Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
ORF/Carina Kainz
Spionageaffäre

Rufe nach Aufklärung und neue Details

In der Spionageaffäre um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott sind weitere Rufe nach der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses laut geworden. Einen solchen schlug am Dienstag auch FPÖ-Chef Herbert Kickl vor – für die Zeit nach der Nationalratswahl. Ö1 berichtete unterdessen über neue Details aus dem Ermittlungsakt rund um den ehemaligen freiheitlichen Mandatar Hans-Jörg Jenewein. Der mittlerweile aus der FPÖ ausgetretene Ex-Politiker wies sämtliche Vorwürfe zurück.

Der aktuelle von der ÖVP eingesetzte Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ sei für die Aufklärung der Affäre Ott und Russland-Spionage nicht geeignet, sondern reine „Wahlkampfshow“, schrieb Parteichef Kickl in einer Aussendung.

„Im Interesse tatsächlicher Aufklärung anstatt einer Wahlkampfshow schlage ich daher allen anderen Fraktionen, denen es ernsthaft um die Aufarbeitung der Verbindungen österreichischer Politik mit Russland geht, vor, in Gespräche über einen eigenen umfassenden Ausschuss in dieser Sache einzutreten und eine entsprechende Vereinbarung für die Einsetzung sofort nach Beginn der nächsten Legislaturperiode zu treffen“, so Kickl weiter.

Ausschuss, wenn, erst nach Nationalratswahl

ÖVP-Klubobmann August Wöginger ist für einen „FPÖ-Russland-Ausschuss“. In einer Pressekonferenz mit der grünen Fraktionschefin Sigrid Maurer betonte Wöginger, dass sich der von ihm gewünschte Ausschuss wohl erst in der kommenden Legislaturperiode ausgehen werde. Glücklicherweise laufe aber noch jener zum „rot-blauen Machtmissbrauch“, in dem man sich mit dem Thema bereits auseinandersetzen könne. Derzeit würden ja Tag für Tag neue Erkenntnisse „über uns einbrechen“. Kickl werde daher sicher auch noch einmal geladen.

Aufregung über Hunderte Seiten Akten

Der ehemalige FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein soll sich vertrauliche Dokumente aus dem Innenministerium besorgt haben.

Maurer erinnerte daran, dass ihre Partei schon länger einen Ausschuss zu Russland gefordert habe. Es sei dringend, die Verquickungen aufzuklären. In erster Linie sprach sie dabei die Beziehung zwischen dem vormaligen FPÖ-Abgeordneten Jenewein und dem mutmaßlichen Spion Ott an. Verbindungen führten auch in das Büro des damaligen Innenministers Kickl. Dem werde es daher auch nicht gelingen, wie bei seinem U-Ausschuss-Auftritt auf Dauer auszuweichen.

SPÖ: „System dahinter“

Kritik kam von der SPÖ, die Kickls Forderung nach einem U-Ausschuss zu Russland nach der Wahl „sehr lustig“ nannte. Die Aufklärung müsse sofort beginnen und nicht erst nach der Wahl, sagte die stellvertretende Klubobfrau Julia Herr.

Die SPÖ stehe allen Kontrollinstanzen offen gegenüber, ein U-Ausschuss vor der Wahl werde sich aber nicht ausgehen. Die bekanntgewordenen Chats von Jenewein offenbarten, „dass es nicht um Einzelpersonen geht, sondern dass da ein System dahintersteht“, so Herr.

DSN-Direktor für mehr Überwachung

Omar Haijawi-Pirchner, Direktor für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), bekräftigt seine Forderung nach zusätzlichen Überwachungsmöglichkeiten. Von Messengerdiensten wie WhatsApp und Signal nur die Verbindungsdaten auszulesen – wie es die Regierung jetzt vorschlägt –, genüge nicht. Die Beamten müssten in speziellen Fällen auch die Kommunikation selbst überwachen dürfen.

