Polizist mit Suchhund in Marseille
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Razzia in Marseille

Auch Drogenfahnder im Visier der Polizei

Beim Kampf gegen den ausufernden Suchtgifthandel in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille ist nun auch die Drogenfahndung der Stadt selbst zum Ziel einer Polizeirazzia geworden, wie jetzt bekanntwurde. „Le Parisien“ berichtete am Mittwochabend unter Verweis auf übereinstimmende Quellen von einer Durchsuchung durch Generalinspektion der Nationalpolizei (IGPN) vor einer Woche. Das Vorgehen hat offenbar auch einen politischen Hintergrund.

Bei einem Besuch in Marseille im März hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dort eine großangelegte Aktion gegen Drogenkriminalität angekündigt. Von der Razzia in Marseille betroffen war laut „Le Parisien“ die führende Abteilung der Kriminalpolizei von Marseille, die für die Aufdeckung der größten Drogengeschäfte zuständig ist. Neben zahlreichen mutmaßlichen Verstößen gehe es um Korruptionsverdacht bei einer angesehenen Abteilung der Polizei.

Die betroffene Abteilung ist in einer Region tätig, die besonders stark vom Handel mit Cannabis und Kokain und auch von tödlichen Abrechnungen unter Drogenbanden betroffen ist, berichtete die Zeitung weiter. In den Räumlichkeiten der Polizeieinheit seien Telefone und Computer beschlagnahmt worden, es habe aber keine Festnahmen gegeben.

Emmanuel Macron bei einem Besuch in Marseille
Reuters/Christophe Ena
Der französische Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch in Marseille im März

Innenminister: Unser Kampf ist total

Innenminister Gerald Darmanin setzt auf öffentlichkeitswirksame Razzien in zahlreichen Städten, um den Drogenhandel eindämmen. „Unser Kampf gegen die Drogen und die Dealer ist total“, sagte der Minister. Bei den Polizeieinsätzen unter dem Namen „Place nette“ (Sauberer Platz) werden Beamte rund um die Uhr in die Problemviertel der Städte geschickt.

Bei umfangreichen Drogenrazzien in zahlreichen französischen Städten nahmen die Fahnder binnen eines halben Jahres 7.177 mutmaßliche Dealer und Dealerinnen fest. Bei den insgesamt 482 Razzien seien außerdem 3,6 Tonnen Drogen, Hunderte Waffen sowie 11,3 Millionen Euro an kriminellen Geldern beschlagnahmt worden, wie Darmanin am Sonntag mitgeteilt hatte.

Hochhaussiedlungen als Brennpunkte

Insgesamt gebe es rund 4.000 Drogenverkaufspunkte in gesamten Land, wie es hieß. Die Einsätze sollen Drogenhändler und -händlerinnen dingfest machen und vor allem verhindern, dass diese ihr Geschäft nach einer kurzen Polizeiaktion ein paar Meter weiter gleich wieder starten.

Polizeiautos in Wohngegend in Marseille
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Zahlreiche Polizeiautos bei einer Razzia in einer Wohngegend in Marseille

Gerade in den Hochhaussiedlungen vieler Großstädte in Frankreich agieren Drogenbanden und machen den übrigen Bewohnern und Bewohnerinnen das Leben schwer. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Abrechnungen zwischen Banden, bei denen auch Unbeteiligte ums Leben kommen.

Besonders problematisch ist die Situation gerade in Marseille, wo im vergangenen Jahr 49 Menschen bei Gewalttaten im Drogenmilieu ums Leben kamen. Dort sprachen die Behörden erst kürzlich von einer „Razzia im XXL-Format“ mit rund 900 eingesetzten Polizisten und Zollbeamten.

Krieg gegen Drogenkriminalität bereits verloren?

Unterdessen wurde in der Nacht auf Montag ein junger Mann in Marseille mutmaßlich von anderen Drogenkriminellen erschossen, den die Fahnder nach Informationen des „Parisien“ eigentlich am Montag hatten festnehmen wollen.

Polizist bei Hausdurchsuchung
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Ein Polizist bei einer Hausdurchsuchung im Dezember in Marseille

Nach Angaben aus Polizeikreisen erlitt das Opfer etwa ein Dutzend Schusswunden, unter anderem durch Geschoße aus einer Kalaschnikow. Die Tat ereignete sich in der Nacht auf Montag nördlich des berühmten Hafens Vieux Port. Vier Verdächtige flüchteten in einem Auto, das später ausgebrannt in einem anderen Teil der Stadt gefunden wurde.

Staatsanwälte und Richter und Richterinnen sowie Justizminister Eric Dupond-Moretti waren zuletzt mehrfach beim Thema Drogenhandel in Marseille aneinandergeraten. Der Minister rügte sie, weil sie kürzlich öffentlich die Zunahme von Korruption bei Polizei und Justiz ansprachen und außerdem erklärten, dass der Krieg gegen die Drogenkriminalität in Marseille verloren gehe.

Im Schatten von Le Pen

Für den Kampf gegen den ausufernden Drogenhandel gibt es auch einen politischen Hintergrund. Fachleute gehen von einem Zusammenhang mit der EU-Wahl im Juni aus. Bei der Wahl wird ein Rechtsruck – nicht nur in Frankreich – erwartet. Laut Prognosen soll es deutliche Zugewinnen für das Rassemblement National der Rechtspopulistin Marine Le Pen geben. In Umfragen führt die Partei mit Abstand.

Marine Le Pen spricht im Parlament
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Die Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen

Für Le Pen gilt die EU-Wahl allerdings nur als Zwischenschritt für den Einzug in den Elysee-Palast. Le Pen will 2027 zum vierten Mal bei der Präsidentschaftswahl antreten. Der amtierende Präsident Macron kann verfassungsgemäß nicht direkt wieder kandidieren. Le Pen kam kürzlich in einer Umfrage zur Stichwahl gegen einen Kandidaten des Regierungslagers auf 51 Prozent der Stimmen.

Razzia erinnert an Film

Die Razzia bei der Drogenfahndung von Marseille gilt als filmreif. Sie erinnert an den auf wahren Begebenheiten beruhenden Kinofilm „Bac Nord“ („Bollwerk gegen das Verbrechen“) aus dem Jahr 2020. Beim Versuch, den Drogenhandel in Marseille unter Kontrolle zu bringen, greifen Fahnder und Fahnderinnen zu zweifelhaften Methoden und überschreiten Regeln, bis die Justiz gegen sie ermittelt.