Die ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
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„Rot-Blau“-U-Ausschuss

„Patientenmilliarde“ als „Marketingag“

Laut Beate Hartinger-Klein (FPÖ), ehemals Sozialministerin in der ÖVP-FPÖ-Regierung, ist die mit der Reform der Krankenkassen versprochene „Patientenmilliarde“ ein „Marketinggag“ gewesen – erdacht in der Kommunikationsabteilung des Bundeskanzleramts. Das sagte sie am Mittwoch im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“.

In ihrer Stellungnahme vor ihrer Befragung verteidigte Hartinger-Klein die Reform der Krankenkassen als wichtige und richtige Entscheidung. Das Thema überhaupt sei für sie sehr wichtig, es habe vorher einfach nicht die gleiche Leistung für das gleiche Entgelt gegeben.

Sie gab auch zu, dass es nicht das eine beste System gebe, es hätte vieles auch besser umgesetzt werden können – das sei aber außerhalb ihrer Amtszeit geschehen. Das Wording „Partientenmilliarde“ sei den „Marketingspezialisten“ aus dem Bundeskanzleramt geschuldet, namentlich Johannes Frischmann und Gerald Fleischmann (beide ÖVP). Sie habe einen Wutanfall bekommen, als sie von diesem „Marketinggag“ gehört habe.

Die ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
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Hartinger-Klein verteidigte die Reform der Krankenkassen

Der Rechnungshof (RH) habe zu Recht das Controlling kritisiert, also das Erreichen der Zielvereinbarungen im Bereich Einsparungen. Aber die Sozialversicherung habe keine Möglichkeit, den Geldfluss zu beeinflussen. Im Speziellen im Rahmen des Finanzausgleichs hätte man hier noch nachjustieren müssen, das sei aber nicht geschehen. Sie selbst bekenne sich jedenfalls zum System der Sozialversicherung.

Studie als Basis nach Beschluss veröffentlicht

Markus Koza (Grüne) hinterfragte die Differenz der Wirkungsfolgenabschätzung in der Höhe von 350 Mio. Euro Einsparungen zur propagierten „Patientenmilliarde“. Dazu meinte Hartinger-Klein, am Ende gehe es um die tatsächlichen Einsparungen.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
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Verfahrensrichterin Christa Edwards und ÖVP-Mandatar und Ausschussvorsitzender Wolfgang Gerstl

Gefragt nach einer Studie, die als Basis für die Berechnungen genannt wurde, aber erst ein halbes Jahr nach der Beschlussfassung publiziert wurde, sagte sie, es sei darum gegangen, dass die Studie die Schätzungen untermauern sollte. Laut einem Bericht des Rechnungshofs von 2022 hatte die Reform 215 Millionen Euro an Kosten verursacht, statt die versprochenen Einsparungen von einer Milliarde zu bringen.

Meri Dioski und Markus Koza
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Meri Disoski und Markus Koza fragten für die Grünen

Hartinger-Klein weist Schreddervorwurf zurück

Vorwürfe, etwa aus dem entsprechenden RH-Bericht, sie habe Dokumente zur Reform als „private“ Akten an das Staatsarchiv liefern lassen, wies die Ex-Ministerin zurück. Die Übermittlung der Akten sei nach ihrer Amtszeit geschehen, wenn auch in ihrem Auftrag.

NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty fragte später nach, ob Hartinger-Klein den Auftrag gegeben habe, die Akten unter Verschluss zu liefern. Das verneinte die Auskunftsperson. Sie habe auch keine Schredderaktion in Auftrag gegeben und nicht selbst geschreddert.

Yannick Shetty
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NEOS-Abgeordneter Shetty fragte auch zu Inseraten

Ex-Ministerin für Änderung des Bundesarchivgesetzes

Sie habe am letzten Tag ihrer Tätigkeit im Ministerium ihr Tablet und sämtliche Geräte abgegeben. Weiters habe sie sämtliche Akten von ihrem Kabinett an das Staatsarchiv übergeben lassen. Sie habe auch nichts schreddern, also vernichten lassen. „Das gibt es nicht.“ Sie könne auch nicht sagen, wie der RH zur Bezeichnung „privat“ komme.

Sie stimme den Abgeordneten der Grünen aber zu, dass das Bundesarchivgesetz „sicher“ geändert gehöre. Alles, was den Untersuchungsgegenstand betreffe, sei jedenfalls „verelakt“, also als elektronischer Akt (ELAK) angelegt, so die ehemalige Ministerin später auch zur RH-Kritik, dass aus ihrem Ministerium zu wenig Dokumentation vorliege.

Christian Ries und Thomas Spalt (beide FPÖ)
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Christian Ries und Thomas Spalt, beide FPÖ

Gefragt wurde sie weiters zu Beraterverträgen in ihrem Ministerium, die im RH-Bericht ebenfalls erwähnt werden. Dazu zitierte Hartinger-Klein eine Anfragebeantwortung und führte aus, dass sie zu Beginn ihrer Tätigkeit keinen Pressesprecher hatte und ein entsprechender Auftrag erteilt wurde. Es habe laut ihren damaligen Informationen mit dem Auftragnehmer bereits einen Rahmenvertrag mit dem Ministerium gegeben, erklärte sie dazu, dass der Auftrag laut RH-Kritik mündlich und nicht per Ausschreibung gegeben wurde.

Kein Inserat bei „Alles Roger“

Eine Inseratenschaltung bei „Alles Roger“ habe sie abgelehnt, weil sie „kein freiheitliches Medium“ unterstützen wollte, sagte sie auf eine weitere Frage von Shetty. Im Sozialministerium hätten andere Regeln gegolten, sagte sie auf den Hinweis, dass andere Ministerien laut Chatprotokollen bei diesem Medium offenbar schon inseriert haben.

Reinhold Einwallner und Eva Maria Holzleitner
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Die SPÖ-Fraktion im Ausschuss: Reinhold Einwallner und Eva-Maria Holzleitner, im Hintergrund Katharina Kucharowits

Koza fragte auch zu einem SMS-Verkehr zwischen dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, in dem sich Strache beschwert, dass die FPÖ offenbar nur neun statt siebzehn „vereinbarte Positionen“ bekommen habe. Dazu konnte Hartinger-Klein nichts sagen.