Ilaria Salis vor Gericht
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EU-Wahl

In Budapest inhaftierte Italienerin kandidiert

In Ungarn steht seit Monaten die Mailänderin Ilaria Salis vor Gericht. Der Linksaktivistin wird ein gewalttätiger Angriff auf Neonazis in Budapest vorgeworfen. Salis’ Behandlung in Ungarn und die Reaktionen aus Italien hatten bereits für Misstöne zwischen den beiden Ländern gesorgt. Nun tritt Salis für eine links-grüne Partei zur EU-Wahl an. Italiens postfaschistische Regierungspartei muss sich für die Linksaktivistin einsetzen.

Die Volksschullehrerin Salis steht seit Jänner in Budapest vor Gericht. Ihr wird zur Last gelegt, mit anderen Beteiligten aus der linken Szene im Februar vergangenen Jahres eine Gruppe von Rechtsextremen gewaltsam angegriffen zu haben, die einer Aktion der Waffen-SS und ungarischer Soldaten im Jahr 1945 gedenken wollten. Dabei wurden nach Angaben der Behörden neun Menschen verletzt, sechs darunter schwer.

Salis’ erster Auftritt vor Gericht hatte für großes Aufsehen international, besonders aber in Italien gesorgt. Sie wurde damals mit Hand- und Fußfesseln im Gerichtssaal vorgeführt. Ihr Vater hatte mehrmals über angeblich unmenschliche Bedingungen berichtet, in denen seine Tochter in einem Gefängnis in Budapest festgehalten werde. Die Familie drängt darauf, dass Salis in Hausarrest überstellt wird.

Ilaria Salis vor Gericht
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Salis vor Gericht in Hand- und Fußfesseln: Die Bilder sorgten in Italien für Empörung

Der 39-Jährigen, die sich selbst als Antifaschistin bezeichnet, drohen bis zu elf Jahre Haft. Gemeinsam mit Salis war ein deutsches Ehepaar angeklagt, der gewalttätigen Gruppierung „Hammerbande“ anzugehören. Der Mann hatte sich schuldig bekannt und wurde bereits in erster Instanz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die mitangeklagte Deutsche und Salis bekannten sich nicht schuldig.

Nun aber will Salis ins Europaparlament: Sie wird für die Linkspartei Alleanza Verdi Sinistra (AVS) in einem norditalienischen Wahlkreis kandidieren, wie Parteichef Angelo Bonelli in einer Presseaussendung bestätigte.

Salis als „Märtyrerin“

Die Kandidatur dürfte die Spannungen zwischen Budapest und Rom kaum entschärfen. Die einander ideologisch nahestehenden Regierungsparteien der beiden Länder, die Postfaschisten von Giorgia Meloni und die rechtsnationale FIDESZ von Viktor Orban, kamen durch Salis’ Inhaftierung über Kreuz. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hatte sich etwa auf Facebook beschwert, dass Salis in Italien als „Märtyrerin“ dargestellt werde.

„Ich bin schockiert über die italienischen Reaktionen. Diese Frau wird in Italien als eine Art Opfer, als Märtyrerin dargestellt. In Ungarn wurden Menschen auf der Straße fast zu Tode geprügelt, und jetzt wird diese Frau als Märtyrerin oder als Opfer eines unfairen Prozesses dargestellt. Niemand, keine linksextreme Gruppe, sollte Ungarn als eine Art Boxring betrachten, wo man jemanden zu Tode prügeln kann“, so Szijjarto.

In einem Video, das der Minister postete, waren Szenen von Demonstrantinnen und Demonstranten mit vermummten Gesichtern zu sehen, die auf der Straße Menschen mit Knüppeln schlagen und dann von der ungarischen Polizei festgenommen werden.

Fackelzug und Appelle

In Mailand wurde im Februar auch ein Fackelzug für Salis abgehalten. Rund 100 Demonstrierende skandierten dabei vor der Universität Slogans für die Freilassung. Unter den Teilnehmern befand sich auch der Vater der Inhaftierten, Roberto Salis. Er äußerte die Hoffnung, dass Italiens Regierung Druck auf Ungarn für die Freilassung seiner Tochter ausüben werde.

Fackelzug in Mailand für die Freilassung der Aktivistin Ilaria Salis
IMAGO/ipa-ag/Alessandro Bremec
In Mailand wurde für Salis ein Fackelzug abgehalten

Rom hat sich auch tatsächlich in Ungarn eingeschaltet, damit Salis unter Hausarrest gestellt wird. Um die ungarische Regierung nicht zu verärgern, versuchte man gleichzeitig zu beruhigen. Salis’ Kandidatur ändere nichts an der Arbeit der Regierung, die sich für die Heimkehr von Salis bemühe. „Eine Politisierung der Angelegenheit hilft nicht“, so Meloni dazu.

Rom kalmiert

„Es gibt keine Einmischung von italienischer Seite im Fall Salis. Wir haben uns um das gekümmert, worum wir uns kümmern müssen, nämlich um den Schutz der Rechte der Inhaftierten. Wir tun das für Frau Salis wie für alle italienischen Inhaftierten in der Welt“, sagte Außenminister Antonio Tajani. „Die EU-Regeln bezüglich der Inhaftierung müssen innerhalb der Europäischen Union respektiert werden. Die italienische Regierung steht in ständigem Kontakt mit der Familie“, sagte Tajani.

Salis bemüht sich derzeit um die Erlaubnis der ungarischen Behörden, eine Unterkunft zu erhalten. Das wäre Voraussetzung für den Hausarrest. Danach will sie die Auslieferung nach Italien beantragen, wie der italienische Abgeordnete Paolo Ciani, der Salis vor Kurzem im Budapester Gefängnis besucht hatte, sagte. Es bestehe keine Fluchtgefahr, denn sie habe in Italien Familie und eine Arbeitsstelle, argumentiere die Lehrerin. Die nächste Gerichtsverhandlung ist für den 24. Mai angesetzt.