Zwei Polizisten vor einer überfluteten Brücke in der Region Kurgan
IMAGO/TASS/Donat Sorokin
Russland

Hochwasserlage wird schlimmer statt besser

Die Lage im russischen Hochwassergebiet verschlechtert sich nach Behördenangaben weiter – und das, obwohl es schon vor Tagen geheißen hatte, eine Entspannung stehe bevor. Insgesamt seien aktuell bis zu 15.600 Wohnhäuser und rund 28.000 bewohnte Grundstücke überflutet, wie die Behörden am Montag mitteilten. Als besonders gefährlich gilt die Situation für die Menschen im Gebiet Kurgan, wo das Hochwasser des Flusses Tobol im Südwesten Sibiriens innerhalb von 24 Stunden um eineinhalb auf rund 6,50 Meter stieg.

Betroffen war auch die Region Orenburg durch Rekordwasserstände des Flusses Ural, in dem aus dem gleichnamigen Gebirge Massen an schmelzendem Eis und Schnee abfließen. Das ungewöhnlich starke Frühjahrshochwasser hat bereits viel Infrastruktur, darunter Straßen und Brücken, zerstört.

Die Schäden werden von Behörden allein im Gebiet Orenburg mit der gleichnamigen Gebietshauptstadt und der Großstadt Orsk aktuell auf mehr als 40 Milliarden Rubel (rund 400 Mio. Euro) geschätzt, dürften aber deutlich höher liegen. Dutzende Brücken sind für den Verkehr gesperrt. Wegen der Seuchengefahr durch einen Mangel an sauberem Wasser begannen die Behörden auch mit Impfungen gegen Hepatitis A.

Hoffnungsschimmer in Orenburg

Dabei gab es in Orenburg am Sonntag eine leichte Entspannung. Nach Behördenangaben hatte dort seit Samstag am Ural über Stunden ein Höchststand von 11,87 Meter geherrscht – fast 2,5 Meter über der als kritisch definierten Marke. Am Sonntag fiel der Wasserstand erstmals um etwa fünf Zentimeter. Luftaufnahmen zeigten, dass sich der Süden der Stadt in einen großen See verwandelt hat. Von Hunderten einstöckigen Häusern ragt nur das Dach aus den Fluten. Die wichtigste Brücke über den Ural war unpassierbar, damit waren die Stadtteile voneinander abgeschnitten.

Grafik zu Überschwemmungen im Ural
Grafik: APA/ORF

Die Zahl der fortgebrachten Menschen sei bis Sonntag auf 16.500 gestiegen, teilte die Verwaltung mit. Flussaufwärts in Orsk, das vor etwa zehn Tagen als erste Stadt von den Überschwemmungen getroffen worden war, wurde bereits ein deutlicherer Rückgang verzeichnet. Seit dem Vortag sei das Wasser aus mehr als 1.500 Häusern und 1.400 Gärten abgelaufen, teilte die Regionalverwaltung mit.

Menschen sollen sich in Sicherheit bringen

Betroffen sind laut Behörden 193 Ortschaften in 33 Regionen Russlands, darunter die Gebiete Samara und Omsk. Auch im Gebiet Nowosibirsk mit großen Flüssen stellten sich die Behörden auf Hochwasser ein. Im Gebiet Kurgan forderte Gouverneur Wadim Schumkow die Menschen erneut mit Nachdruck auf, ihre Dokumente, Wertsachen und Kleidung einzupacken und sich in Sicherheit zu bringen. Die Situation sei sehr schwierig und entwickle sich weiter negativ, teilte Schumkow auf Telegram mit. Polizisten würden gemeinsam mit Angehörigen von Sportvereinen Patrouillen organisieren, um Plünderungen zu verhindern.

Blick aus einem Hubschrauber auf ein überflutetes Gebiet in der Region Kurgan
Reuters/Russian Emergencies Ministry
Blick aus dem Hubschrauber auf ein überflutetes Gebiet in der Region Kurgan

Auch in Kasachstan stehen viele Dörfer unter Wasser. Die Behörden brachten bisher 102.000 Menschen in Sicherheit, wie die kasachische Botschaft in Berlin am Samstag unter Berufung auf die Zivilschutzbehörden in Astana berichtete. Fast die gleiche Zahl von Nutztieren sei an sichere Orte gebracht worden. Bisher seien bereits knapp 1.100 Tonnen humanitäre Hilfe in die betroffenen Regionen im Norden Kasachstans gebracht worden.

Unzufriedenheit mit Krisenmanagement

Viele Russen beklagen, dass die Behörden zu spät vor der Gefahr gewarnt hätten und auch Hilfe nur unzureichend und schleppend komme. Bewohner aus der Ural-Gegend hatten bereits vergangene Woche mehr finanzielle Unterstützung und Hilfe von Präsident Wladimir Putin gefordert. Der Kreml erklärte darauf, Putin werde regelmäßig über die Lage informiert. Er plane derzeit jedoch nicht, das betroffene Gebiet zu besuchen. Die Frage der Entschädigung und das Verfahren zur Zahlungsabwicklung sorgten besonders für Unruhe.

Schmelzwasser und starke Regenfälle

Bereits jetzt handelt es sich nach Angaben von russischen Behördenvertretern um die schlimmsten Überschwemmungen in der Region, seit es Aufzeichnungen dazu gibt. Als Ursache gilt das Schmelzwasser aus dem Ural-Gebirge. Dass dadurch im Frühling einige der größten Flüsse in Russland und Zentralasien anschwellen und über die Ufer treten, ist durchaus üblich.

In diesem Jahr jedoch löste eine Kombination mehrerer Faktoren ungewöhnlich starke Überschwemmungen aus: Nach Angaben russischer Katastrophenschutzexperten war zum einen der Boden schon vor dem Winter durchnässt gewesen. Unter sehr starken Schneefällen gefror er, und als dann im Frühling die Temperaturen rasch stiegen, sorgte die Schneeschmelze in Kombination mit heftigen Regenfällen für die verheerenden Überflutungen.