Reste einer Rakete in Arad, Israel
Reuters/Christophe Van Der Perre
Angriff auf Israel

Iran sieht „alle Ziele erreicht“

Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag erstmals Israel direkt angegriffen. Mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper seien auf Israel abgefeuert worden, teilte die israelische Armee mit. 99 Prozent davon seien von Israel und seinen Verbündeten abgeschossen worden. Der Iran bezeichnete den Großangriff dennoch als Erfolg – man habe „alle Ziele erreicht“.

Der Armeechef des Iran, Mohammed Bagheri, sagte am Sonntag im iranischen Fernsehen: „Die Operation ‚Ehrliches Versprechen‘ ist zwischen gestern Abend und heute Früh mit Erfolg ausgeführt worden und hat all ihre Ziele erreicht.“ Nach Angaben Bagheris wurden keine zivilen Ziele oder Städte von den iranischen Geschoßen ins Visier genommen. Die Führung in Teheran übte mit dem Angriff Vergeltung für einen mutmaßlich israelischen Angriff am 1. April auf ein iranisches Botschaftsgebäude in Syriens Hauptstadt Damaskus.

Es habe zwei Hauptziele gegeben: Das Geheimdienstzentrum, das die Informationen für den Angriff auf das Konsulatsgebäude in Damaskus geliefert habe, sowie den Militärstützpunkt Nevatim, von dem aus die F35-Kampfflugzeuge gestartet seien, die dieses bombardiert hätten. „Diese beiden Zentren sind beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden.“ Israelischen Angaben zufolge wurde die Nevatim-Basis zwar leicht getroffen – die Rede war gleichzeitig von geringen Schäden.

Iranische Demonstranten vor der britischen Botschaft in Teheran
Reuters/Majid Asgaripour
In Teheran haben Hunderte ihre Unterstützung für den Angriff demonstriert

„Neue Gleichung“

Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, sagte im Staatsfernsehen, der Angriff auf Israel hätte auch größer ausfallen können. „Wir haben diesen Einsatz auf die Einrichtungen, die das zionistische Regime genutzt hat, um unsere Botschaft (in Syrien, Anm.) anzugreifen, begrenzt.“

Salami sagte weiter, die Revolutionsgarden hätten sich entschieden, eine neue Gleichung aufzustellen. Diese „besagt, ab jetzt werden wir, wann immer das zionistische Regime unsere Interessen, Besitztümer, Individuen und Bürger angreift, von der Islamischen Republik Iran aus Vergeltung üben“. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian erklärte, dass der Iran vor ungefähr drei Tagen die „Freunde und Nachbarn in der Region“ über den bevorstehenden Angriff informiert hätte. Auch die Türkei sei vorab informiert worden, wie Reuters mit Verweis auf Geheimdienstquellen am Sonntagnachmittag mitteilte.

Fritz (ORF): „Direkter israelischer Angriff wahrscheinlich“

Die Angriffsserie der vergangenen Nacht war nach Angaben von Teheran die Antwort auf den mutmaßlichen israelischen Schlag auf ein Botschaftsgebäude in Damaskus. Der Iran habe damit das Kapitel für beendet erklärt. Peter Fritz (ORF) ist mit einer Einordnung der aktuellen Geschehnisse Gast im „Studiogespräch“.

Parallele Angriffe von Hisbollah und Huthis

Bei dem iranischen Angriff auf Israel wurden nach Angaben von Israels Militärsprecher Daniel Hagari „mehr als 300 Bedrohungen verschiedener Art losgeschickt“. Gleichzeitig mit dem iranischen Luftangriff führten zudem die Hisbollah-Miliz im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen Angriffe gegen israelische Ziele aus.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bei einer Kriegskabinetsitzung in Tel Aviv
APA/AFP/Israeli Prime Minister Office
Benjamin Netanjahu berief das Kriegskabinett in der Nacht ein

„Die iranische Bedrohung ist auf die israelische Überlegenheit in der Luft und im technologischen Bereich getroffen, in Kombination mit einer starken, kämpferischen Koalition, die gemeinsam den Großteil der Bedrohungen abgefangen hat.“ Hagari sprach von einem „sehr bedeutsamen strategischen Erfolg“. Von 170 unbemannten Flugkörpern, die der Iran losgeschickt habe, seien „null auf das israelische Gebiet vorgedrungen“. Auch von mehr als 30 Marschflugkörpern, die der Iran abgefeuert habe, sei keiner nach Israel eingedrungen.

Grafik zu Luftangriffen des Iran gegen Israel
Grafik: APA/ORF

Leichte Schäden durch ballistische Raketen

„Von mehr als 120 ballistischen Raketen sind nur wenige nach Israel vorgedrungen, und der Rest wurde abgefangen“, sagte Hagari weiter. „Sie schlugen im Bereich der Flugbasis Nevatim ein und verursachten nur leichten Schaden an der Infrastruktur.“ Die Basis funktioniere normal weiter. Behörden zufolge wurde dabei ein siebenjähriges Mädchen schwer verletzt.

Es habe auch Angriffe aus dem Irak und dem Jemen gegeben, aber sie hätten Israel nicht erreicht, sagte der Sprecher. Dutzende Raketen seien vom Libanon auf den Norden Israels gefeuert worden. Dabei sei niemand verletzt worden. „Im vergangenen halben Jahr haben wir eng mit unseren Partnern zusammengearbeitet, vorneweg Centcom (Zentralkommando, Anm.) der USA, Großbritannien und Frankreich und weiteren Ländern, die heute Nacht aktiv waren“, erklärte Hagari.

Grafik zum Iron Dome
Grafik: APA/ORF; Quelle: dpa

Drohnen und Raketen in Jordanien abgefangen

Das jordanische Kabinett teilte am Sonntag nach einer Sitzung mit, dass man mehrere Flugobjekte abgefangen hätte. Jordanien liegt zwischen dem Iran und Israel. Der Fernsehsender al-Mamlaka berichtete, dass unter anderem im Süden der Hauptstadt Amman Teile einer Rakete vom Himmel fielen. In sozialen Netzwerken machte ein Video die Runde, das ausgebrannte Teile einer Rakete zeigen soll, die in einer Wohngegend auf der Straße zwischen geparkten Autos liegen.

Iranischer UNO-Botschafter warnt vor Gegenschlag

Der iranische UNO-Botschafter Amir Saeid Irawani warnte am Sonntag vor einem neuerlichen Gegenschlag Israels. „Sollte das israelische Regime erneut einen militärischen Angriff durchführen, wird die Antwort des Iran mit Sicherheit stärker und entschlossener ausfallen“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur IRNA aus einem Schreiben an UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. „Die Islamische Republik Iran bekräftigt ihre unerschütterliche Entschlossenheit, ihr Volk, ihre nationale Sicherheit und Interessen, ihre Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.“

Die proiranische Hisbollah-Miliz bezeichnete den iranischen Angriff gegen Israel indes als „tapfere und weise Entscheidung“. In einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme beglückwünschte die Schiitenmiliz den Iran zu dem Angriff. Die Islamische Republik habe trotz Drohungen, Druck und Einschüchterungsmaßnahmen von ihrem natürlichen Recht Gebrauch gemacht, hieß es darin weiter.