Israels Iron Dome
APA/AFP/Jack Guez
„99 Prozent abgefangen“

Iranischer Angriff auf Israel abgewehrt

Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag Israel mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern angegriffen. Erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik griff das Land damit seinen Erzfeind direkt an. Wie der israelische Militärsprecher Daniel Hagari mittlerweile bestätigte, konnten 99 Prozent der Geschoße abgefangen werden. Laut israelischen Medienberichten ist mit einer „erheblichen Reaktion“ Israels zu rechnen. Der Iran bezeichnete den Angriff unterdessen als „erfolgreich“.

Teheran habe „mehr als 300 Bedrohungen verschiedener Art losgeschickt“, so Hagari. „Die iranische Bedrohung ist auf die israelische Überlegenheit in der Luft und im technologischen Bereich getroffen, in Kombination mit einer starken, kämpferischen Koalition, die gemeinsam den Großteil der Bedrohungen abgefangen hat.“

Hagari sprach von einem „sehr bedeutsamen strategischen Erfolg“. Von 170 unbemannten Flugkörpern, die der Iran losgeschickt habe, seien „null auf das israelische Gebiet vorgedrungen“. Dutzende seien von israelischen Kampfjets abgeschossen worden, von der israelischen Luftabwehr sowie den „Luftstreitkräften und der Luftabwehr unserer Partner“. Auch von mehr als 30 Marschflugkörpern, die der Iran abgefeuert habe, sei keiner nach Israel eingedrungen.

Grafik zu Luftangriffen des Iran gegen Israel
Grafik: APA/ORF

Leichte Schäden durch ballistische Raketen

„Von mehr als 120 ballistischen Raketen sind nur wenige nach Israel vorgedrungen, und der Rest wurde abgefangen“, sagte Hagari weiter. „Sie schlugen im Bereich der Flugbasis Nevatim ein und verursachten nur leichten Schaden an der Infrastruktur.“ Die Basis funktioniere normal weiter. Der Iran habe gedacht, er habe die Basis lahmlegen können. Behörden zufolge wurde dabei ein siebenjähriges Mädchen schwer verletzt.

TV-Hinweis

ORF2 befasst sich in einer ZIB Spezial ab 20.15 Uhr mit der Situation in Nahost. ORF III berichtet um 20.15 Uhr in einer Spezialausgabe von „ORF III aktuell“ und zeigt danach die Dokumentationen „Der endlose Krieg: Iran – Israel – USA“ (21.20 Uhr) und „Hisbollah – verehrt und gefürchtet“ (23.10 Uhr).

Sonntagfrüh gab das israelische Militär Entwarnung. Es erklärte, dass die Bevölkerung nun nicht mehr dazu aufrufen werde, sich darauf vorzubereiten, in Schutzräumen Zuflucht zu suchen. Der Luftraum über Israel wurde von den Behörden wieder freigegeben.

Es habe auch Angriffe aus dem Irak und dem Jemen gegeben, aber sie hätten Israel nicht erreicht, sagte der Sprecher. Dutzende Raketen seien vom Libanon auf den Norden Israels gefeuert worden. Dabei sei niemand verletzt worden. „Im vergangenen halben Jahr haben wir eng mit unseren Partnern zusammengearbeitet, vorneweg Centcom (Zentralkommando, Anm.) der USA, Großbritannien und Frankreich und weiteren Ländern, die heute Nacht aktiv waren“, erklärte Hagari.

Drohnen und Raketen in Jordanien abgefangen

Das jordanische Kabinett teilte am Sonntag nach einer Sitzung mit, dass man mehrere Flugobjekte abgefangen hätte. Jordanien liegt zwischen dem Iran und Israel. Die Armee werde auf alle Bedrohungen antworten, die die Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen gefährde oder Jordaniens Territorium und dessen Luftraum. An mehreren Orten seien Teile der Flugkörper vom Himmel gefallen, größeren Schaden oder Verletzte habe es dabei aber nicht gegeben.

Grafik zum Iron Dome
Grafik: APA/ORF; Quelle: dpa

Der Fernsehsender Al-Mamlaka berichtete, dass unter anderem im Süden der Hauptstadt Amman Teile einer Rakete vom Himmel fielen. In sozialen Netzwerken machte ein Video die Runde, das ausgebrannte Teile einer Rakete zeigen soll, die in einer Wohngegend auf der Straße zwischen geparkten Autos liegen.

„Bereit zu tun, was für die Verteidigung notwendig ist“

Mit Blick auf eine mögliche Reaktion Israels sagte der Militärsprecher: „Wir prüfen die Situation und zeigen dem Kabinett die Pläne, wir sind bereit zu unternehmen, was für die Verteidigung Israels notwendig ist.“ Man sei auch auf weitere Bedrohungen durch den Iran vorbereitet.

