Der Kreml in Moskau
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Experten

Rechte Parteien für Russland nur „Plan B“

Vor rund zwei Wochen hat die tschechische Regierung über die Enttarnung eines von Moskau finanzierten Propagandanetzwerks informiert, das das in Prag ansässige Internetportal Voice of Europe nutzte, um russische Propaganda vor der EU-Wahl zu verbreiten. Vor allem rechte und nationalkonservative Parteien seien dafür ins Visier genommen worden, wie Experten am Dienstag festhielten. Ihnen zufolge sei das für Russland jedoch nur „Plan B“ gewesen.

Die beiden Politikwissenschaftler Gerhard Mangott und Anton Schechowzow betonten in einem Onlinegespräch mit Medienvertreterinnen und Medienvertretern, dass diese Parteien nicht das einzige Ziel der russischen Propaganda seien. Im Gegenteil, „Plan A“ sei es gewesen, die Entscheidungsträger und korruptionsanfälligen Politiker der Mitte zu beeinflussen, wie der ukrainische Politologe Schechowzow darlegte.

Nachdem aber „Plan A“ nicht wie gewünscht funktionierte, konzentrierte man sich auf „Plan B“, so Schechowzow im Hinblick auf rechte Parteien. Der Russland-Experte Mangott von der Universität Innsbruck ergänzte, dass auch linke Parteien in die russische Sphäre geraten. Konkret nannte er die griechische linkspopulistische SYRIZA.

Mangott: Rund 185 Mio. Euro aufgewendet

Wie viel Geld Russland für Propagandakampagnen im Westen ausgibt, ist nicht einfach zu quantifizieren. Neben Behörden wie Geheimdiensten und staatlichen Medienagenturen seien auch private Akteure, etwa Oligarchen mit Naheverhältnis zum Kreml, in diesem Bereich tätig. Mangott geht von einem „jährlichen weltweiten Volumen von zwischen 150 bis 200 Millionen Dollar“ (138,59 Mio. bis 184,79 Mio. Euro) im russischen Budget aus – „also doch eine substanzielle Zahl“.

Schechowzow, der u. a. am Forschungszentrum für die Geschichte von Transformationen der Universität Wien (RECET) forscht, bezifferte das Budget für das mittlerweile gesperrte Portal Voice of Europe auf „Hunderttausende“. Es sei „keine sehr hochkarätige Beeinflussungsaktion“ gewesen, sagte er.

Das von Moskau finanzierte Propagandanetzwerk, das die in Prag ansässige Plattform Voice of Europe nutzte, um in der EU Stimmung gegen die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu machen, wurde unlängst von den tschechischen Behörden enttarnt. Dabei soll nach Informationen der tschechischen Zeitung „Dennik N“ auch Geld an Politiker aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Polen, Ungarn und den Niederlanden geflossen seinen. Österreich sei nicht dabei gewesen.

Kontakte ins EU-Parlament

Hinter dem Netzwerk stehen Medienberichten zufolge der kremlnahe ukrainische Oligarch Viktor Medwedtschuk und der Medienmacher Artem Martschewskyj. Um seine politischen und geschäftlichen Interessen in der Ukraine zu schützen, habe Medwedtschuk Kontakte zu Mitgliedern des EU-Parlaments geknüpft, etwa zu Politikern der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) und der französischen extremen Rechten, sagte Schechowzow.

Die AfD-Spitze legte ihrem Bundestagsabgeordneten und Europawahlkandidaten Petr Bystron nahe, aus dem EU-Wahlkampf auszusteigen. Das hatte die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Parteikreise und die „Bild“-Zeitung gemeldet. Medienberichten zufolge hätte der tschechische Geheimdienst Beweise gehabt, dass Bystron Geld von der Plattform angenommen habe. Dieser wies die Vorwürfe zurück. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Dienstag, diese Berichte seien „nicht auf die leichte Schulter“ zu nehmen.

Der Oligarch Mewedtschuk selbst ging nach seiner Festnahme in der Ukraine und seiner späteren Freilassung im Zuge eines Gefangenenaustausches gegen ukrainische Kriegsgefangene nach Russland ins Exil. Dort kooperierte er mit der von der EU sanktionierten russischen Agentur Social Design Agency („Operation Doppelgänger“), die stark in die Verbreitung antiukrainischer Propaganda und Desinformation involviert sei, erläuterte der Wissenschaftler. Verbindungen zwischen der Social Design Agency und Voice of Europe würden ihn nicht wundern.

Interview mit FPÖ-EU-Abgeordneten

Vergangene Woche hatte die FPÖ bestätigt, dass der österreichische EU-Abgeordnete Roman Haider ein Interview mit Voice of Europe geführt hat. Ein Sprecher hielt fest, dass hierfür kein Geld geflossen sei. „Wir sprechen grundsätzlich mit allen Medien und geben auch entsprechend Stellungnahme für alle Journalisten, wenn man uns fragt.“ Für das Interview seien „weder Geld noch sonstige Leistungen angeboten oder angenommen“ worden. Kritik kam von der SPÖ.

Die Experten hielten jedoch fest, dass zwischen dem Internetportal und österreichischen Politikerinnen und Politikern „keine etablierten Verbindungen“ bekannt seien. „Vielleicht existieren sie, aber wir sind uns dessen im Moment nicht bewusst“, sagte Schechowzow. Mangott wollte sich nicht zu Österreich äußern. Er habe zwar „Informationen über russischen Einfluss nach Österreich“, so der Politikwissenschaftler. Er wolle allerdings nichts sagen, was in die österreichische Innenpolitik hineinspielen könnte, sagte Mangott.