Eine Frau trägt in der malawischen Hauptstadt Lilongwe ein Kind
APA/AFP/Aris Messinis
Weltbevölkerungsbericht

UNO sieht Rückschritt bei Frauenrechten

Zugang zu Verhütung, Schutz vor sexueller Gewalt, sichere Abtreibungen – Rechte von Frauen werden nach Einschätzung der Vereinten Nationen weltweit zunehmend eingeschränkt. Das geht aus einem Bericht hervor, der am Mittwoch vom UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA) in New York veröffentlicht wurde. Konkret heißt es darin: „Nach jahrzehntelangen Fortschritten gab es in letzter Zeit einen Rückschritt bei sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten.“

Generell leben laut dem neuen UNO-Bericht Menschen heutzutage länger und gesünder als jemals zuvor – doch das gilt nicht für alle: Millionen von Menschen bleiben hinter dem Fortschritt zurück, „gefangen“ in vielfältigen Formen von Marginalisierung und Diskriminierung. Das gelte vor allem für Frauen.

Rechte von „Frauen, Mädchen und geschlechtsdiversen Menschen werden immer stärker zurückgedrängt“, sagte UNFPA-Chefin Natalia Kanem. Auch sexuelle Gewalt sei in nahezu jedem Land der Welt ein Problem: Eine von vier Frauen habe etwa nicht die Möglichkeit, Nein zu ungewolltem Sex zu sagen. Jede zehnte Frau könne keine eigenen Entscheidungen über Empfängnisverhütung treffen.

Frauen in Bolivien
ORF/Tamara Sill
Welche Rechte Frauen haben, hängt immer noch stark davon ab, wo sie geboren wurden

Große geografische Unterschiede bei Müttersterblichkeit

Ein weiterer Indikator für Frauenrechte ist die Müttersterblichkeit. Zwar sei diese seit 2000 um rund ein Drittel zurückgegangen, weltweit sterben laut Bericht aber noch immer etwa 800 Frauen pro Tag während einer Geburt – vor allem in Entwicklungsländern. Fast jeder dieser Todesfälle sei vermeidbar.

So wird der Arzt Mahmoud Fathalla, ehemaliger Direktor des UNO-Sonderprogramms für Reproduktion, zitiert. „Die Mütter sterben nicht aufgrund von Krankheiten, die wir nicht behandeln können. Sie sterben, weil die Gesellschaften noch nicht die Entscheidung getroffen haben, dass ihr Leben es wert ist, gerettet zu werden.“ Zum Vergleich: Eine Frau in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat ein 130-mal höheres Risiko, bei Geburtskomplikationen zu sterben, als eine Frau in Europa oder Nordamerika.

Vor allem finanziell schlecht gestellte Frauen und Mädchen sowie jene, die einer Minderheit angehören oder in Konfliktzonen leben, haben dem Bericht zufolge ein höheres Todesrisiko, weil sie eben nicht schnell genug Zugang zu Gesundheitsversorgung bekommen. Die Hälfte der Todesfälle im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt oder Komplikationen danach entfalle auf Länder mit humanitären Krisen oder Konflikten, besagt der Bericht.

Frauenkörper als „politisches Schlachtfeld“

Ein weiterer wichtiger Faktor bei Müttersterblichkeit seien unsichere Abtreibungen, ein Thema, das mittlerweile sogar wieder Länder des Globalen Nordens betrifft – nicht zuletzt auch die USA. Gerade bei Fragen zu Fruchtbarkeitsbehandlungen und Schwangerschaftsabbrüchen würden Frauenkörper in der Politik oft als „Schlachtfeld“ genutzt.

„Das Leben und die Gesundheit von Frauen und Mädchen sollten nicht politischem Druck ausgesetzt sein“, betonte Kanem. Sie kritisierte zudem, dass politische Entscheidungsgremien zu sehr von Männern dominiert seien – Frauen hätten zu wenig Mitspracherecht.

Die UNFPA-Chefin verwies auf die richtungsgebende Weltbevölkerungskonferenz von 1994 in Kairo, die „Jahrzehnte des Fortschritts“ eingeleitet habe. Seitdem ging die Zahl der ungewollten Schwangerschaften laut UNFPA-Bericht um 20 Prozent zurück. Die Zahl der Frauen, die verhüten, habe sich verdoppelt. Zudem hätten mindestens 162 Länder Gesetze gegen häusliche Gewalt verabschiedet.

Feministische Kunstausstellung in Buenos Aires
ORF.at/Tamara Sill
„Abtreibung ja, Abtreibung nein, das entscheide ich allein“, steht auf einem Plakat in Buenos Aires

Diskriminierung verhindert Fortschritt

Dennoch: Rassismus, Sexismus und andere Formen von Diskriminierung verhinderten größere Fortschritte für Frauen und Mädchen im Bereich Sexualität und Fortpflanzung, also das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit, heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte aller Frauen weltweit werden laut UNFPA daran gehindert, eigenständig über ihre Sexualität und ihre Fortpflanzung zu bestimmen.

UNFPA verlangt Programme zur Verbesserung der Situation, die sich spezifisch an die benachteiligten Frauen richten. Investitionen von 79 Milliarden Dollar (rund 74 Mrd. Euro) in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen könnten bis 2030 rund 400 Millionen ungeplante Schwangerschaften verhindern und eine Million Leben retten.

Zwei junge Frauen mit Schildern mit der Aufschrift „Bans off our Bodies“
AP/JT/STAR MAX/IPx
Frauen protestieren für ihr Recht auf Abtreibung

Gesellschaft profitiert von Geschlechtergerechtigkeit

Auch um die Ziele des Abkommens von Kairo zu erreichen, „müssen wir die Ungleichheiten in unseren politischen wie gesundheitlichen Systemen beseitigen“, heißt es im Bericht. Denn diese Ungleichheiten würden strukturelle Barrieren schaffen – und das in fast jedem Aspekt des Lebens einer Frau: vom Arbeitsmarkt über Bildung bis zur politischen Teilhabe. „Jetzt ist der Moment gekommen, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um diese Hindernisse zu beseitigen.“

Dafür bedarf es etwa auch eines „vielfältigen Querschnitts“ unterschiedlicher sozialer Gruppen: „Feministinnen über Indigene bis hin zu Klima- und Jugendaktivisten weisen bereits den Weg in eine gerechtere, gemeinsame Zukunft.“ Denn klar sei: Geschlechtergerechtigkeit komme der gesamten Gesellschaft zugute.