Jordaniens König Abdullah II und Königin Rania
Reuters/Royal Hashemite Court
Iran vs. Israel

Jordaniens entscheidende Rolle

Im Konflikt zwischen dem Iran und Israel, dessen Regeln sich in den letzten zwei Wochen grundlegend geändert haben, spielt Jordanien eine zunehmend wichtige Rolle. Die Stabilität der Herrschaft von König Abdullah II. kommt unter Druck. Dass sich Jordanien an der Abwehr des iranischen Angriffs auf Israel beteiligte, hat einen klaren Grund: vermehrte Destabilisierungsversuche des Iran und der Hamas – etwa durch bis heute andauernde Proteste.

Anders als andere arabische Staaten beteiligte sich Jordanien aktiv an der Abwehr des einzigartigen iranischen Angriffs auf Israel vom Wochenende, der die Regeln des bisherigen Schattenkrieges zwischen den beiden Erzfeinden möglicherweise dauerhaft verändert hat. So wurde etwa der Luftraum für israelische Kampfjets geöffnet, und die eigene Luftabwehr schoss iranische Drohnen, die über jordanischem Luftraum Richtung Israel unterwegs waren, ab. Andere Staaten wie Saudi-Arabien und Bahrain sollen nach Angaben Israels und der USA auch kooperiert haben. Riad etwa dementierte eine Mithilfe am Dienstag allerdings.

Bei der Abwehr des iranischen Angriffs auf Israel ist es den USA gelungen, jene Anti-Iran-Allianz zumindest ansatzweise Realität werden zu lassen, von der Washington und Israel seit Jahren träumen. Denn nicht nur Israel, auch einige sunnitisch-arabische Staaten sehen im Teheraner Regime eine teils existenzielle Gefahr. Für Jordanien ist das derzeit besonders spürbar.

Demonstranten in Amman
Reuters/Jehad Shelbak
Eine Gaza-Solidaritätsdemo in Amman – kurz vor dem iranischen Angriff auf Israel

Proteste als Gefahrenzone

Im Gefolge des Gaza-Krieges gibt es seit Wochen Proteste in der Hauptstadt Amman. Organisiert werden sie unter anderem von der Muslimbruderschaft, aus der sich auch die Terrororganisation Hamas entwickelt hat. Sie finden nicht nur, aber vor allem vor der israelischen Botschaft statt. Mehrmals wurden Anführer der Proteste von der Exekutive des autoritär regierten Landes festgenommen – von einer Niederschlagung der Proteste, die Abdullah offenbar auch als Ventil, Zorn abzulassen, versteht, sah die Regierung aber bisher ab.

Parallel wurde zuletzt – etwa durch einen Artikel der „New York Times“ – bekannt, dass der Iran mit Unterstützung lokaler Milizen und krimineller Banden mittlerweile eine geheime Schmuggelroute durch Jordanien aufgebaut hat. Auf diesem Weg würden Waffen an Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland geliefert. Der „New York Times“ wurde das laut dem Bericht inoffiziell von Vertretern der USA, Israels und des Iran bestätigt.

Die iranischen Vertreter hätten das Anheizen von Unruhen und bewaffneten Aufständen gegen die israelische Besatzung als Ziel genannt. Das ließ vor allem in Israel zuletzt die Sorge steigen, dass der Iran versucht, das Westjordanland zu einer weiteren „heißen“ Konfliktzone – neben dem Gazastreifen und der Grenze zum Libanon – zu machen und Israel damit weiter unter Druck zu setzen.

Schwierige Vergangenheit wirkt fort

Die teils gewaltsamen Proteste und der Waffenschmuggel fordern Abdullah unmittelbar heraus. Jordanien ist für eine Destabilisierung im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts anfälliger als andere arabische Staaten. Der Grund: Mehr als die Hälfte der jordanischen Bevölkerung besteht aus – im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948 und des Sechstagekrieges 1967 geflüchteten bzw. vertriebenen – Palästinenserinnen und Palästinensern und deren Nachfahren.

Viele von ihnen – auch weil sie auf ihrem Flüchtlingsstatus bestehen – haben keine Bürgerrechte. Zugleich versteht sich das Haschemitenreich als unmittelbarer Patron der palästinensischen Interessen, etwa was den Status von Ostjerusalem betrifft. Das sorgt seit jeher für ein Maß an Labilität, das in Krisenzeiten für die autokratische Herrschaft zur Gefahr zu werden droht.

Die Haschemiten, denen Abdullah angehört, regieren seit Ende des Ersten Weltkriegs im heutigen jordanischen Staatsgebiet. Nach mehreren Kriegen mit Israel wurde 1994 – heuer vor 30 Jahren – ein Friedensabkommen geschlossen. Die bilateralen Beziehungen gelten trotz zahlreicher Konfliktthemen – allen voran der Status von Ostjerusalem, außerdem die Zukunft der Palästinenser und die knappen Wasserressourcen – als belastbar.

„Goldene Gelegenheit“

Die renommierte israelische sicherheitspolitische Denkfabrik INSS warnte zuletzt vor den dramatischen Folgen einer politischen Destabilisierung Jordaniens. Das wäre eine „goldene Gelegenheit“ für den Iran und seine Verbündeten, sich innenpolitisch einzumischen und eine weitere Front gegen Israel aufzubauen.

Bereits Anfang April hatten die irakischen Hisbollah-Brigaden, die so wie ihr Pendant im Libanon vom Iran unterstützt werden, bekanntgegeben, man werde „dem islamischen Widerstand in Jordanien“ Waffen inklusive Raketen für bis zu 12.000 Kämpfer liefern. Als erstes Ziel wurde die Unterbrechung der Straßenverbindungen zwischen Jordanien und Israel genannt. Laut INSS werden vom Iran nicht nur Waffen, sondern auch Geld und Kämpfer nach und durch Jordanien geschmuggelt.

Je eigene Interessen, gemeinsamer Feind

Das harte militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen und das andauernde Leid der dortigen Zivilbevölkerung wurde und wird von König Abdullah auch mit Hinblick auf die heikle Lage im eigenen Land immer wieder kritisiert. INSS kommt in seiner Lageeinschätzung zum Schluss, Israel müsse jeden öffentlichen Konflikt mit Amman vermeiden, um den König nicht weiter zu schwächen. Israel müsse zudem jordanischen Initiativen etwa für mehr humanitäre Hilfe für Gaza entgegenkommen. Das gilt umso mehr nach Ammans Hilfe gegen den iranischen Angriff – auch wenn diese vor allem dem Schutz der eigenen Interessen geschuldet war.

Vor allem aber wird Israels Regierung das machen müssen, was von US-Präsident Joe Biden bis hin zu zahlreichen Fachleuten auch in Israel seit Monaten viele fordern: endlich einen Plan vorlegen, wie sie sich die Zeit nach dem Krieg in Gaza vorstellt, und eine mittel- und langfristige Lösung des Konflikts mit den Palästinensern. Sonst wird die Achse mit arabischen Staaten wie Jordanien und Saudi-Arabien bald wieder nur ein unerreichbarer Traum sein.