Einflussreiches Mitglied des MIlitärregimes Ibro Amadou
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Abzug aus Niger

Rückschlag für US-Ambitionen in Afrika

Die US-Regierung hat Medienberichten zufolge zugestimmt, die letzten noch verbliebenen Truppen – rund 1.000 Mann – in den kommenden Monaten aus Niger abzuziehen. Das berichteten mehrere US-Medien sowie das nigrische Staatsfernsehen am Freitag. Es ist ein Rückschlag für die USA, noch mehr aber für Europa. Niger baute zuletzt enge Beziehungen mit Moskau auf.

Mit dem Abzug des Militärpersonals geht die Regierung von US-Präsident Joe Biden auf eine Forderung der Militärjunta des westafrikanischen Landes ein. Diese hatte Mitte März ein militärisches Kooperationsabkommen mit den USA gekündigt. Juntasprecher Amadou Abdramane begründete das Aus mit „herablassendem Verhalten“ und einer angeblichen Androhung von Repressalien durch eine US-Delegation. Bis dahin hatte die Vereinbarung US-Soldaten und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums erlaubt, in dem Land zu operieren.

Die „Washington Post“ schrieb, dass sich die US-Regierung gegen den Schritt gesträubt habe. Der Abzug werde auch die Haltung zur Terrorismusbekämpfung in der Region verändern. Infrage gestellt werde auch der Status eines 110 Millionen Dollar (rund 94 Mio. Euro) teuren US-Luftwaffenstützpunkts, der erst sechs Jahre alt sei.

US-Hangar unter Konstruktion, 2018
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Einer der Flughangars des US-Stützpunktes bei Agadez im Zentrum des Landes bei der Errichtung 2018

Zentrum des islamistischen Terrors

Die Sahelzone, zu der auch die Nachbarländer Mali und Burkina Faso gehören, hat sich zu einem Brennpunkt des islamistischen Terrorismus entwickelt. In Niger nahmen die Angriffe nach einem Militärputsch im vergangenen Jahr zu. Die USA betrachteten den Stützpunkt als wichtiges Mittel zur Terrorismusbekämpfung. Von dort starteten unter anderem unbemannte Drohnen zur Überwachung. Deshalb ist der Abzug ein erheblicher Rückschlag.

Zunehmendes Problem für Europa

Auch für Europa ist das ein schwerer Schlag, da eine wichtige Migrationsroute durch Niger ans Mittelmeer führt. Es hatte mehrere diplomatische Bestrebungen gegeben, Niger enger an Europa zu binden. Doch stattdessen näherte sich das Land zuletzt Russland an – inklusive Einsatz von russischen Freischärlereinheiten, etwa der mittlerweile „verstaatlichten“ Wagner-Truppen. Im sich global immer stärker herausbildenden Gegensatz zwischen Westen und einer von China und Russland geführten Interessensphäre positioniert Niger sich damit klar um.

Erst vor einem Monat war auch eine europäische Polizeiaufbaumission, die EUCAP Sahel, nach elf Jahren endgültig und im Unfrieden beendet worden. Mitte März hatten die beiden Leiter der Mission, die Deutsche Katja Dominik und der Däne Mads Beyer, ausreisen können. Zuvor hatte es Unklarheit darüber gegeben, wann Dominik und Beyer als letzte von einst rund 120 europäischen Mitarbeitern der Polizeiaufbaumission das Land verlassen dürfen – Diplomaten hatten teils von einem „Festhalten“ gesprochen.

Junta-Mitglieder bei Demo
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Amadou Amabrame, der Sprecher der Junta (Zweiter von rechts)

Junta richtet Land neu aus

Seit Ende Juli 2023 wird Niger von einer Militärjunta geführt. Davor galt das Land als letzter demokratischer Partner europäischer Staaten und der USA im Inneren der Sahelzone. Es war ein enger Verbündeter gegen Terrorismus und illegale Migration nach Europa. Der Umsturz löste eine schwere diplomatische Krise in der Region aus. Auch Nachbarländer wie Mali und Burkina Faso haben sich von den USA und Europa abgewandt und nähern sich immer weiter Russland an. Anfang April hatte Russland Niger ein Luftabwehrsystem und 100 Militärausbildner geschickt.

Dass Russland nun – neben China – in Afrika immer mehr Fuß fasst, löst in Europa angesichts der vielen aktuellen Konflikte mit Russland Besorgnis aus. Allerdings ist eine fehlende effiziente gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein großes Hemmnis, der Ausbreitung des russischen Einflusses in einer natürlichen Interessenzone Europas etwas entgegenzusetzen. Dazu kommt das historische Erbe des europäischen Kolonialismus und Imperialismus, das die westeuropäischen Länder bis heute nicht ernsthaft begonnen haben aufzuarbeiten.