Das Kapitol in Washington
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Ukraine-Hilfen

Votum als Balanceakt für US-Republikaner

Lange sind Verhandlungen zu einem Gesetz über Auslandshilfe in den USA festgefahren gewesen – nun soll das Repräsentantenhaus am Samstag endlich über separate Hilfspakete zur Freigabe von Geldern für die Ukraine, Israel und Taiwan abstimmen. Innerhalb der Republikaner gilt das Votum als heikler Balanceakt, spricht sich doch vor allem der ultrarechte Rand strikt dagegen aus. Druck kommt indes auch von außen: Seitens der Ukraine warnte man vor der Abstimmung vor einem Dritten Weltkrieg.

Für die Ukraine geht es bei den Hilfsgeldern um rund 60 Milliarden US-Dollar (57 Mrd. Euro), die dringend benötigt werden. Der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal forderte den US-Kongress nachdrücklich dazu auf, dem lange blockierten Gesetz zuzustimmen. Man hätte die Gelder „schon gestern“ gebraucht, sagte er gegenüber der BBC.

Und weiter: „Wenn wir uns nicht schützen, wird die Ukraine fallen.“ So werde das globale Sicherheitssystem zerstört werden und die ganze Welt werde ein neues Sicherheitssystem finden müssen. „Oder es wird viele Konflikte geben, viele Kriege dieser Art, und am Ende des Tages könnte es zum Dritten Weltkrieg führen.“

Rettungskräfte und Soldaten vor einem zerstörten Wohnhaus in Tschernihiw
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Der Ukraine fehlen Mittel, um sich ausreichend zu verteidigen

USA als wichtigste Verbündete

Tatsächlich gelten die USA als wichtigste Verbündete der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn stellte die US-Regierung militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro für Kiew bereit. Die vom Kongress für die Ukraine genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aber aufgebraucht. Der zeitweilige Ausfall schwächte die Verteidigung der Ukraine, weil dem Land Waffen und Munition fehlen.

Der Vorsitzende der Kongresskammer, Mike Johnson, sträubte sich bis diese Woche angesichts des Widerstandes in seiner eigenen Partei jedoch, eine neue Abstimmung überhaupt anzuberaumen – angetrieben nicht zuletzt von Ex-Präsident Donald Trump, der Ende der Woche Europa aufforderte, die Ukraine stärker zu unterstützen.

Rebellion rechter Republikaner

Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene etwa reichte bereits einen Antrag für ein Misstrauensvotum gegen Johnson ein. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Gesetzesentwurfs forderte sie Johnson zudem zum Rücktritt auf. Der Sprecher habe die republikanische Partei „ins Chaos gestürzt, indem er sich den Demokraten angedient und Bidens Agenda übernommen“ habe. „Jetzt wird er Kriege im Ausland finanzieren“, erklärte Greene, die Trump nahesteht.

Auch ein weiterer republikanischer Abgeordneter, Bob Good, rief zur Ablehnung des Votums auf: „Jeder wahre konservative America-First-Patriot im Repräsentantenhaus sollte gegen die Regel für dieses geliehene Auslandshilfegesetz ohne Grenzsicherheit stimmen!“

Marjorie Taylor Greene
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Greene beantragte bereits ein Misstrauensvotum gegen Johnson

USA: Wichtige Botschaft an die Welt

Johnson wies die Anschuldigungen und einen möglichen Misstrauensantrag als „absurd“ zurück, einen Rücktritt schloss er aus. Doch bei einer Reihe von Gesetzesvorhaben, allen voran bei der Ukraine-Hilfe, muss es ihm nun eben gelingen, die parteiinternen Gräben zwischen gemäßigten Republikanern und den Hardlinern zu überwinden.

So will er den Republikanern entgegenkommen, indem er das Hilfspaket etwa aufspaltete, um separate Abstimmungen für die Ukraine, Israel und den indopazifischen Raum zu ermöglichen. Ein Teil der Hilfen für die Ukraine ist zudem als Darlehen vorgesehen.

