Eindrücke vom Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss
ORF/Roland Winkler
„Rot-Blau“-U-Ausschuss

Clinch ÖVP – FPÖ vor Kickl-Befragung

Bevor am Donnerstag FPÖ-Chef und Ex-Innenminister Herbert Kickl als Zeuge im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ befragt wird, ist es zwischen ÖVP und FPÖ am Vormittag wiederholt zu einem ausdauernden Schlagabtausch gekommen. Die ÖVP warf der FPÖ ein „abgesprochenes Theater“ vor und erhob vor der Befragung schwere Vorwürfe. Die FPÖ versuchte ihrerseits, den Spieß umzudrehen, und zeigte sich überzeugt, dass der Ausschuss zu einem „Bumerang“ für die ÖVP werde.

Im Zentrum des öffentlichen Interesses steht eigentlich die Russland-Spionageaffäre rund um den Ex-BVT-Mitarbeiter und kürzlich verhafteten Egisto Ott. Die zur Zeit von Kickl als Innenminister durchgeführte rechtswidrige Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist wesentlich für das Verständnis der Ereignisse um die Unterwanderung von Verwaltung und Politik – aktuell sind FPÖ-nahe Personen im Fokus.

Fragen dazu dürften aber kaum oder nur sehr eingeschränkt zugelassen werden, wie die Verfahrensrichterin Christa Edwards – unter Verweis auf die Untersuchungsgegenstände des von der ÖVP beantragten Ausschusses – bereits am Mittwoch klarstellte.

Den Beginn machte der Ausschuss mit der Befragung eines aktiven Mitarbeiters der FPÖ-Klubkommunikation im Parlament. Dieser war im Innenministerium von 2017 bis 2019 für die Kommunikationsabteilung sowie für Werbekampagnen, Social Media und Inserate zuständig. Davor war die Auskunftsperson beim rechten Portal Unzensuriert.at tätig.

Befragter: Ausschuss „wird Fakten nicht gerecht“

Der FPÖ-Klubmitarbeiter kündigte eingangs an, sich gegebenenfalls entschlagen zu wollen – wie Ex-Innenministeriumsgeneral Peter Goldgruber betonte er, er halte den Ausschuss für verfassungswidrig. Das Verlangen der ÖVP sei mangelhaft und die darin zur Untermauerung der Themen vorgebrachten Argumente würden den „Fakten nicht gerecht“. Er werde daher alle Fragen vor einer eventuellen Beantwortung prüfen.

Proteste hüben wie drüben

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker unterbrach während der Befragung seines Klubmitarbeiters immer wieder, da er Verstöße gegen die Geschäftsordnung ortete. Hafenecker attackierte in der Folge auch den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt – wofür er sich nach einer Unterbrechung bei den Betroffenen offenbar entschuldigte. Die ÖVP wiederum ortete bei der Befragung durch die FPÖ ein gut einstudiertes „Theater“ – ein Eindruck, den auch die anderen Fraktionen gewannen. Als Hafenecker nach einer Antwort der Auskunftsperson mit der nächsten Frage zögerte, warf NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty spöttisch ein, ob die Antwort etwa vom Script abgewichen sei.

Verfahrensrichter Wolfgang Köller
ORF/Roland Winkler
Dem Verfahrensrichter Wolfgang Köller warf Christian Hafenecker zwischendurch ÖVP-Nähe vor

FPÖ verweist auf Sobotka-Zeit

Umgekehrt protestierte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger wiederholt bei den Fragen Hafeneckers. Was dieser mit dem Verweis, das seien „Hanger-Games“ quittierte. Hafenecker versuchte in der Folge, den Spieß umzudrehen – konkret mit Fragen zu Beratungs- und Kommunikationsverträgen bzw. zu Inseraten, die unter ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka – also unmittelbar vor Kickls Amtszeit – abgeschlossen wurden. Hanger warf dabei immer wieder ein, die ÖVP sei nicht Untersuchungsgegenstand. Die vielen Unterbrechungen zogen die Erstbefragung deutlich in die Länge und sorgten für aufgeregte Zwischenrufe – aber auch immer wieder für Lacher.