Verteidigungsminister Joav Galant erklärte: „Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und weiteren Partnern ist es dem Staat Israel gelungen, sein Territorium zu verteidigen.“ Er fügte hinzu: „Die Schlacht ist noch nicht vorbei – wir müssen wachsam bleiben.“

Reste einer Rakete die über Amman abgeschossen wurde
APA/AFP/Ahmad Shoura
Jordanische Sender verbreiteten Bilder, die eine über Amman abgefangene Rakete zeigen sollen

Präsident lobt „außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit“

Israels Präsident Jizchak Herzog bedankte sich nach dem abgewehrten iranischen Großangriff auf sein Land beim israelischen Militär, seinem Volk und dem Verbündeten USA. „Seid gesegnet, liebe Soldaten und Kommandeure“, schrieb Herzog auf X (Twitter) und fügte hinzu: „Segne die Koalition der Nationen unter der Führung der USA“ und ihrem Präsidenten. Das israelische Volk habe eine „außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit“ bewiesen, schrieb Herzog. „Gemeinsam werden die Kräfte des Guten die Kräfte des Bösen besiegen“, so der israelische Präsident weiter.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schrieb auf X: „Wir haben abgeschossen, wir haben gebremst. Gemeinsam werden wir siegen“. Zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik griff der Iran seinen Erzfeind Israel direkt an.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bei einer Kriegskabinetsitzung in Tel Aviv
APA/AFP/Israeli Prime Minister Office
Benjamin Netanjahu berief das Kriegskabinett in der Nacht ein

Gleichzeitige Angriffe von Hisbollah und Huthis

Der Iran hatte am späten Samstagabend erstmals seine Drohung wahrgemacht und Israel direkt mit Drohnen und Raketen angegriffen. Zunächst gab die israelische Armee einen iranischen Drohnenangriff auf israelisches Staatsgebiet bekannt. Wenig später berichteten die iranischen Staatsmedien, die Revolutionsgarden hätten bei dem „umfangreichen“ Angriff auch Raketen auf Israel abgefeuert. Gleichzeitig mit dem iranischen Luftangriff führten auch die Hisbollah-Miliz im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen Angriffe gegen israelische Ziele aus.

Iran warnt Israel vor Gegenangriff

Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hatte Israel am Mittwoch mit Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Angriff auf ein iranisches Konsulargebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus gedroht. Dabei waren Anfang April 16 Menschen getötet worden, darunter zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden.

Iranische Demonstranten vor der britischen Botschaft in Teheran
Reuters/Majid Asgaripour
Im Iran feiert man den Angriff auf Israel

Die iranische Militärführung bewertete den Großangriff als erfolgreich. „Der Grund für diese Operation war die Überschreitung der roten Linien durch das zionistische Regime, die für uns nicht tragbar war“, zitierte die Nachrichtenagentur Isna am Sonntag den Generalstabschef des Iran, Mohammed Bagheri. Die Vergeltungsschläge gegen Israel seien erfolgreich gewesen. Mit „zionistischem Regime“ meint die iranische Führung den Erzfeind Israel.

Nach Angaben Bagheris wurden keine zivilen Ziele oder Städte von den iranischen Geschoßen ins Visier genommen. Es habe zwei Hauptziele gegeben: Das Geheimdienstzentrum, das die Informationen für den Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude im syrischen Damaskus geliefert habe, sowie den Militärstützpunkt Nevatim, von dem aus die F35-Kampfflugzeuge gestartet seien, die dieses bombardiert hätten. „Diese beiden Zentren sind beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden.“ Israel hatte versichert, dass die Nevatim-Basis zwar leicht getroffen worden sei, aber nach wie vor funktioniere.

Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, sagte im Staatsfernsehen, der Angriff auf Israel hätte auch größer ausfallen können. „Wir haben diesen Einsatz auf die Einrichtungen, die das zionistische Regime genutzt hat, um unsere Botschaft (in Syrien, Anm.) anzugreifen, begrenzt.“

Iranischer UNO-Botschafter warnt vor Gegenschlag

Der iranische UNO-Botschafter Amir Saeid Irawani warnte am Sonntag vor einem neuerlichen Gegenschlag Israels. „Sollte das israelische Regime erneut einen militärischen Angriff durchführen, wird die Antwort des Iran mit Sicherheit stärker und entschlossener ausfallen“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur IRNA aus einem Schreiben an UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. „Die Islamische Republik Iran bekräftigt ihre unerschütterliche Entschlossenheit, ihr Volk, ihre nationale Sicherheit und Interessen, ihre Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.“