Ein Helikopter nähert sich einem Containerschiff
APA/AFP
Schiff festgesetzt

Lage im Nahen Osten spitzt sich zu

Die Sorge vor einer Eskalation im Nahen Osten steigt. Am Samstag setzte der Iran ein Schiff mit „Verbindungen“ zu Israel fest. Israel drohte umgehend mit Konsequenzen und forderte etwa, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden als „Terrororganisation“ einstuft. Man sei auf einen Angriff des Iran vorbereitet, hieß es aus Israel. Unterdessen kehrte US-Präsident Joe Biden vorzeitig zu Beratungen nach Washington zurück.

Iranische Revolutionsgarden kaperten am Samstag in der Straße von Hormus einen Frachter, der in Verbindung mit Geschäften eines israelischen Unternehmers steht. Die iranische Nachrichtenagentur Irna meldete, die unter portugiesischer Flagge fahrende „MSC Aries“ sei mit Hilfe eines Hubschraubers geentert und in iranische Hoheitsgewässer gesteuert worden.

Der Konzern MSC, in dessen Auftrag das Containerschiff unterwegs ist, bestätigte die Beschlagnahmung und erklärte, man arbeite mit den zuständigen Behörden zusammen. Ziel sei die Rückgabe des Schiffes und das Wohlergehen der 25 Besatzungsmitglieder. Das Schifffahrtsunternehmen Zodiac Maritime teilte mit, MSC habe die „Aries“ von seiner Tochtergesellschaft Gortal Shipping geleast. Anteilseigner von Zodiac ist der israelische Geschäftsmann Eyal Ofer.

Israels Außenminister Israel Katz warf der Regierung in Teheran umgehend Piraterie vor und forderte internationale Sanktionen. Die EU solle die iranischen Revolutionsgarden als „Terrororganisation“ einstufen, schrieb er auf X (Twitter). Der Sprecher des israelischen Militärs, Daniel Hagari, drohte: „Der Iran wird die Konsequenzen tragen, wenn er sich für eine weitere Eskalation dieser Situation entscheidet.“

Großbritannien ruft zu Deeskalation auf

Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps forderte den Iran ebenfalls dazu auf, das Containerschiff freizugeben. Die Beschlagnahmung sei inakzeptabel und ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, schrieb Shapps auf X.

Das Schiff und die Besatzung müssten unverzüglich und bedingungslos freikommen. Angesichts der wachsenden Spannungen teilte Shapps mit, dass Großbritannien mit den Partnern zusammenarbeite, um eine Eskalation in der Region zu verhindern. Der Iran müsse sein destabilisierendes Verhalten sofort einstellen.

Analyse: Reaktionen auf Drohungen aus dem Iran

Die ORF-Korrespondenten Nikolaus Wildner und Christophe Kohl sprechen unter anderem über die Reaktionen in Israel auf die Drohungen aus dem Iran sowie die verstärkte Militärpräsenz der USA im Nahen Osten.

Auch die USA verurteilten die Beschlagnahmung aufs Schärfste. Ein ziviles Schiff ohne Provokation festzusetzen sei ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, schrieb die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, Adrienne Watson, auf X. Sie nannte das Vorgehen Piraterie und forderte die sofortige Freilassung. „Wir werden mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um den Iran für sein Vorgehen zur Rechenschaft zu ziehen.“

Biden vorzeitig zurück in Washington

US-Präsident Joe Biden reagierte ebenfalls und kehrte am Samstag vorzeitig von seinem Wochenendhaus ins Weiße Haus zurück. „Der Präsident kehrt heute Nachmittag ins Weiße Haus zurück, um sich mit seinem nationalen Sicherheitsteam über die Ereignisse im Nahen Osten zu beraten“, teilte die US-Regierung mit.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sicherte am Samstag seinem israelischen Kollegen Joav Galant die „unerschütterliche Unterstützung der USA“ zu. In einem Telefonat hätten die beiden über „akute regionale Bedrohungen“ gesprochen, teilte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, in Washington mit. Austin habe deutlich gemacht, dass Israel „auf die volle Unterstützung der USA“ bei der Verteidigung gegen jegliche Angriffe des Iran und seiner Stellvertreter zählen könne.

