Baustelle eines Wohnhauses
ORF.at/Christian Öser
Wohnungen

Gemeinnützige fürchten Lücke bei Neubau

Der gemeinnützige Wohnbau gilt in Österreich als eine der Stützen für finanzierbares Wohnen. Fast 15.000 geförderte Wohnungen kamen im vergangenen Jahr hinzu. Zwar zeigten sich die gemeinnützigen Bauverbände am Dienstag mit der Zahl zufrieden. Zugleich warnten sie aber vor einem Einbruch der Bautätigkeiten und forderten von der Politik Maßnahmen – darunter einmal mehr die Forderungen, Wohnbauförderungsbeiträge wieder zweckzuwidmen.

Österreichs Wohnbaumotor stottert – was nicht zuletzt auch die Politik auf den Plan gerufen hat. Mit einem Wohnbaupaket will die Bundesregierung wieder Schwung in die heimische Bauwirtschaft bringen. Das begrüßen grundsätzlich auch die gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV). Zugleich machten die Verbandsvertreter bei einem Pressegespräch am Dienstag deutlich: Angesichts der Zukunftsaussichten könnten die nunmehrigen Maßnahmen nur ein Anfang sein.

„Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache“, sagte Verbandsobmann Klaus Baringer. Im vergangenen Jahr stellten die 182 gemeinnützigen Bauvereinigungen rund 14.900 fertig. Gegenüber 2022 ist das bereits ein kleines Minus – merklich größer fällt der Rückgang aber im Vergleich mit dem Zehnjahresdurchschnitt aus, der sich auf rund 16.500 fertiggestellte Wohnungen pro Jahr beläuft.

Merklicher Rückgang erwartet

Und der Trend dürfte sich fortsetzen. „Für 2024 erwarten wir leider einen weiteren Rückgang auf etwa 14.100 Fertigstellungen“, sagte der stellvertretende Verbandsobmann Herwig Pernsteiner. Gleichzeitig liege die Zahl der in Bau befindlichen Wohnungen Anfang 2024 mit 24.400 um 23 Prozent unter dem Zehnjahresdurchschnitt. Hohe Zinssätze und hohe Baupreise bremsten die Bauinvestitionen.

Entsprechend gehen die Verbandsvertreter auch für 2025 von einem weiteren deutlichen Rückgang aus. Nur noch 10.000 bis 11.000 Wohnungen dürften 2025 fertig werden. Allerdings sei die Abschätzung aufgrund der teuerungsbedingten Bauverzögerungen und Planungsstopps mit Unsicherheiten behaftet, hieß es von den Bauvereinigungen. Laut Verbandsobmann Baringer sind auch die Auswirkungen des Wohnbaupakets in der Erhebung noch nicht berücksichtigt.

Mehr als „kurzfristige Maßnahmen“ gefordert

Das von der Regierung beschlossene Wohnbaupaket sehen die Interessenvertreter als ersten wichtigen Schritt zur Entspannung der „schwierigen Situation“ auf dem Wohnungsmarkt. Sie hoffen aber, dass sich das Paket nicht als „Eintagsfliege“ erweist. „Wir lösen das Thema nicht mit ausschließlich kurzfristigen Maßnahmen“, sagte Baringer. „Wir müssen im System, in der Struktur wieder fit werden.“

Baustelle eines Wohnhauses
ORF/Viviane Koth
Auch der gemeinnützige Wohnbau blickt mit Sorge in die Zukunft

Aus Sicht des Verbandes braucht es dazu mehr gezielte Maßnahmen der Politik – zuvorderst die Zweckbindung der Wohnbauförderung. Die Wohnbauförderung liegt in Österreich in der Hand der Länder und besteht vornehmlich aus Darlehen der Länder mit niedrigen Zinsen. Das Geld dafür kommt aus dem Wohnbauförderungsbeitrag, der von Dienstgeber und Dienstnehmer abzuführen ist.

800 Millionen Euro nicht zweckgewidmet

Bis 2008 mussten die Länder die Einnahmen, die sie durch Wohnbauförderungsbeiträge und die Rückzahlungen der Darlehen lukrierten, wieder zweckgewidmet für die Wohnbauförderung einsetzen. Im Zuge der damaligen Finanzausgleichsverhandlungen wurde diese Zweckwidmung aber 2008 abgeschafft. Seitdem sind die Länder nicht mehr verpflichtet, die Gelder allein für die Schaffung und Sanierung von Wohnraum einzusetzen – und machen es oftmals auch nicht mehr.

Laut den gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen fielen die Ausgaben für die Wohnbauförderung von fast drei Milliarden Euro im Jahr 2014 auf unter 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2022. Die Einnahmen der Länder aus Darlehensrückflüssen und dem Wohnbauförderungsbeitrag hätten 2022 hingegen 2,7 Milliarden Euro betragen – eine Diskrepanz von 800 Millionen Euro. Vor einem Jahr sprach sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) dafür aus, die Zweckwidmung wieder einzuführen. In den Finanzausgleich von 2023 schaffte sie es allerdings nicht.

