teilnahme am Abwurf von Hilfsgütern für die Bevölkerung aus Flugzeugen.