800.000-Euro-Rahmenvertrag

Hafenecker thematisierte etwa eine Rahmenvereinbarung für Beratungs- und Kommunikationsleistungen über 800.000 Euro. Die Ausschreibung war nur wenige Tage, bevor Kickl sein Amt übernahm, auf Betreiben von dessen türkisen Vorgängern erfolgt. Eine der zwei Agenturen, die ein Angebot abgab, sei bereits unter Sobotka beschäftigt gewesen. Laut der Auskunftsperson zog dieser die Ausschreibung schließlich zurück – zuvor habe die ÖVP versucht, ihm den Deal schmackhaft zu machen. FPÖ-nahe Agenturen könnten ja als Subunternehmen beteiligt werden, so die Auskunftsperson.

Einen anderen Inseratenvertrag – mit Komunalnet.at – habe es unter Sobotka bereits gegeben. In der Zeit von Kickl sei ein Vertrag abgeschlossen worden, „ohne dass die übliche Praxis eingehalten wurde“, so der FPÖ-Mitarbeiter. Konkret wurde er damals laut eigenen Aussagen – anders als normal – nicht eingebunden. Einer der Geschäftsführer des Verlags sei ein naher Verwandter des damaligen Innenministers Sobotka gewesen, sekundierte Hafenecker.

Befragt zur Vergabe von Inseraten in Kickls Amtszeit an Medien wie „Zur Zeit“, „Wochenblick“ und „Info-Direkt“, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes teils als „rechts außen“ und FPÖ-nah eingestuft werden, verwies die Auskunftsperson darauf, dass das nur einen Bruchteil – weniger als ein Prozent des gesamten Werbebudgets (drei Mio. Euro 2018, Anm.) – umfasst habe. Als zentrales Kriterium für Werbeschaltungen in „Wochenblick“ nannte er die „große Reichweite“, insbesondere in sozialen Netzwerken. Inserate wurden unter anderem für eine Kampagne, bei der für den Polizeidienst geworben wurde, auch in „Wochenblick“ geschaltet.

„Bumerang“ vs. „Bevölkerung manipuliert“

Bereits zuvor hatte der FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker betont, der Tag werde zeigen, dass sich der U-Ausschuss für die ÖVP zu einem „Bumerang“ gegen die ÖVP erweisen werde. Hanger wiederum sagte, dass die FPÖ „die Bevölkerung manipuliert“.

Debatte über Frage zu „freien Medien“

Die Befragung durch die ÖVP begann mit dem Ausschnitt aus einer RTL-Doku mit Undercover-Recherche zu unzensuriert.at, der ein kurzes Gespräch mit der damals dort tätigen Auskunftsperson zeigt. Es folgte ein langer Streit über die Zulässigkeit des Videos. Die FPÖ zeigte sich empört, und mit Zwischenfragen zur Geschäftsordnung stellte die ÖVP letztlich nur eine Frage, nämlich, was die Auskunftsperson unter „freien Medien“ verstehe.

Dieser Begriff kommt in Chats vor und wird auch von der FPÖ teils für Medien wie „Wochenblick“ verwendet. Die regulären Medien werden dagegen als „Systemmedien“ bezeichnet. Nach vielem Hin und Her lautete die Antwort: Unter „freien Medien“ seien wohl alle zu verstehen, die unter die Pressefreiheit fielen.

Frist für Befragung Kickls

Nach dem FPÖ-Klubmitarbeiter ist derzeit der einstige stellvertretende Büroleiter Goldgrubers geladen. Von der Dauer der Befragung hängt es ab, ob Kickl am Donnerstag überhaupt befragt werden kann. Die Befragung muss laut Geschäftsordnung spätestens um 17.00 Uhr beginnen. Die Befragung der ersten Auskunftsperson wurde maximal in die Länge gezogen. Schon der Geladene selbst nützte das Recht auf ein 20-minütiges Eingangsstatement zur Gänze.

Nach Kickl ist noch dessen einstiger Kabinettschef, der nunmehrige FPÖ-Klubobmann im niederösterreichischen Landtag, Reinhard Teufel, geladen. Diese Befragung geht sich sicher nicht mehr aus.