Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
ORF/Carina Kainz
Spionageaffäre Ott

BVT-Abteilungsleiter sagte in München aus

Offenbar ohne das Wissen Österreichs soll der in der Spionageaffäre um den ehemaligen BVT-Chefinspektor Egisto Ott ebenfalls belastete Verfassungsschutzabteilungsleiter Martin Weiss im April 2022 bei der Staatsanwaltschaft München ausgesagt haben. Das berichtete das Nachrichtenmagazin „profil“ in seiner aktuellen Ausgabe. Außerdem sei ihm freies Geleit zugesprochen worden, wie es heißt.

„Profil“ beruft sich dabei auf einen Bericht der AG Fama. Diese Arbeitsgruppe wurde Ende Juli 2020 als Ermittlungseinheit im Innenministerium eingerichtet, zusammengesetzt aus Beamten des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention. Die AG befasste sich unter anderem mit verdächtigen Vorfällen rund um das frühere Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), aber auch mit der „Causa Wirecard“.

Was in München offiziell unter dem Titel Beschuldigteneinvernahme lief, betrachtet die AG Fama in ihrem Bericht nun als „eine mit Jan Marsalek akkordierte ‚Entlastungshandlung‘“. Marsalek ist der wegen Betrugs straffällig gewordene frühere COO (Chief Operating Officer) des insolventen Finanzdienstleisters Wirecard, er befindet sich auf der Flucht.

Die Vernehmung durch die Münchner Staatsanwaltschaft sei „ohne Information oder Abstimmung mit österreichischen Justiz- oder Polizeidienststellen“ erfolgt, so die heimischen Ermittler. Außerdem dürfte es „Zusagen gegenüber dem Beschuldigten“ gegeben haben. Gemeint ist offenbar, dass die Münchner dem früheren Leiter der Spionageabteilung beim BVT zugesagt hätten, dass er wieder gehen dürfe.

Offenbar Blockaden in Zusammenarbeit

Es sei nicht das erste Mal, dass die deutsche Justiz Ermittlungshandlungen Österreichs rund um die Spionageaspekte in der Wirecard-Causa abgeblockt habe, so das Nachrichtenmagazin. Schon in der Vergangenheit habe sich Österreichs Justiz immer wieder an München gewandt, um eine Kooperation voranzutreiben.

Die Deutschen hätten sich mäßig interessiert gezeigt, was ein „absolutes Novum“ darstelle, so „profil“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Im Nachrichtenmagazin wird gemutmaßt, dass es einen Zusammenhang mit dem Faktum geben könne, dass Marsaleks Wirecard Zahlungen des deutschen Bundesnachrichtendienstes abgewickelt habe.

„Profil“: Wien hatte bereits Strafantrag gegen Weiss fertig

Kurz nachdem Weiss bei der Staatsanwaltschaft München war, sei dort zudem der Verdacht der Fluchthilfe fallengelassen worden, heißt es weiter – wieder, ohne vorher mit Österreich zu sprechen. Dabei hätte es laut „profil“ bereits einen fixfertig vorbereiteten Strafantrag gegen Weiss wegen „Begünstigung“ (Fluchthilfe, Anm.) in der Schublade der heimischen Ermittler gegeben. Das Problem: Wenn in einem europäischen Land Ermittlungen wegen eines bestimmten Straftatbestands eingestellt wurden, dürfen sie nicht in derselben Sache in einem anderen Land fortgesetzt werden.

Während sich Weiss zuletzt in Dubai aufgehalten haben dürfte, wo er vor dem Zugriff österreichischer Behörden insofern sicher ist, als es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kein Auslieferungsübereinkommen gibt, sitzt der ehemalige BVT-Chefinspektor Ott seit fast zwei Wochen unter Spionageverdacht in der Justizanstalt Josefstadt in Wien in U-Haft. An sich würde am Montag ein regulärer Haftprüfungstermin anstehen, Otts Rechtsvertreter habe aber darauf verzichtet, hieß es am Wochenende auf APA-Anfrage aus dem Wiener Landesgericht.

