US- und Ukraine-Flaggen vor US-Kongress
Reuters/Ken Cedeno
US-Abgeordnetenkammer

Ja zu 60 Milliarden für Ukraine

Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete am Samstagnachmittag (Ortszeit) einen entsprechenden Gesetzesentwurf.

Dieser sieht rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Mrd. Euro) für Kiew vor. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher. Die Ukraine-Hilfe wurde zugleich, aber in getrennten Abstimmungen, mit zusätzlicher Militärhilfe für Israel und Taiwan beschlossen. Weiters wurde – um die Zustimmung isolationistischer Republikaner zu sichern – ein Gesetz beschlossen, das in weiterer Konsequenz bis zum Verbot von TikTok führen könnte.

Applaus nach Abstimmung

Im Plenum gab es nach der Abstimmung Applaus. Etliche Abgeordnete wedelten mit Ukraine-Flaggen und riefen „Ukraine, Ukraine“. Sie wurden zur Ordnung gerufen. Zahlreiche Republikaner votierten gegen die Hilfen, konnten aber die Annahme mit Hilfe der Demokraten nicht verhindern. Die Republikaner haben in der Kammer bloß eine hauchdünne Mehrheit.

Den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, könnte die Abstimmung den Job kosten. Mehrere radikale Abgeordnete, die Ex-Präsident Donald Trump treu ergeben sind, stemmten sich gegen die Ukraine-Hilfe.

US-Repräsentantenhaussprecher Mike Johnson
Reuters/Ken Cedeno
Mike Johnson vollzog nach Monaten eine überraschende Kehrtwende und riskiert damit auch seine Position

Selenskij „dankbar für die Entscheidung“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem US-Repräsentantenhaus für das Votum. Er sei beiden Parteien sowie persönlich Johnson „dankbar für die Entscheidung, die die Geschichte auf dem richtigen Weg hält“, teilte er kurz nach der Abstimmung auf der Plattform X (vormals Twitter) mit. „Demokratie und Freiheit werden immer eine globale Bedeutung haben und niemals scheitern, solange Amerika hilft, sie zu schützen.“

US-Präsident Biden bedankte sich ebenfalls bei den Abgeordneten der Kammer und forderte den Senat auf, nun schnell zu handeln. Es wird erwartet, dass die Kammer bereits in der kommenden Woche über das Paket abstimmen könnte.

NATO-Chef: „Macht uns alle sicherer“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte das Votum als Investition in die Sicherheit der NATO-Staaten. „Die Ukraine nutzt die von NATO-Verbündeten bereitgestellten Waffen, um die russischen Gefechtsfähigkeiten zu zerstören“, so Stoltenberg. „Das macht uns alle sicherer, in Europa und Nordamerika.“ Die Abstimmung sei auch ein Zeichen, dass es in den USA weiter eine parteiübergreifende Unterstützung für die Ukraine gibt.

Russland: Zerstörerisch für Ukraine

Russland reagierte, indem es behauptete, das Hilfspaket werde die Ukraine weiter in den Ruin treiben. „Die Entscheidung, der Ukraine Hilfe zu leisten, war erwartbar und wurde vorhergesagt. Sie wird die Vereinigten Staaten von Amerika weiter reich machen und die Ukraine weiter zugrunde richten, sie wird zu noch mehr toten Ukrainern führen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstagabend der russischen staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge.

Für Ukraine überlebenswichtig

Das Paket sieht etwa 23 Milliarden US-Dollar für die Aufstockung des US-Militärbestands vor. Das Geld geht somit indirekt an die Ukraine, da die USA das von Russland angegriffene Land in der Regel mit Ausrüstung aus ihren Beständen ausstatten. Der Rest ist für weitere militärische Unterstützung und Finanzhilfe vorgesehen.

Das Hilfspaket ist für die Ukraine im Krieg gegen Russland von entscheidender Bedeutung. Tatsächlich gelten die USA als wichtigste Verbündete der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn stellte die US-Regierung militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro für Kiew bereit. Die vom Kongress für die Ukraine genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aber aufgebraucht. Der zeitweilige Ausfall schwächte die Verteidigung der Ukraine, weil dem Land Waffen und Munition fehlen. Europas finanzielle Ausgaben für die Ukraine sind mittlerweile höher, doch die US-Waffenlieferungen sind für Kiew entscheidend.

Der Vorsitzende der Kongresskammer, Mike Johnson, sträubte sich bis vor wenigen Tagen angesichts des Widerstandes in seiner eigenen Partei jedoch, eine neue Abstimmung überhaupt anzuberaumen – angetrieben nicht zuletzt von Ex-Präsident Donald Trump, der Ende der Woche Europa aufforderte, die Ukraine stärker zu unterstützen.

Hilfen in Höhe von 95 Milliarden Dollar

Die vom Ausschuss veröffentlichten Vorlagen sehen 60,84 Milliarden Dollar für die Ukraine, knapp 26,3 Milliarden zur Unterstützung Israels und 8,1 Milliarden für den indopazifischen Raum vor. Zudem hieß es, US-Präsident Joe Biden solle der Ukraine „so bald wie machbar“ weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit Langem darauf.

Berichte: Ukraine auf Hilfe angewiesen

Nach den Erfahrungen aus mehr als zwei Jahren des russischen Angriffskrieges haben neue Waffen aus den USA und anderen westlichen Ländern durchaus die Lage zugunsten der Ukraine verändert. CIA-Direktor William Burns warnte am Donnerstag eindringlich, dass die Ukraine ohne neue US-Militärhilfen noch in diesem Jahr den Krieg gegen den Aggressor Russland verlieren könnte.

Auch in einem aktuellen Bericht des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) heißt es: „Die Ukraine kann die gegenwärtigen Linien ohne die rasche Wiederaufnahme der amerikanischen Hilfe nicht halten.“ Die Gefahr eines russischen Angriffs auf die NATO in naher Zukunft würde drastisch steigen, wenn die USA es nun zulassen würden, dass Russland die Ukraine jetzt besiegt. „Diese langfristigen Risiken und Kosten überwiegen bei Weitem den kurzfristigen Preis der Wiederaufnahme der Unterstützung für die Ukraine.“