EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen
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Personalentscheidung

Nepotismuskritik an von der Leyen

Im Streit über die Vergabe eines gut bezahlten Brüsseler Postens an einen CDU-Politiker hat das Europaparlament Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abgemahnt. Es stimmte am Donnerstag mehrheitlich für einen Antrag, die Ernennung des bisherigen EU-Abgeordneten Markus Pieper (CDU) zum Mittelstandsbeauftragten rückgängig zu machen. Das bürgerliche Lager sieht dahinter eine Kampagne des politischen Gegners.

Von der Leyen müsse „ein wirklich transparentes und offenes Verfahren“ einleiten, heißt es in dem Text des Mitte-links-Lagers. Der nicht bindende Antrag der Grünen wurde maßgeblich von Sozialdemokraten, Liberalen und Linken im Europaparlament unterstützt. Aber auch einzelne Abgeordnete aus dem Rechtsaußen-Lager stimmten dafür. Der Antrag wurde im Plenum mit 382 Stimmen angenommen. 144 Abgeordnete votierten dagegen, 80 enthielten sich der Stimme.

Als Grund für ihren Vorstoß hatten die Abgeordneten Zweifel daran genannt, ob bei der Ernennung Piepers zum Kommissionsbeauftragten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) „die Grundsätze der Leistung, der Ausgewogenheit der Geschlechter und der geografischen Ausgewogenheit“ berücksichtigt wurden. Indirekt wurde der Kommissionspräsidentin vorgeworfen, mit Pieper gezielt einen Parteifreund ausgewählt zu haben.

Abgeordnete im EU-Parlament
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382 Abgeordnete stimmten für den – nicht bindenden – Antrag

Nach Angaben der Kritikerinnen und Kritiker hatten sich besser qualifizierte Frauen aus Schweden und Tschechien beworben. Diese seien überdies in den Institutionen weniger vertreten als deutsche Männer. Der FDP-Europaabgeordnete Michael Kauch sprach von „Günstlingswirtschaft“. Daniele Freund, Europaabgeordneter der deutschen Grünen sagte, Pieper habe das Auswahlverfahren „auf dem letzten Platz abgeschlossen – mit Abstand – und trotzdem den Job bekommen“. Von der Leyens Vorgehen sei „unwürdig“.

EVP ortet Kampagne

Piepers Ernennung erfolgte im Jänner – etwas mehr als einen Monat bevor die Europäische Volkspartei (EVP) um CDU und CSU von der Leyen zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl Anfang Juni kürte. Die EVP wirft den anderen Parteien ihrerseits eine politische Kampagne vor. Alle Kritiker gehörten konkurrierenden Parteien an, hieß es.

Ein Sprecher von der Leyens ließ am Donnerstag kurz nach der Entscheidung wissen, dass es keine Pläne gebe, die Personalentscheidung rückgängig zu machen. Laut dem Sprecher wurden bei dem Auswahlverfahren alle Regeln eingehalten. Er wies darauf hin, dass jede EU-Institution autonom über die Besetzung von Stellen entscheiden könne.

Nach Angaben der Kommission soll Pieper den mit einem fünfstelligen Monatsgehalt dotierten Posten in der kommenden Woche wie geplant antreten. Der CDU-Politiker ist laut Kommissionssprecher Eric Mamer auf vier Jahre ernannt. Seine Besoldungsstufe ist AD15 – das entspricht einem Monatsgehalt von mehr als 18.000 Euro.

Hinweis auf ausgelassene Einspruchsmöglichkeit

Mitarbeiter von der Leyens hatten bereits in den vergangenen Wochen wiederholt darauf verwiesen, dass es in Bewerbungsprozessen vollkommen normal sei, dass sich Kandidaten am Ende nicht durchsetzten, die in den ersten Runden im Test noch besonders gut abgeschnitten hätten. Zudem wurde unter anderem auf die jahrelange Erfahrung Piepers in der Mittelstandspolitik verwiesen.

Aus dem Umfeld von der Leyens hieß es überdies, dass EU-Kommissare aus den Reihen der nun kritischen Parteifamilien Einspruchsmöglichkeiten im behördeninternen Verfahren nicht wahrgenommen hätten.

Inzwischen äußerten sich auch vier Kommissionsmitglieder kritisch und forderten Aufklärung. In einer internen Debatte der Behörde hatte von der Leyen die Anschuldigungen am Mittwoch zurückgewiesen, wie es von Teilnehmern hieß. Sie hielt sich am Donnerstag in Bayern auf und äußerte sich vorerst nicht zu dem Fall. Die Europawahl findet von 6. bis 9. Juni in allen EU-Staaten statt. In Deutschland und Österreich ist der Wahltermin der 9. Juni.