Anteil der geförderten Wohnungen seit Jahren rückläufig

Bereits im Februar hatte der Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen eine Untersuchung der Wohnbauförderung über den Zeitraum 1996 bis 2022 veröffentlicht. Darin wird deutlich, wie die Förderzusicherungen der Bundesländer sukzessive zurückgingen, sowohl die Zahl der geförderten Wohneinheiten als auch die Gesamtausgaben betreffend.

Zugleich zeigte sich, dass mit dem Rückgang des geförderten Wohnbaus der Anteil der frei finanzierten Wohnungen und Häuser stieg. Allerdings: In den vergangenen zwei Jahren ging der Anteil der geförderten Wohneinheiten wieder leicht nach oben – was schlicht daran lag, dass die Bautätigkeit insgesamt noch stärker zurückging als im Bereich des gemeinnützigen Wohnbaus.

Gemeinnützige wollen mehr Grundstücke

Handlungsbedarf sieht der Verband der Gemeinnützigen neben der Wohnbauförderung auch bei den Themen Grundstücke und Verfahrensdauer. Länder und Gemeinden sollten aus Verbandssicht die Instrumente der Raumordnung intensiver nutzen, um Grundstücke für erschwinglichen Wohnbau verfügbar zu machen.

„Baulandmobilisierende Instrumente wie Baulandfonds, Flächenwidmungen für geförderten Wohnbau, Raumordnungsverträge bis hin zum existierenden, aber niemals angewendeten Bodenbeschaffungsgesetz müssen konsequent umgesetzt werden“, forderte Baringer.

Ruf nach mehr Rechten für Heizungstausch

Zusätzliche Maßnahmen wünschen sich die Gemeinnützigen auch im Hinblick auf Sanierungen – auch wenn sich die Verbandsvertreter mit den Zahlen weitgehend zufrieden zeigten. Gebäude mit Baujahren vor 1980 seien inzwischen fast annähernd thermisch „durchsaniert“, nun würden die Bestände der späten 1980er und 1990er Jahre in den Fokus rücken. Zugleich „gelangen ältere Gebäude bereits in den zweiten Sanierungszyklus“, sagte der GBV-Obmann.

Zugleich war laut Baringer 2023 ein „Rekordjahr bei den Heizungsumstellungen“. Rund 6.000 Wohneinheiten seien auf klimafreundliche Heizungssysteme umgestellt worden. Insgesamt würde bereits mehr als die Hälfte des GBV-Verwaltungsbestands durch Fernwärme oder erneuerbare Energieträger beheizt.

„Um dieses Niveau halten zu können und schneller Gasheizungen und die letzten Einzelöfen aus dem gemeinnützigen Wohnungsbestand zu entfernen, braucht es zusätzliche Förderungen“, sagte Baringer. Zugleich sprach sich der GBV-Obmann für „wohnzivilrechtliche Maßnahmen“ aus. Aktuell könnten Mieterinnen und Mieter den Heizungstausch blockieren. „Es fehlt ein Bundesgesetz, das die Durchsetzung des Heizungstausches ermöglicht. Es fehlt aber auch eine rechtliche Klärung, welche Kostenanteile von wem getragen werden“, so Baringer.

FPÖ und SPÖ kritisierten Regierung

Die FPÖ nutzte die GBV-Pressekonferenz für Kritik an der Bundesregierung. „Wir brauchen wohnpolitische Realpolitik statt schwarz-grüner Schlagzeilenpolitik“, so FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl in einer Aussendung. Die FPÖ fordere einen Bundeszuschuss zur Wohnbauförderung, um diese auf ein Prozent des BIP zu erhöhen. Zudem müsse die nur wenige Jahre in Betrieb gewesene Wohnbaufinanzierungsbank wiederbelebt werden.

SPÖ kritisiert Wohnpaket der Regierung

Das von der Bundesregierung beschlossene Wohn- und Baupaket geht der SPÖ nicht weit genug. Um Menschen, die sich die gestiegenen Mietkosten nicht mehr leisten können, zu unterstützen, planen die Sozialdemokraten, am Mittwoch einmal mehr im Nationalrat ihr Paket für finanzierbares Wohnen einzubringen.

Dafür sprach sich in der Vergangenheit auch die SPÖ aus. Die Sozialdemokraten kündigten am Dienstag überdies an, im Nationalrat einmal mehr Wohnen zum Thema zu machen. Die Partei werde erneut ihr Paket für einen Mietpreisdeckel für alle Mieten bis 2026 sowie einen Zinspreisdeckel auf alle bestehenden Immobilienkredite einbringen, sagte die stellvertretende Klubobfrau Julia Herr. Finanzieren würde die SPÖ die Maßnahmen durch eine „Übergewinnsteuer“ für Banken.