Kickl im „Rot-Blau“-U-Ausschuss befragt

Als dritte Auskunftsperson ist heute FPÖ-Chef und Ex-Innenminister Herbert Kickl im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ befragt worden. Die Befragung zog sich über mehrere Stunden und war erst am späteren Abend beendet.

Im Zentrum standen angesichts der akuten Affäre um Spionage für Russland das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und das Vorhaben Kickls, dieses neu zu organisieren. Grundsätzlich zweifelte Kickl die Rechtmäßigkeit vieler Fragen an, was zu vielen Unterbrechungen führte. Am spannendsten wurde es nach mehr als drei Stunden, als es um die Eigentümerstruktur eines Klagenfurter Hauses geht, das Firmensitz einer Werbeagentur ist, die Kickl mitgründete.

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl
ORF/Roland Winkler

Generell geht es im U-Ausschuss konkret um sieben Themenbereiche, allen voran mögliche Postenschacher, Inseratenvergabe, Medienkooperationen, Studien und Beraterverträge und auch um die COFAG.

Über „Problemfall Ott“ nie informiert worden

Verfahrensrichterin Christa Edwards begann die Befragung nach der Frage, wie Egisto Ott nach Aufhebung der Suspendierung wieder in BVT-Funktion gelangte. Dazu habe er keine Informationen, so Kickl. Er kritisierte vielmehr Ex-BVT-Chef Peter Gridling, dass dieser ihn zu Amtsantritt nicht über die Problematik Ott informiert habe.

Er sei über den „Problemfall“ Ott nicht informiert gewesen, das sei aber die „Grundvoraussetzung für alles“. Kickl deutete an, dass es seinem Verständnis nach zuständige Beamte und Vorgesetzte im Ministerium gebe und dass es hier offenbar einen mangelhaften Informationsfluss gegeben habe. Schon bei den ersten Fragen kam es zu Geschäftsordnungsscharmützeln zwischen FPÖ und ÖVP.

Kickl betonte, die ÖVP wolle ihm unterstellen, er habe Ott in eine zentrale Stelle heben wollen. Er kenne Ott aber gar nicht, und all das sei eine Unterstellung der ÖVP.

Kickl findet Frage nicht zulässig

Gleich bei der ersten Frage der Grünen – wie seine Beziehung zum Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein stand und stehe – verweigerte Kickl die Antwort, obwohl die Verfahrensrichterin die Frage als zulässig erklärte. Nach längerer Debatte gab es die erste Stehung, also Unterbrechung und Beratung über das weitere Vorgehen. Sachlicher Hintergrund ist, dass es Chats gibt, in denen Jenewein Ott eine Position in der geplanten Neuorganisation des BVT verspricht.

Auch nach Vorlage eines Dokuments blieb Kickl bei der Weigerung zu antworten, behauptete aber im Weiteren, die Frage ohnehin bereits beantwortet zu haben. Er forderte den Originalchat und auch ein auf Otts Handy schon vor Jahren festgestelltes Organigramm zur Neuordnung des BVT, das dem U-Ausschuss als Dokument bisher allerdings nicht vorliegt.

„Keine Wahrnehmung“ zu Gespräch mit Jenewein zu BVT-Reform

Kickl ortete trotz der klaren Entscheidung der Verfahrensrichterin eine Unordnung im U-Ausschuss, räumte aber nach der langen Debatte ein, dass er Jenewein kennt. Zu seiner Rolle bei der BVT-Reform antwortete Kickl, das sei interne Angelegenheit des Ministeriums gewesen, geleitet von BVT-Chef Gridling, und als externen Experten habe er Klaus-Dieter Fritsche engagiert. Dieser gilt als Wirecard-Lobbyist und wird derzeit im Konnex mit der Spionageaffäre genannt, war früher aber auch Geheimdienstkoordinator der deutschen Regierung. Eine bewusste Wahrnehmung zu Gesprächen mit Jenewein zum Thema verneinte Kickl, schloss ein Gespräch aber nicht aus.

Kickl: „Kenne Marsalek persönlich nicht“

Kickl sagte aus, dass er Jan Marsalek nicht persönlich kenne, aber dass dieser im Ministerium war und dort das Projekt „Pyramide“ präsentierte. Dabei sei es um ein Migrationsprojekt gegangen. Kickl verwies zugleich darauf, dass Marsalek auch nach seiner Zeit öfters im Ministerium gewesen sei und etwa den derzeitigen, von der ÖVP berufenen Bundespolizeidirektor Michael Takacs getroffen habe. Takacs’ Handy war eines der drei von Spitzenbeamten, deren Daten nach einem Bootsunfall widerrechtlich offenbar über Ott an Russland weitergeleitet worden sein sollen.

FPÖ-Chef sieht „Missbrauch des U-Ausschusses“

Als NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty das Thema auf die Kärntner Agentur Ideenschmiede (später Signs) lenkte, an der Kickl laut Shetty via Treuhandregelung beteiligt gewesen sei, verweigerte Kickl erneut eine Antwort und sprach unter anderem von einem „Missbrauch des U-Ausschusses“. Er verwies auf rechtskräftig eingestellte Verfahren. Diese Vorwürfe nun zu wiederholen sei eine „Sauerei“.

Als Minister habe er keinerlei privatwirtschaftliche Aktivitäten gehabt, so Kickl auf weitere Nachfrage und nach langer Debatte.