Zadic für eigenen Russland-U-Ausschuss

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) spricht sich unterdessen für einen parlamentarischen Russland-Untersuchungsausschuss aus, um neben einer rechtlichen auch für eine politische Aufklärung zu sorgen, wie sie am Samstag im Ö1-Mittagsjournal sagte. Zu Verbindungen von Peter Pilz – in seiner Liste hatte Zadic ihre politische Karriere begonnen – zu Ott befragt, sagte sie, sie selbst sei nie in Kontakt mit dem Spionageverdächtigen oder seinen „Kumpanen“ gewesen. „Zu wem Pilz Kontakt gehabt hat, müssen Sie ihn selber fragen“, so die Justizministerin.

Eingeschränkt offen zeigte sich Zadic für die von der ÖVP wiederholt geforderte Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und Signal zur Gefahrenabwehr. Aus ihrer Sicht könne man darüber reden. Die vom Verfassungsgerichtshof eingezogene rote Linie eines Bundestrojaners dürfe dabei allerdings nicht überschritten werden. Ein Aufspielen von Schadsoftware und das Offenlassen von Sicherheitslücken auf Geräten kann es aus ihrer Sicht also nicht geben. Die technische Lösung dafür müsse vom Innenministerium kommen, so Zadic.

Karner begrüßt Vorstoß

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begrüßte das in einer schriftlichen Stellungnahme. Expertinnen und Experten aus beiden Ressorts würden in enger Zusammenarbeit eine legistische Lösung vorlegen, kündigte er an. „Es geht darum, dem Verfassungsschutz und der Kriminalpolizei die notwendigen Befugnisse zu geben, um Spionage, Terrorismus und organisierte Kriminalität wirkungsvoll bekämpfen zu können. Während diese Bundesregierung mit Hochdruck für die Sicherheit der Menschen in unserem Land arbeitet, hat die FPÖ kein Interesse an einem schlagkräftigen Verfassungsschutz und einer modernen Kriminalpolizei in Österreich“, so der Innenminister.

Bei der Frage des Generalstaatsanwalts als künftiger justizieller Weisungsspitze beharrte Zadic auf den von Expertinnen und Experten geforderten Dreiersenaten. Auch das sei eine „rote Line“, richtete sie der ÖVP aus. Sie werde „keine Kompromisse schließen zum Nachteil unseres Rechtsstaats und der Justiz“, nur um eine positive Schlagzeile zu bekommen.

FPÖ schießt weiter gegen ÖVP

Wieder wies die FPÖ am Samstag in einer Pressekonferenz die Darstellung der ÖVP zurück, die die FPÖ in die Spionageaffäre verwickelt sieht – schließlich habe Ott vorwiegend unter ÖVP-Innenministern, nicht nur unter dem ehemaligen Innenminister und heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl gearbeitet.

Auch die gestohlenen Smartphones dreier (Ex-)Spitzenbeamter aus dem Innenministerium erwähnten die FPÖ-Generalsekretäre Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker, die der nunmehrige Bundespolizeidirektor Michael Takacs „am Dienstweg vorbei“ zur Reparatur zu einem IT-Techniker des Verfassungsschutzes gebracht habe, nachdem diese bei einem Kanuausflug ins Wasser gefallen waren. Die Handys landeten schließlich bei Ott. Überhaupt sei für Takacs erst der Posten des Bundespolizeidirektors „erfunden“ worden, warf die FPÖ der ÖVP „Postenschacher“ vor.

Nasse Handys beinhalteten womöglich „Staatsgeheimnisse“

Auf den nass gewordenen Diensthandys der drei Kabinettsmitarbeiter des früheren Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Ott über Umwege dem russischen Geheimdienst übergeben haben soll, sollen sich „heikle Daten und Informationen“ befunden haben. Das gab einer der Betroffenen an, wie aus einem Protokoll der AG Fama hervorgeht, das der APA vorliegt.

Die Daten könnten „möglicherweise auch Staatsgeheimnisse beinhalten“, sagte einer der Betroffenen. Alle drei früheren Mitarbeiter Sobotkas erklärten, auf ihren Handys hätten sich jedenfalls Amtsgeheimnisse befunden. „Speziell klassifizierte Dokumente“ seien allerdings auszuschließen, sagten sie.