Luftaufnahme von Isfahan, Iran
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Analysten

Israels „Botschaft“ an den Iran

Die mutmaßliche Vergeltungsaktion des israelischen Militärs im Iran hat Befürchtungen genährt, die Lage in Nahost könnte weiter eskalieren. Beide Seiten zeigten sich zunächst schweigsam. Am Samstag spielte Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian den mutmaßlichen Angriff dann herunter, die Drohnen seien „mehr wie Spielzeuge, mit denen unsere Kids spielen“, gewesen. Israelische und US-Analysten hatten zuvor von einem Signal und einer „Botschaft“ Israels an den Iran gesprochen. Die G-7 rief dazu auf, „eine Eskalation zu vermeiden“.

Medien hatten Freitagfrüh von israelischen Angriffen auf dem Staatsgebiet des Iran berichtet. Die Aktion wurde als Vergeltungsschlag nach dem großangelegten iranischen Luftangriff auf Israel vergangenes Wochenende gewertet.

Laut der israelischen Zeitung „Jerusalem Post“ galt der Angriff einer Luftstreitkräftebasis im zentraliranischen Isfahan, unweit iranischer Atomanlagen. Diese wurden nach Angaben der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) aber nicht getroffen.

Iranischer Außenminister: „Weder Schäden noch Opfer“

Am Samstag brach Außenminister Amir-Abdollahian das Schweigen des Iran. „Durch die bei Isfahan abgeschossenen kleinen Drohnen gab es weder Schäden noch Opfer“, wurde er von iranischen Medien zitiert. Nach Darstellung des Außenministers ist der Vorfall mehr ein Versuch proisraelischer Medien, Israel militärisch dominant darzustellen.

Darauf reagieren wolle man nicht. „Krieg und militärische Spannungen nützen keiner Partei in der Region, und daher müssen grundlegende Lösungen gefunden werden“, sagte Amir-Abdollahian. Auf einen umfassenden israelischen Angriff werde der Iran jedoch weiterhin „vehement und konsequent“ reagieren.

Kein Kommentar aus Israel

Der US-Sender ABC News berichtete unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten US-Vertreter, israelische Kampfjets, die sich außerhalb des iranischen Luftraums befanden, hätten drei Raketen auf eine Radaranlage abgeschossen, die Teil des Verteidigungssystems der Atomanlage von Natans nordwestlich von Isfahan gewesen sei. Sie sei vermutlich zerstört worden.

Israel äußerte sich bisher nicht. US-Außenminister Antony Blinken sagte auf einem Treffen der G-7-Außenministerinnen und -minister auf Capri, er werde darauf nicht „nicht näher eingehen – außer zu sagen, dass die Vereinigten Staaten an keinen Offensivoperationen beteiligt waren“.

Botschaft: Israel kann Iran angreifen

Reuters berichtete unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Vertreter des iranischen Regimes, Teheran hege keine Absichten, zurückzuschlagen. Ein hochrangiger israelischer Regierungsbeamter sagte der „Washington Post“, der Angriff „war dafür gedacht, dem Iran zu zeigen, dass Israel sein Territorium angreifen kann“.

Israelische und US-Analysten äußerten sich ähnlich. Der israelische Geheimdienstexperte und frühere Mossad-Direktor Efraim Halevi sprach gegenüber dem US-Sender CBS News von einer „angemessenen Reaktion“. Sie stehe „in keinem Verhältnis zu dem Angriff, mit dem wir uns vor ein paar Tagen auseinandersetzen mussten, aber sie reicht aus, um der Führung im Iran eine Botschaft zu senden“, so Halevi.

Der CNN-Militärexperte Mark MacCarley sagte: „Die Israelis mussten Vergeltung üben, aber diese Vergeltung enthielt auch eine Botschaft, nämlich: Ja, wir können es schaffen. Macht das nicht noch einmal. Wenn ihr es noch einmal tut, dann wird Chaos ausbrechen.“

Nach Einschätzung des US-Militärexperten Cedric Leighton hat Israel mit dem Vorgehen, das „ganz klar eine direkte Reaktion auf die iranischen Angriffe vom Wochenende“ gewesen sei, bewiesen, dass das iranische Luftabwehrsystem nicht annähernd die Fähigkeiten des israelischen Luftabwehrsystems habe.

Großangriff auf Israel

Der Iran hatte am Wochenende erstmals mit mehr als 300 Raketen und Drohnen Israel direkt angegriffen. Der Angriff war mit Hilfe internationaler Verbündeter weitgehend abgewehrt worden.

Hintergrund der iranischen Raketen- und Drohnenangriffe war ein mutmaßlich von Israel geführter Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus, bei dem Anfang April zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden.

Teheran kündigte daraufhin Vergeltung an. In den vergangenen Tagen drohte die Militärführung des Iran mit einer entschiedenen Antwort, sollte Israel den Iran angreifen. Noch nie standen die verfeindeten Länder so nah an einem Krieg.

Internationale Besorgnis

Nach Angaben von Italiens Außenminister Antonio Tajani dominierten die jüngsten Ereignisse in Nahost auch das aktuelle G-7-Treffen. Die USA hätten Tajanis Angaben zufolge dort bestätigt, dass sie von Israel in letzter Minute Informationen über einen Drohnenangriff im Iran erhalten hätten.

„Wir fühlen uns der Sicherheit Israels verpflichtet“, sagte US-Außenminister Blinken. Man sei zudem bestrebt, die Situation zu deeskalieren. Auch Deutschlands Kanzler Olaf Scholz warnte vor einer Ausweitung des Konflikts. „Alle müssen jetzt und in der nächsten Zeit dafür sorgen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation des Krieges kommt“, sagte er.

„Es ist absolut notwendig, dass die Region stabil bleibt und dass alle Seiten von weiteren Aktionen absehen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Es muss allen klar sein: Die Situation ist brandgefährlich. Jede weitere Eskalation könnte eine Kettenreaktion auslösen, die dann niemand mehr unter Kontrolle bringen könnte“, warnte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Der Kreml forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Das ägyptische Außenministerium zeigte sich „zutiefst besorgt“.