Einstufung Fritsches nicht in Konnex mit Aktenzugriff

Die Einstufung des von Kickl berufenen Beraters Fritsche als „streng geheim“ sage nichts über seinen Zugriff auf Geheimakten aus. Das sei eine Sicherheitsüberprüfung gewesen, die Fritsche den Zugang ins Gebäude des BVT erlaubt habe. Und dort habe er sich nur an der Seite von BVT-Chef Gridling bewegen können. Zugriff zu geheimen Akten habe er nur durch Gridling bekommen können. Er selbst habe aber keine Wahrnehmung dazu.

Frage zu Rechtsextremem Sellner nicht zulässig

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger legte ein zusammengeschnittenes Video rund um das Christchurch-Attentat und eine Aussage von Kickl vor, in der er 2021 die rechtsextreme Identitären-Bewegung als „NGO von rechts“ bezeichnete. Hanger verwies auf Inserate des Innenministeriums unter Kickl in rechten und FPÖ-nahen Medien, insbesondere im Identitären-Medium Infodirekt.

Die FPÖ empörte sich darüber und benannte die ÖVP in „Österreichische Videopartei“ um. Hanger wollte eigentlich zunächst nur wissen, ob Kickl den rechtsextremen Identitären Martin Sellner kennt. Der Verfahrensrichterin fehlte nach Langem Hin und Her der nachvollziehbare Bezug zu den U-Ausschuss-Themen. Die Frage blieb daher unbeantwortet.

ÖVP fragt nach Einnahmen via Treuhandvertrag

Beim nächsten Thema, ob und wie Kickl an der Agentur Ideenschmiede bzw. Signs via Treuhandvertrag beteiligt war, gab es wieder mehr als halbstündigen Streit über die Zulässigkeit der Frage. Kickl sprach von einem „Schauspiel“ mit Wahlkampfhintergrund. Auf langes Nachfragen der Verfahrensrichterin gab diese fast entnervt auf und ließ die Frage mit dem Verweis darauf zu, dass die gratis erfolgte Zurverfügungstellung eines Logos durch die Agentur an die Polizei ja Folgeaufträge auslösen hätte können.

Die Frage, ob er Zahlungen von der Ideenschmiede oder Signs bekommen habe, verneinte Kickl schließlich. Der Ausschussvorsitzende unterbrach Kickl bei Antworten und verwies unter anderem darauf, das sei jetzt keine Plenarrede.

Die SPÖ fragte ebenfalls nach der Werbeagentur Signs, Kickl vermisste erneut den Bezug zum Untersuchungsgegenstand. SPÖ-Fraktionsführerin Eva-Maria Holzleitner wollte wissen, wo der Sitz des Unternehmens ist. SPÖ, ÖVP und NEOS wunderten sich, dass die Agentur ein Logo gratis zur Verfügung gestellt habe und laut Medienbericht auch ein Angebot für ein Logo von Kickls Pferdestaffel stellte.

Streit um Mitbesitz von Haus

Laut NEOS und SPÖ gibt es einen Treuhandvertrag zwischen dem Besitzer eines Hauses in Klagenfurt, an dem sich auch der Firmensitz von Signs befindet. Demzufolge macht der Treuhandvertrag Kickl zum Hälfteeigentümer des Hauses. Er erhalte die gesamten Mieteinnahmen von etwa 50.000 Euro im Jahr und dürfe sich den Anteil des Mitbesitzers „jederzeit kostenlos schenken lassen“. Dieser dürfe laut dem Treuhandvertrag auch nicht sagen, dass Kickl Miteigentümer ist. Zuvor hatte Kickl dagegen bei der Befragung betont, in seiner Zeit als Minister keine zusätzlichen Einkünfte bezogen zu haben. Klubobleute dürfen keine Nebeneinkünfte haben.

Kickl wies die Frage als prinzipiell unzulässig zurück, die Verfahrensrichterin sah das freilich anders. Nach langer Debatte antwortete Kickl trotz Vorbehalts, die Immobilie habe in seiner Zeit als Innenminister dem Geschäftsführer der Signs gehört. „Was gar nichts damit zu tun hat, ist ein Treuhandvertrag, der nie realisiert wurde. Es war eine Situation, in diese Immobilie hineinzugehen, dadurch ist der potenzielle Partner der alleinige Inhaber der Immobilie.“ Seit damals habe er „keinen Cent“ aus der Immobilie lukriert. Auf die Frage, ob der Vertrag aufgelöst wurde, antwortete Kickl: Der Vertrag sei nie realisiert worden.

Kickl: ÖVP ein „Sicherheitsrisiko“

Die vorerst letzten Fragen an Kickl stellte dessen FPÖ – entsprechend ausführlich fielen die Schilderungen aus: Was er im BVT vorgefunden habe, sei ein Sicherheitsrisiko gewesen („Dritte-Welt-Niveau“), so Kickl zu Fraktionsführer Christian Hafenecker. Er habe ein riesiges Loch beim Polizeipersonal vorgefunden, „in Wahrheit war die ÖVP das Sicherheitsrisiko“, sagte der FPÖ-Chef.

Ausgerechnet Karl Nehammer, der ihn derzeit stets als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet, habe auf einen Wechsel von dessen Frau ins Innenministerium hinwirken wollen, führte Kickl aus – er habe ihn, Kickl, dazu sogar zu einem Termin gebeten.

Auch Besetzungen thematisierte Kickl – etwa die Besetzung des Landespolizeidirektors in Niederösterreich. Hier sei von der ÖVP interveniert worden – dem haben er nicht nachgegeben, so Kickl. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leiter habe der FPÖ drei Jobs angeboten, man habe aber „Widerstand geleistet“, so Kickl.