Johnson sprach von einer „sehr wichtigen Botschaft“, die man diese Woche an die Welt senden werde. Außerdem würde er lieber Kugeln als Soldaten in die Ukraine schicken. Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus nur eine knappe Mehrheit. Wegen des Widerstands des Rechtsaußen-Flügels werden die Ukraine-Hilfen daher nur durchkommen, wenn die hinter Johnson stehenden Republikaner zusammen mit Vertretern der Demokraten für die Vorlage stimmen, wie etwa auch die „New York Times“ schreibt. Ohnehin waren es laut „NYT“ auch die Demokraten, die mit einer Abstimmung von Donnerstagabend jene von Samstag erst ermöglichten – stimmten sie doch geeint für die Verabschiedung des Votums.

Der Vorsitzende der Kongresskammer, Mike Johnson
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Johnson ist seit Herbst im Amt – und mit starken Widerständen aus der eigenen Partei konfrontiert

Hilfen in Höhe von 95 Milliarden Dollar

Die vom Ausschuss veröffentlichten Vorlagen sehen 60,84 Milliarden Dollar für die Ukraine, knapp 26,3 Milliarden zur Unterstützung Israels und 8,1 Milliarden für den indopazifischen Raum vor. Zudem hieß es, US-Präsident Joe Biden solle der Ukraine „so bald wie machbar“ weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit Langem darauf.

Der Senat verabschiedete im Februar eine eigene Vorlage im Gesamtumfang von 95 Milliarden Dollar (89,31 Mrd. Euro), die die Hilfsgelder für die Ukraine, Israel und Taiwan umfasst. Sollte das Repräsentantenhaus nun drei getrennte Gesetze verabschieden, müssten die beiden Versionen in Einklang gebracht werden.

Sitzung des  im US-Kongress
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Das Repräsentantenhaus stimmt am Samstag über Gesetzesentwürfe zur Freigabe von Hilfsgeldern ab – der Ausgang ist ungewiss

Für Biden „entscheidender Moment“

US-Präsident Joe Biden forderte indes in einem Kommentar für das „Wall Street Journal“ („WSJ“) den US-Kongress auf, das seit Monaten blockierte Hilfspaket zu verabschieden. „Beide Länder sind zwar in der Lage, ihre Souveränität zu verteidigen, aber sie sind dabei auf amerikanische Unterstützung, einschließlich Waffen, angewiesen. Und das ist ein entscheidender Moment“, schrieb Biden. Schließlich sei jetzt nicht der Zeitpunkt, „Freunde im Stich zu lassen“.

Laut Darstellung des Kreml werden mögliche neue US-Waffenlieferungen an die Ukraine die militärische Lage aber nicht verändern. Ein Großteil des Geldes fließe in die US-Rüstungsindustrie, „denn die Amerikaner vergessen sich nicht“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow.

Berichte: Ukraine auf Hilfe angewiesen

Nach den Erfahrungen aus mehr als zwei Jahren des russischen Angriffskrieges haben neue Waffen aus den USA und anderen westlichen Ländern durchaus die Lage zugunsten der Ukraine verändert. CIA-Direktor William Burns warnte am Donnerstag eindringlich, dass die Ukraine ohne neue US-Militärhilfen noch in diesem Jahr den Krieg gegen den Aggressor Russland verlieren könnte.

Auch in einem aktuellen Bericht des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) heißt es: „Die Ukraine kann die gegenwärtigen Linien ohne die rasche Wiederaufnahme der amerikanischen Hilfe nicht halten.“ Die Gefahr eines russischen Angriffs auf die NATO in naher Zukunft würde drastisch steigen, wenn die USA es nun zulassen würden, dass Russland die Ukraine jetzt besiegt. „Diese langfristigen Risiken und Kosten überwiegen bei Weitem den kurzfristigen Preis der Wiederaufnahme der Unterstützung für die Ukraine.“