Benjamin Netanyahu
AP/Abir Sultan
„Iran soll nervös warten“

Netanjahu kündigt „kluge“ Reaktion an

Auf den iranischen Angriff auf Israel wird es eine „kluge“ Reaktion geben. Das kündigte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu an. Einen Zeitpunkt nannte er mit Absicht nicht. Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Reaktion erfolge. Darauf folgte am Dienstag prompt wiederum eine Drohung aus Teheran.

Einem Bericht des Rundfunksenders Kan zufolge sagte Netanjahu am Montag bei einem privaten Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, man müsse „mit dem Kopf, nicht aus dem Bauch heraus“ reagieren. Und weiter: „Sie müssen so nervös sein, wie sie uns nervös gemacht haben.“ Der Sender berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, Israel habe zugesichert, die USA vor einem Gegenschlag zu informieren.

Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich dazu äußern. „Wir werden den Israelis das Wort überlassen“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt. Ähnlich äußerte sich Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Es liege an Israel zu entscheiden, ob es auf den iranischen Angriff reagieren werde oder nicht.

Netanjahu unter Druck

Die Gefahr eines Flächenbrands im Nahen Osten führte zu vielen internationalen Appellen, Israel möge sich nach dem iranischen Angriff zurückhalten. Doch auch innerhalb seiner Regierung steht Premier Benjamin Netanjahu unter Druck, denn Hardliner fordern eine schnelle und harte Reaktion gegen den Iran.

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu dem Treffen gab es nicht. Der Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien, wie auf den iranischen Angriff reagiert werden könne, erörtert worden.

Iranischer Präsident: Werden auf jede Aktion reagieren

Der Iran bekräftigte derweil, dass er auf jegliche Aktion reagieren werde, die sich gegen seine Interessen richte, sagte Präsident Ebrahim Raisi laut einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur ISNA. Zuvor hatte der stellvertretende iranische Außenminister Ali Bagheri Kani im Staatsfernsehen gesagt, dass die Gegenoffensive Teherans nach einem möglichen israelischen Vergeltungsschlag „eine Frage von Sekunden sein würde, da der Iran nicht weitere zwölf Tage warten wird, um zu reagieren“.

Israelische Armeedrohne
APA/AFP/Menahem Kahana
Auch Israels Armee greift auf Kampfdrohnen aus ihrem Arsenal zurück

Wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete, soll der iranische Außenminister Hussein Amir-Abdollahian in einem Telefonat mit Chinas Außenminister Wang Yi am Dienstag erklärt haben, dass der Iran zur Zurückhaltung bereit sei und nicht die Absicht habe, die Lage zu eskalieren. Nach Einschätzung Chinas sei der Iran in der Lage, „die Situation gut zu meistern und der Region weitere Instabilität zu ersparen“, so Wang. Zugleich könne der Iran seine Souveränität und Würde wahren.

Israels Armeechef: „Erwägen unsere Schritte“

Israels Generalstabschef Herzi Halevi hatte am Montag „eine Antwort“ auf den iranischen Angriff angekündigt. „Während wir nach vorne blicken, erwägen wir unsere Schritte“, sagte er. Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf das Territorium Israels werde eine Reaktion folgen. „Der Angriff des Iran hat neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen“, so Halevi. Israels Militär hatte bei der Abwehr des Angriffs Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen.

Der Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den USA und zu anderen Partnern seien, schrieb das „Wall Street Journal“. Analysten zufolge werde das wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein, wenn Israel seinen nächsten Schritt abwäge. Auch die Kriegsziele im Kampf gegen die mit dem Iran verbündete Terrororganisation Hamas im Gazastreifen dürften Teil der Kalkulationen sein, einschließlich der geplanten Offensive auf die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah.

Ex-NATO-Chef erwartet keinen militärischen Konflikt

Der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erwartet nach dem Angriff des Iran auf Israel keinen direkten militärischen Konflikt.

Israel erörtert weiteres Vorgehen in Rafah

Israels Verteidigungsminister Joav Galant erörterte am Montagabend mit Vertretern seines Ministeriums und der für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständigen COGAT-Behörde das weitere Vorgehen in Rafah. Dabei ging es vor allem um Evakuierungsmaßnahmen und die Ausweitung von Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen. Vor dem iranischen Angriff hatte Netanjahu verkündet, es gebe schon einen Termin für eine Offensive. Galant widersprach dem jedoch.

Appelle an Israel zu Deeskalation

International mehrten sich die Appelle an Israel, mit Zurückhaltung auf den Angriff zu reagieren. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gab am Montag auf X (Twitter) bekannt, er habe bei einem Telefonat mit dem iranischen Außenminister den Angriff aufs Schärfste verurteilt und gefordert, zur Deeskalation beizutragen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wiederum lobte in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (Dienstag-Ausgabe) die „ausgesprochen positive Rolle“ der USA, die versuchen würden, Israel von übereilten Schritten abzuhalten.

Frankreich wird sich nach den Worten von Präsident Emmanuel Macron dafür einsetzen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz mahnte sowohl den Iran als auch Israel, nicht weiter zu einer Eskalation beizutragen. Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak forderte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sein Außenminister David Cameron rief Israel dazu auf, auf Vergeltungsmaßnahmen zu verzichten.

Russland sei sehr besorgt, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Eine weitere Eskalation liege in niemandes Interesse. Russland hatte seinen Verbündeten Iran nicht offen für den Angriff kritisiert, sondern darauf verwiesen, dass der Iran von einem Vorgehen im Rahmen seines Rechts auf Selbstverteidigung nach dem Angriff auf ein iranisches Konsulargebäude in Damaskus, der Israel zugeschrieben wird, gesprochen habe.

EU könnte Iran mit neuen Sanktionen belegen

In der EU werden mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedsstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema am Dienstag bei einer Videoschaltung der Außenminister auf den Tisch kommen. Neue Strafmaßnahmen könnten über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde.