Kroatiens Premierminister Andrej Plenkovic
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Kroatien wählt

Wahlkampf knapp an der Verfassungskrise

Für Kroatien ist 2024 ein Superwahljahr. Den Beginn macht die Parlamentswahl am Mittwoch. Der konservative Regierungschef Andrej Plenkovic kämpft um seine Wiederwahl, für die Sozialdemokraten wollte Staatspräsident Zoran Milanovic ins Rennen gehen – und löste damit beinahe eine Verfassungskrise aus. Es hätte genug Sachthemen zu besprechen gegeben, aber am Ende dominierte die gut gepflegte Feindschaft zwischen dem Präsidenten und dem Regierungschef den Wahlkampf.

Es ist durchaus nicht ganz üblich, dass bei einer Parlamentswahl Staats- und Regierungschef gegeneinander antreten. Präsident Milanovic wollte genau das tun, bis ihm der kroatische Verfassungsgerichtshof eine Kandidatur verbot.

Das Parlament (Sabor) in Zagreb hatte Mitte März Neuwahlen beschlossen, Milanovic setzte den 17. April als Wahltermin an und gab bekannt, für seine Sozialdemokratische Partei Kroatiens (SDP) gegen Plenkovic von der Mitte-rechts-Partei Kroatische demokratische Gemeinschaft (HDZ) ins Rennen gehen zu wollen.

Präsident teilt aus: „Analphabeten“, „Gangster“, „Bordell“

Das hätte bedeutet: ein Präsident im Wahlkampf. Der Verfassungsgerichtshof schaltete sich ein und entschied: Wenn Milanovic kandidieren wolle, müsse er erst als Staatschef zurücktreten. Parteipolitik sei mit seinem Amt nicht vereinbar. In Kroatien spielt der Präsident zudem bei der Regierungsbildung eine bedeutende Rolle – in Summe für das Höchstgericht zu viele Interessenkonflikte.

Zoran Milanovic bei einem Pressetermin
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Präsident Zoran Milanovic teilt gerne verbal aus

Milanovic, nicht immer ein Mann der feinen Worte, wollte die Entscheidung nicht akzeptieren und teilte heftig gegen die Verfassungsrichter aus: „Bauern“ und „Analphabeten“ säßen in dem Gerichtshof. In anderen Zusammenhängen fielen auch Sager wie „Gangster“ in Richtung Regierung und „das hier ist ein Bordell“ zu den angeblichen Zuständen im Land.

„Dritte Republik“ und „Regierung der nationalen Rettung“

Auf Facebook kündigte Milanovic Pläne für eine „dritte Republik“ und eine Koalition für eine „Regierung der nationalen Rettung“ an. Der 57-Jährige ist seit 2020 Präsident Kroatiens, zuvor war er von 2011 bis 2016 Regierungschef gewesen. Der EU-Beitritt 2013 fiel in diese Amtsperiode.

Anecken als Programm

Der aktuellen Mitte-rechts-Regierung unter Führung der HDZ wirft Milanovic regelmäßig Korruption und Klientelwirtschaft vor. In der Tageszeitung „Dnevnik“ attestierte er der Regierungspartei zuletzt den „Charakter eines Diebes“. Infrastrukturminister Oleg Butkovic (HDZ) ließ er ausrichten: „Bursche, du hast gestohlen (…). Dafür gehst du ins Gefängnis.“

Milanovic teilt regelmäßig verbal kräftig aus, auch international eckt er gerne an. Er kritisierte Waffenlieferungen an die Ukraine, den israelischen Krieg im Gazastreifen, sprach sich gegen eine Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO aus. Während der Coronavirus-Pandemie hatte er erklärt, er würde Impfstoff, wenn notwendig, auch „von der tschetschenischen Mafia“ kaufen.

Plenkovic sieht „politische Sabotage“

Regierungschef Plenkovic warf dem Präsidenten und der Opposition letzte Woche laut der kroatischen Nachrichtenagentur HINA erneut ein „verfassungswidriges Ablenkungsmanöver“ und „politische Sabotage“ vor. Schon das ursprüngliche Vorgehen des Präsidenten und der SDP hatte er als „Versuch eines Miniputsches“ bezeichnet.

