Menschen auf einer Einkaufsstraße
ORF/Viviane Koth
Asyl

AMS-Chef mit Vorstoß zu Mindestsicherung

In der Debatte über den Familiennachzug im Asylbereich schlägt der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, gegenüber „profil“ (Onlineausgabe) eine Art „Sozialhilfe-Auflage“ vor. Demzufolge könnten die Länder vereinbaren, dass nur jenes Bundesland, in dem während des Asylverfahrens der Wohnsitz lag, für die Mindestsicherung an Flüchtlinge zuständig ist. Das könnte vor allem Wien entlasten.

Würden Flüchtlinge dann beispielsweise von Tirol nach Wien ziehen, gäbe es dort kein Sozialgeld mehr. Die Betroffenen könnten keinen neuen Antrag stellen. Zu regeln wäre das laut Kopf über eine 15a-Vereinbarung zwischen den Bundesländern. Lebt die gesamte Familie von Mindestsicherung, wären die Einbußen bei einem Umzug nach Wien noch höher. Umgekehrt könnte eine solche „Sozialhilfe-Auflage“ die Menschen eher in Regionen halten, wo es mehr Arbeit gibt und sie rascher aus der Mindestsicherung herauskommen.

NEOS fordert eine Wohnsitzauflage bzw. Residenzpflicht seit 2016. Sie soll anerkannte Flüchtlinge über einen Zeitraum von drei Jahren im ersten Bundesland halten, in dem sie Asyl bekamen. Dafür ist auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Die ÖVP ließ sich bisher nicht auf Debatten ein und sieht die Bundeshauptstadt alleine für den starken Familiennachzug verantwortlich. Die im Bundesländervergleich teils deutlich höheren Sozialleistungen würden Geflüchtete verstärkt in die Hauptstadt ziehen.

AMS-Vorstand Johannes Kopf
APA/Eva Manhart
AMS-Chef Johannes Kopf

Familiennachzug: Herausforderung für Wiener Schulen

Wien vermeldete zuletzt hohe Zahlen an Familiennachzügen. Das führt vor allem im Schulbereich aufgrund nötiger Plätze zu Problemen. Wiens Bildungs- und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) präsentierte angesichts der gestiegenen Zahl außerordentlicher Schülerinnen und Schüler erst am Mittwoch eine Deutschoffensive für Kinder und Jugendliche – mehr dazu in wien.ORF.at.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verwies vor gut einer Woche auf das Subsidiaritätsprinzip: Jede Gebietskörperschaft müsse ihre Probleme selber lösen. Den Familiennachzug will die Partei aber neu regeln. „Meines Erachtens wäre es ein Ansatz zu sagen: Wenn jemand seine Familie nach Österreich holt, soll nachgewiesen werden, dass er für diese aufkommen kann“, so Stocker. Am Samstag forderte auch der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) in einer Aussendung eine „Neuregelung des Familiennachzugs für Asylberechtigte, die zu einer deutlichen Begrenzung führt“.

Wurde einem oder einer Fremden in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt, können derzeit Familienangehörige innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft dieser Statuszuerkennung bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels stellen. Wird dieser erteilt, können sie nach Österreich reisen, um hier einen Asylantrag im Familienverfahren zu stellen und denselben Schutzstatus wie die Bezugsperson bekommen. Wird der Antrag erst nach drei Monaten gestellt, müssen sie zusätzlich eine adäquate Unterkunft, eine Krankenversicherung und ein ausreichendes Einkommen nachweisen.

Gemeindebund-Präsident verweist auf schwedisches Modell

Nicht auf ÖVP-Parteilinie ist Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl. Er würde eine Residenzpflicht nach schwedischem Vorbild begrüßen, sagte er im Interview mit dem „profil“. In Schweden gebe es eine Grundunterstützung für Geflüchtete für drei bis sechs Monate, verbunden mit einer Residenzpflicht. Davon, Menschen aus einer jahrelang gewohnten Wohnumgebung herauszureißen, halte er nichts, aber er ist überzeugt: „Integration kann in Gemeinden und kleineren Städten grundsätzlich besser gelingen, wenn enge Verbindungen zur Dorfgemeinschaft oder sogar Freundschaften entstehen.“

Für den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp ist Kopfs Forderung nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Asylwerbern gehe es in Wien zu gut, so Nepp. „Tatsache ist, dass es Asylanten von vornherein in das Sozialhilfeparadies der Ludwig-SPÖ zieht, weil im Unterschied zu anderen Bundesländern für sie dort Milch und Honig fließt.“ Er verlangt, die Auszahlung der Mindestsicherung an die österreichische Staatsbürgerschaft zu koppeln und die Familienzusammenführung generell zu stoppen.

SPÖ und NEOS mit Kritik an Regierung

SPÖ und NEOS, die in Wien die Stadtregierung stellen, zeigten sich vergangene Woche entsetzt. „Die Bundesregierung kann hier nicht sagen: Das ist Aufgabe von Wien, uns ist das alles egal“, so NEOS-Asyl- und Migrationssprecherin Stephanie Krisper in einer der APA übermittelten Stellungnahme. „Das ist absurd und völlig verantwortungslos, den Familiennachzug in geordnete Bahnen zu lenken, ist eine Staatsaufgabe.“

SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch wiederum sah in einer Aussendung eine „Frechheit“ Stockers. Das (ÖVP-geführte, Anm.) Innenministerium bearbeite jeden einzelnen Antrag auf Familiennachzug und habe daher den vollen Überblick darüber, wann wie viele Personen einreisen.

Asyl: Hohe Zahlen beim Familiennachzug

Dass der Familiennachzug stark bleibt, zeigte Anfang April eine Anfragebeantwortung des Innenministeriums an den freiheitlichen Abgeordneten Hannes Amesbauer. Gestellt wurden unter dem Titel Familiennachzug im ersten Monat des Jahres 845 Asylanträge, was deutlich mehr als in den Jahren davor ist. Im Jänner 2023 waren es 421, im ersten Monat 2022 nur 310.

Von den Anträgen im Jänner 2024 war der allergrößte Teil von Familienangehörigen aus Syrien – nämlich 782 von gesamt 845. Im Gesamtjahr 2023 waren gut 89 Prozent der entsprechenden Ansuchen von Syrern, 2022 betrug der Wert 79 Prozent. Bemerkbar ist, dass im Vorjahr die Zahl der Anträge gegen Ende des Jahres angestiegen ist. Waren es im Jänner nur 421, kletterte die Zahl bis auf den monatlichen Höchstwert von 1.181 im Oktober.