Arbeiter in einer Aluminiumfabrik in Huaibei, China
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„Schummelei“

Neuer Streit über Chinas Exportflut

Chinas Wirtschaftswachstum schwächelt: Vor allem der Immobiliensektor ist hoch verschuldet, mehrere Großkonzerne stecken in der Krise und es droht ein Überspringen der Probleme auf weitere Wirtschaftszweige. Das stiftet Verunsicherung, wodurch weniger gekauft wird. Zur Stützung des Wachstums bedient sich Peking deshalb der Allzweckwaffe Export – und das massenhaft. Das besorgt den Westen, die USA orten nun „Schummelei“ und kündigen Maßnahmen an.

In China bestehen Überkapazitäten bei der Industrieproduktion, die unterstützt durch staatliche Subventionen billige Güter auf den internationalen Markt bringt – zum Ärger der Handelspartner. Das Exportpotenzial ist enorm: „Chinas Produktionskapazitäten reichen aus, um die ganze Welt 2,5-mal mit Solarpanelen zu beliefern“, sagte unlängst Jörg Wuttke, langjähriger Präsident der Europäischen Handelskammer in China, gegenüber dem „Handelsblatt“.

Auch im Autosektor, bei Stahl, Aluminium und Windturbinen gibt es große Überkapazitäten. Der massenhafte Export in diesem Bereich bringt nun die US-Regierung auf die Barrikaden. Präsident Joe Biden will deshalb die US-Zölle für bestimmte Stahl- und Aluminiumimporte verdreifachen und warf Peking zuletzt vor, überschüssigen Stahl zu Dumpingpreisen anzubieten. China pumpe staatliche Gelder in Stahlfirmen und dränge sie dazu, so viel wie möglich zu produzieren.

„Sie konkurrieren nicht. Sie schummeln“

Bidens Ansagen waren an Gewerkschaftsmitglieder und Stahlarbeiter in Pittsburgh (Pennsylvania) gerichtet – im Wahlkampf gegen die republikanische Konkurrenz unter Donald Trump läuft ein Ringen um wichtige Stimmen. Biden sprach von „ungerechtfertigt niedrigen Preisen“, weil sich die chinesischen Stahlfirmen keine Sorgen um ihre Gewinne machen müssten. „Sie konkurrieren nicht. Sie schummeln. Und wir haben den Schaden hier gesehen“, so Biden.

Arbeiter in einer Stahlfabrik in Zhejiang, China
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Arbeiter in einer Stahlfabrik in Zhejiang im Osten der Volksrepublik

Peking will seine „legitimen Rechte schützen“

Bidens Drohung mit Zöllen blieb nicht unkommentiert: Ein Sprecher des chinesischen Außenamts sagte am Donnerstag, China habe die USA seinerseits immer wieder aufgefordert, „die Grundregeln des fairen Wettbewerbs zu respektieren, sich an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu halten und ihre protektionistischen Maßnahmen gegenüber China einzustellen“. Man werde alle nötigen Mittel ergreifen, um die legitimen Rechte zu schützen, fuhr er fort.

Biden hatte sich mit seiner Forderung nach höheren Zöllen nach Angaben des Weißen Hauses an die zuständige US-Handelsbeauftragte Katherine Tai gewandt. Sie will als Reaktion auf eine Petition von fünf US-Gewerkschaften die chinesischen Handelspraktiken im Schiffsbau-, Schifffahrts- und Logistiksektor untersuchen lassen. Derzeit liegen die Zölle seit Trumps Präsidentschaft im Schnitt bei 7,5 Prozent – Biden hatte diese nach seiner Übernahme in Kraft gelassen.

Luftaufnahme von Stahlrollen in einem Stahllager in Shenyang, China
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Die USA erwägen, die Zölle für bestimmte Stahl- und Aluminiumimporte zu verdreifachen. Die EU untersucht mögliche Wettbewerbsverzerrung.

Streit bei enger Verflechtung

Washington und Peking sind seit Jahren in einen Handelskonflikt verstrickt, wenngleich sie aber wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind. Die USA verhängten Wirtschaftssanktionen und Exportbeschränkungen, um Peking den Zugang zu US-Technologien zu erschweren. Eingeführt wurden auch Beschränkungen für US-Investitionen in China. Außerdem wurden in großem Stil Investitionen in den USA angestoßen, um US-Lieferketten unabhängiger zu machen – vor allem von China.

Das blieb nicht ohne Folgen, so geht China bei der WTO gegen die staatlichen Beihilfen für die US-Industrie vor. Dazu leitete die Volksrepublik ein Streitbeilegungsverfahren gegen die USA ein. Es richte sich gegen „diskriminierende Subventionen“ im Rahmen des „Inflation Reduction Act“ genannten Subventionsprogramms. Dieses führe zum Ausschluss von Waren aus China und anderen WTO-Ländern, so der Vorwurf.

EU untersucht mögliche Wettbewerbsverzerrung

Und Europa? Unternehmen klagen über hohe Energiepreise und die Billigkonkurrenz aus China, die etwa in der Solar- und Windindustrie europäische Firmen vom Markt verdrängt. Im Fall mehrerer chinesischer Unternehmen laufen in Brüssel Untersuchungen wegen mutmaßlich wettbewerbsverzerrender staatlicher Subventionen. Die EU-Kommission wirft Peking vor, den Wettbewerb auf dem EU-Markt zu beeinflussen – zum Nachteil europäischer Unternehmen.

Peking erhebt Vorwurf der Diskriminierung

China warf der EU-Kommission zuletzt Diskriminierung vor: Die Staaten außerhalb der EU seien besorgt wegen der zunehmenden Tendenz der EU zu Protektionismus gegen chinesische Firmen und ganze Branchen. Die EU solle die Regeln der Welthandelsorganisation einhalten, hieß es. Überhaupt sieht Peking die Umstände ganz anders gelagert. Chinas Exporte von E-Autos, Batterien und Photovoltaik hätten etwa das weltweite Angebot bereichert und einen Beitrag zur globalen Reaktion auf den Klimawandel geleistet, so der Tenor.

Erst zuletzt warnte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping den deutschen Kanzler Olaf Scholz bei dessen Besuch in der Volksrepublik vor wirtschaftlichen Schutzmaßnahmen. Die deutsche China-Strategie sieht eine Reduktion der Abhängigkeit in kritischen Wirtschaftsbereichen vor. Im Falle der Bedenken französischer Unternehmen hinsichtlich des Marktzugangs versprach Peking zuletzt Bewegung: Man wolle mehr hochwertige Produkte und Dienstleistungen aus dem EU-Land importieren.