BVT
ORF/Roland Winkler
Vor Nationalem Sicherheitsrat

Neue Details zu Spionageaffäre Ott

Der Nationale Sicherheitsrat beschäftigt sich Dienstagabend mit der Spionagecausa rund um den Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott und Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek. Davor wurden neue Details bekannt: Laut Ö1 zugespielten Chats war der Chef der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft eine Art Infodrehscheibe – unter anderen zwischen Marsalek und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus.

„Von Jan aus dem BVT“ steht in mehreren brisanten Nachrichten, die der ehemalige Generalsekretär der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, Florian Stermann, an Gudenus sandte. In einer Zeugeneinvernahme sagte Stermann aus, er habe Nachrichten nur weitergeleitet. Mit „Jan“ und auch mit der Formulierung „von unserem Freund aus den Tiefen des Innenministeriums“ sei Marsalek gemeint gewesen. Bewiesen ist allerdings nicht, dass alle von Stermann an Gudenus gesandten Informationen von Marsalek stammten.

Stermanns Rolle zwischen Gudenus und Marsalek ist nicht neu, sehr wohl aber das Einvernahmeprotokoll und einige Details aus den Chats von den bei Gudenus wegen des „Ibiza“-Skandals sichergestellten Handys.

Inhalt ist etwa die Frage, wer den Auftrag für einen österreichischen Bundestrojaner bekommen soll – dabei wird auch ein konkreter Firmenname genannt. Kaum bekannt ist laut Ö1-Mittagsjournal auch, dass Marsalek bzw. Stermann damals vorschlugen, den Anwalt und Transparency-Österreich-Vorstand Georg Krakow zum Chef eines von der FPÖ „reformierten“ Bundesamts für Verfassungsschutz zu machen. In seiner Einvernahme verwies Stermann dann meist auf Marsalek und betonte etwa bei der Frage der neuen BVT-Führung: „Das ist alles von Marsalek, ich habe keine nähere Kenntnis zu Hintergründen.“

Angeblich geplante Anzeige gegen Goldgruber

Thema in den Chats ist weiters, dass vier Sektionschefs im Innenministerium angeblich eine Anzeige gegen Peter Goldgruber geplant hatten – also den Generalsekretär des damaligen freiheitlichen Innenministers Herbert Kickl.

Auf Nachfrage hieß es von der FPÖ, diese Chats hätten damals Kickl selbst nie erreicht. Sie seien dann aber im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss Thema gewesen. Die FPÖ betonte zudem, Stermann sei ein Vertrauter von EX-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser.

Der Grünen-Abgeordnete David Stögmüller betonte, alle Parteien hätten Kontakte zur österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft gehabt. Bedenklich sei aber, „dass Marsalek über Florian Stermann und Johann Gudenus sicherstellen wollte, dass die FPÖ weiter in der Regierung bleibt“. Damit habe Marsalek via FPÖ mehr Macht „in dieser Republik“ und damit auch mehr Einfluss in Russland erreichen wollen, so Stögmüller. Gudenus wollte sich dazu nicht äußern, sein Anwalt betonte, die Chats und das Einvernahmeprotokoll enthielten nichts Neues.

„Falter“ berichtet von Warnungen

Der „Falter“ berichtete unterdessen, dass BVT-Beamte BVT-Chef Peter Gridling bereits am 2. Februar 2018 vor russischer Infiltration warnten – Kickl war damals Innenminister. „Es ist evident, dass Österreich im Fokus der russischen Nachrichtendienste steht. In der jüngsten Vergangenheit konnten verstärkte Anwerbeversuche (…) von russischem nachrichtendienstlichen Personal festgestellt werden“, zitierte der „Falter“ aus Dokumenten. Die Beamten klagten demzufolge über Personalmangel, die Spionageabwehr gegenüber Russland sei heillos überfordert. Kurz darauf soll die BVT-Razzia stattgefunden haben.