Freitagabend sagte Biden, dass die Angriffe des Iran „eher früher als später“ befürchtet werden. Die USA „werden Israel unterstützen, wir werden helfen, Israel zu verteidigen, und der Iran wird keinen Erfolg haben“, hob Biden erneut hervor. Nach seiner Botschaft für den Iran gefragt, antwortete er mit Blick auf einen möglichen Angriff: „Tut es nicht.“ die USA kündigten an, „zusätzliche Ressourcen“ in die Region zu schicken, um die regionale Abschreckung zu stärken und den Schutz der US-Streitkräfte zu erhöhen.

Israel: Sind vorbereitet

Israel stellt sich unterdessen bereits auf einen Angriff des Iran ein. Ab Sonntag wurden „Unterrichtsaktivitäten, Reisen und Ausflüge“ an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ausgesetzt. Für die nächsten zwei Tage gelten zudem Vorschriften wie das Verbot großer Ansammlungen in bestimmten Gebieten.

Die Streitkräfte sowie Kampfflugzeuge seien in höchster Alarmbereitschaft, hieß es vonseiten des Militärs. Man sei „entschlossen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Bürger des Staates Israel zu verteidigen“, so Verteidigungsminister Galant. Er sagte auch einen für Sonntag geplanten Besuch in Österreich und Ungarn ab, dieser sei „bis auf Weiteres“ aufgeschoben, teilte sein Büro am Samstagabend mit. Katz hätte am Dienstag Außenminister Alexander Schallenberg und Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) getroffen.

Israel habe auch „neue Fähigkeiten hinzugefügt – am Boden, in der Luft, zur See, in unserem Geheimdienstdirektorat, innerhalb des Staates Israel und gemeinsam mit unseren Partnern, angeführt von den Vereinigten Staaten“, sagte er weiter. Der Beginn eines zwischenstaatlichen Konflikts zwischen dem Iran und Israel würde eine ernsthafte Eskalation in der Region bedeuten.

Aufruf, den Iran zu verlassen

Das Außenministerium in Wien änderte am Freitagabend Reisehinweise für den Iran und rief alle Österreicherinnen und Österreicher auf, das Land zu verlassen. Vor Reisen in den Iran werde gewarnt, es gelte Sicherheitsstufe sechs. Auch andere Länder verschärften ihre Warnungen vor Reisen in den Iran.

Verschiedene Airlines, darunter die Austrian Airlines und die Lufthansa, setzten Flüge von und nach Teheran vorerst aus. Weitere Fluggesellschaften meiden angesichts der Drohungen den Luftraum über dem Iran und auch Teilen Israels.

Israels Nachbarland Jordanien sperrte überhaupt seinen Luftraum. Von Samstagabend an werde der Luftraum für alle Flüge gesperrt, berichtete der private Fernsehsender Roja News unter Berufung auf die zivile Luftfahrtbehörde des Landes. Begründet wurde der Schritt mit Sicherheitsbedenken sowie „in Anbetracht der eskalierenden Risiken in der Region“.

Iran drohte mit Vergeltung

Zu dem Angriff auf den Frachter kam es vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen Israel und dem Iran. Die Islamische Republik hatte Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Luftangriff auf ihre Vertretung in Damaskus angekündigt. Bei dem Angriff Anfang April waren 16 Menschen getötet worden. Unter den Toten waren zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarde sowie fünf weitere Mitglieder der Elitetruppe.

Am Dienstag hatte der Marinechef der iranischen Revolutionsgarden, Aliresa Tangsiri, damit gedroht, die für die internationale Handelsschifffahrt sehr wichtige Straße von Hormus zu sperren, falls das für nötig gehalten werde. Am Mittwoch drohte auch das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, Israel mit Vergeltung.

Die Meerenge liegt zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Tangsiri erklärte, die Präsenz Israels in den VAE werde als Bedrohung aufgefasst. 2020 hatten Israel und die VAE diplomatische Beziehungen aufgenommen.