Neue Details aus Ermittlungsakt

Wie Dokumente zeigen, über die „Standard“ und „profil“ am Montag berichteten, pflegte Jenewein Kontakt mit einer damaligen Mitarbeiterin aus Kickls Kabinett im Innenministerium. Ermittelt wird wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs. So soll sich Jenewein von der Beamtin Dokumente, die als vertraulich bzw. geheim klassifiziert waren, ohne Wasserzeichen haben schicken lassen, um sie an Medien weitergeben zu können. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Auch die Chats von Michael Kloibmüller, ehemals Kabinettschefs unter Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), soll Jenewein im Wahlkampffinale 2019 auf diesem Weg erhalten und später mit einer „Familiengruppe“ mit seiner Schwester, der FPÖ-Politikerin Dagmar Belakowitsch, und weiteren Personen geteilt haben, wie am Dienstag das Ö1-Morgenjournal berichtete.

Die Staatsanwaltschaft Wien geht davon aus, dass Jenewein Zugang zur gesamten Mobiltelefonextraktion Kloibmüllers hatte – „das Dokument weist einen Umfang von 4.245 Seiten auf“, heißt es dazu im Akt. Ebenfalls im Wahlkampffinale schrieb Jenewein an Kickl, er habe eine „Interventions-SMS“, die an Kloibmüller gegangen sei. „Schwarzes Netzwerk im Innenministerium: Wenn Dich das interessiert, bin erreichbar.“

Stocker ortet „Netzwerk“ von Kickl-Vertrauten

Bei seiner Befragung vergangene Woche im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ hatte Kickl gesagt, es sei „schlicht und ergreifend falsch zu behaupten, der Jenewein sei meine rechte Hand gewesen“. Ob diese Aussage mit der Wahrheitspflicht im U-Ausschuss „in Einklang zu bringen ist, wird zu sehen sein“, kommentierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker am Dienstag die Aussage Kickls.

Mit Jenewein, Belakowitsch und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ortete Stocker ein „Netzwerk“ enger Kickl-Vertrauter, das in die Affäre verwickelt sei. Dass Kabinettsmitarbeiter des damaligen Innenministers ihren Chef nicht über derartige Vorgänge informieren würden, „wäre sehr ungewöhnlich“, so Stocker, der die FPÖ erneut als Sicherheitsrisiko bezeichnete.

Jenewein weist Vorwürfe zurück

Jenewein selbst wies alle Vorwürfe zurück. Seine Beziehung zu Ott sei ein „loser Kontakt“ und keine nähere Bekanntschaft gewesen. Zu keinem Zeitpunkt sei ihm bewusst gewesen, dass es sich bei Ott oder Personen aus dessen Umfeld um Personen mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst handeln könnte, erklärten Jeneweins Anwälte.

Zu keiner Zeit habe es Geldflüsse oder sonstige Zuwendungen an Ott, den Jenewein im Sommer 2018 kennengelernt habe, oder diesem nahestehende Personen gegeben, hieß es. Auch für Daten aus dem Handy Kloibmüllers sei kein Geld geflossen – sie seien Jenewein anonym auf einem USB-Stick zugesandt worden.

Ein Jobangebot bei Wirecard dementierte Jenewein nicht, zum Zeitpunkt des Vorschlags Otts im Herbst 2019 sei über Wirecard jedoch nur bekannt gewesen, „dass es sich um einen ‚Finanzdienstleister‘ handeln würde“, so die Anwälte. Jenewein sei außerdem nie für den Konzern tätig gewesen. In Bezug auf die Unterlagen, die Jenewein aus Kickls Kabinett erhalten haben soll, erklärten die Anwälte, dass ihrem Mandanten, der damals FPÖ-Fraktionsvorsitzender im BVT-Untersuchungsausschuss war, die Dokumente ohnehin aufgrund seiner Tätigkeit vorgelegen seien.

Spionageabwehr: NEOS kündigt Anträge an

NEOS kündigte indes für die Nationalratssitzung am Mittwoch Anträge auf Bekämpfung russischer Spionage in Österreich an. So sollen die Regierungsparteien dazu gedrängt werden, die von ihnen angekündigte Verschärfung des Spionageparagrafen im Strafgesetzbuch umzusetzen sowie die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) rasch mit genügend Mitteln und Personal auszustatten. Außerdem soll die Zahl russischer Diplomaten in Österreich reduziert werden.