Zuvor war auch 2016 laut Bericht intern Alarm geschlagen und eine Aufstockung des Personals gefordert worden – Empfänger der E-Mail war Otts Ex-Vorgesetzter Martin Weiss. Wolfgang Sobotka (ÖVP) war damals Innenminister. Ott soll gemeinsam mit Weiss und anderen eine Zelle im BVT aufgebaut haben.

Der „Standard“ berichtete außerdem von neuen Chats aus dem Jahr 2022 zwischen Marsalek und einem russischen Spion. Die Chats legen nahe, dass neben Handys von Spitzenbeamten und einem Laptop sowie USB-Sticks des Journalisten Christo Grosew auch mindestens ein weiterer Laptop von Wien nach Moskau geschmuggelt worden sei.

Karner will „lückenlose Aufklärung“

Vor Beginn der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats erklärte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer extra einberufenen Pressekonferenz, es würden schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen – konkret Spionage, der Verrat von österreichischen Staatsgeheimnissen an Russland sowie Vorwürfe wie Amtsmissbrauch. Es müsse eine „lückenlose“ Aufklärung sichergestellt werden.

Erneut forderte er die Ausdehnung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden – konkret um die „Telefonie über Messengerdienste, die nicht überwacht werden können“. Die Grünen lehnen das ab.

Kritik übte er an Kickl. Unter Innenminister Kickl sei es zu einer „rechtswidrigen Hausdurchsuchung im BVT (mittlerweile aufgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Anm.)“ gekommen. Unter Kickl sei der Staatsschutz „zertrümmert“ worden und habe eine Zeitlang über keine internationalen Kontakte mehr verfügt, wiederholte er.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) schloss sich der Kritik an. „Ich lasse mir nicht länger erklären, dass ausgerechnet die FPÖ die Heimat schützen will, und gleichzeitig sind sie beim größten Verrat an Russland nicht nur irgendwo hintendran, sondern vorne mit dabei“, so Kogler. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker reagierte mit scharfer Kritik. Die ÖVP hätte „in Innenministerium und BVT jenes Biotop erschaffen, aus dem dieser Spionageskandal erst erwachsen ist“, hieß es in einer Aussendung.

Geheimhaltungspflicht im Nationalen Sicherheitsrat

Einberufen wurde der Nationale Sicherheitsrat durch den formal zuständigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Initiative der Grünen. Die im Sicherheitsrat besprochenen Inhalte unterliegen der Geheimhaltungspflicht, wie auch Karner nochmals betonte.

Erstmals äußerte sich am Dienstag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der Fall zeige, dass „Mächte außerhalb der Europäischen Union“ nicht nur durch Spionage Einfluss zu nehmen versuchen, sondern auch, indem sie Stimmungen erzeugen. „Das kann schon nervös machen“, so Van der Bellen, der zugleich betonte, dass die Klärung der Vorwürfe „Sache des Gerichts“ sei.

Befragt zu den Kontakten Otts mit seinem eigenen langjährigen Weggefährten Peter Pilz sagte der Bundespräsident, er habe in diesem Zusammenhang noch keinen Kontakt mit Pilz gehabt. „Ich habe ihm im Jänner zum Geburtstag gratuliert. Das war es dann auch“, sagte der frühere Grüne Bundessprecher.

Van der Bellen zum Fall Ott: „Sache des Gerichts“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich zur Spionageaffäre rund um den Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott geäußert.

Beratungsgremium der Regierung

Der Nationale Sicherheitsrat ist ein Beratungsgremium der Bundesregierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er besteht aus Kanzler, Vizekanzler, Außenminister, Innenminister, Verteidigungs- und Justizministerin sowie Vertreterinnen und Vertretern der im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien. Beratend zur Seite stehen ihm außerdem Vertreter der Präsidentschaftskanzlei bzw. der Landeshauptleutekonferenz, der Generalsekretär im Außenamt, der Generalstabschef, der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit sowie weitere Beamte.