Andrej Plenkovic bei einem Pressetermin
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Andrej Plenkovics Regierung geriet unter Beschuss

Für die Wahl zeigte sich Plenkovic siegessicher, die Kroaten seien „nicht blind“, zitierte ihn die HINA, sie vertrauten der HDZ und nicht der Opposition. Allerdings wurde dieses Vertrauen schon mehrfach auf die Probe gestellt. Der Verschleiß an Ministern und Ministerinnen im Kabinett Plenkovic war hoch, mehrfach gab es Korruptionsskandale im Umfeld der Regierung bzw. entsprechende Vorwürfe.

Plötzliche Eile mit Neuwahl

Plenkovic ist seit 2016 kroatischer Regierungschef, zuvor war der 54-Jährige Diplomat und verhandelte in Brüssel führend den EU-Beitritt seines Landes mit. Er ist Parteivorsitzender der HDZ und hat diese in seiner Funktion von nationalistisch eher in Richtung politische Mitte bewegt.

Anti-Regierungsproteste in Zagreb im Februar 2024
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Proteste gegen die Regierung von Plenkovic im Februar in Zagreb

Eigentlich sollte die Parlamentswahl erst im Herbst stattfinden, voraussichtlich im Dezember auch die nächste Präsidentschaftswahl, zuvor im Juni die EU-Wahl. Über den Grund für Plenkovics Eile lässt sich nur mutmaßen. Mitunter hieß es, er wolle mit einer vorgezogenen Wahl einem weiteren Popularitätsverlust seiner Partei zuvorkommen. Die HDZ hatte im Parlament mit 151 Sitzen nur eine hauchdünne Mehrheit von 76 Stimmen.

Das Thema Korruption

Kurz vor Bekanntgabe der Neuwahl hatte ein umstrittenes Mediengesetz Wellen geschlagen, laut dem Informanten, die Informationen an die Presse spielen, bestraft werden können. Die Opposition mutmaßte, die HDZ habe Angst vor dem Auffliegen von Korruptionsskandalen.

Wahlplakate in Kroatien
Reuters/Antonio Bronic
„Entschieden gegen Korruption“ und „Wir schützen die Bürger gegen jede Krise“

Anfang Februar hatte das Parlament auf Betreiben des Regierungschefs den umstrittenen Juristen Ivan Turudic zum Generalstaatsanwalt gewählt. Turudic, bis dahin Richter am Obersten Strafgerichtshof, wird vorgeworfen, mit mehreren korruptionsverdächtigen Personen in freundschaftlichem Kontakt gestanden zu haben.

Höchste Teuerungsrate in der EU

In Kroatien gibt es aber auch genügend Sachthemen zu besprechen, allen voran die Teuerung. Das Land hat nach Rechnung von Eurostat mit 4,9 Prozent (März) die höchste Inflationsrate in der EU. Kroatien gehört erst seit 2023 der Währungsunion an, die Euro-Einführung mit einem Wechselkurs von eins zu 7,5 zur Kuna sorgte für Verunsicherung, noch dazu, wo vor der Umstellung die Teuerung im November 2022 mit 13,5 Prozent einen Höchststand erreicht hatte.

Straßenszene in Dubrovnik
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Kroatien hat in EU und Euro-Zone die höchste Teuerungsrate, nicht nur im Tourismus

Die Regierung in Zagreb schnürte mehrere Antiteuerungspakete, Strom- und Erdgaspreis wurden gedeckelt, ebenso die Preise für bestimmte Lebensmittel, die Mehrwertsteuersätze auf Brennmaterialien wurden gesenkt, die Behörden verhängten Strafen wegen ungerechtfertigter Preiserhöhungen mit der Einführung des Euro.

Regierungspartei laut Umfragen vorne

Bei der Wahl sind rund 3,8 Millionen Bürger wahlberechtigt, Auslandskroaten inklusive. Letzte Umfragen, die der öffentlich-rechtliche Sender HRT vergangene Woche veröffentlichte, sahen in den zehn Wahlkreisen – die elf Vertreter der Minderheiten und der Diaspora ausgenommen – die HDZ mit 60 Mandaten vor der SDP (in einem Wahlbündnis mit mehreren Oppositionsparteien) mit 44.

Grafik zeigt Mandatsverteilung in Kroatien laut Umfragen
Grafik: ORF.at; Quelle: HR Rejting

Darauf folgen Heimatbewegung (DP) mit 14, Most („Brücke“) und Mozemo („Wir können“) mit je neun und drei Kleinparteien mit insgesamt vier Mandaten. Die HDZ braucht für eine parlamentarische Mehrheit mehr als einen Koalitionspartner, für das linke Wahlbündnis scheint eine solche Mehrheit schwer erreichbar.