Mutter mit zwei Kindern geht Treppe runter
ORF.at/Zita Klimek
Mindestsicherung

Grüne gegen Vorstoß von AMS-Chef

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hält nichts von der Idee einer „Sozialhilfe-Auflage“, um Geflohene und deren Familien besser auf die Bundesländer zu verteilen. Eine solche brachte der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, am Samstag ins Spiel. Rauch plädiert stattdessen für eine bundesweit einheitliche Mindestsicherung. Die ÖVP ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Rauch erklärte zu Kopfs Vorstoß auf „Presse“-Anfrage: „Eine De-facto-Residenzpflicht in der Sozialhilfe lehnen wir ab.“ Kopf schlug vor, die Länder könnten eine Vereinbarung schließen, die Folgendes besagt: Nur jenes Bundesland, in dem während des Asylverfahrens der Wohnsitz lag, ist für die Mindestsicherung an Flüchtlinge zuständig. Würden sie dann beispielsweise von Tirol nach Wien ziehen, gebe es dort kein Sozialgeld mehr. Die Flüchtlinge könnten keinen neuen Antrag stellen.

Zu regeln wäre das laut Kopf über eine 15a-Vereinbarung zwischen den Bundesländern. Hintergrund der seit Monaten herrschenden Debatte über den Familiennachzug syrischer Kinder und Frauen ist eine Schieflage in der Verteilung – der größte Teil der Familien geht nach Wien.

Rauch: Zugang zu Arbeitsmarkt verbessern

Wien sei als „Großstadt mit guter Infrastruktur und bestehenden Communitys für Zuwanderung besonders attraktiv“, so Rauch. „Es ist zudem eines der wenigen Bundesländer, die die von der schwarz-blauen Bundesregierung beschlossenen Verschlechterungen der Sozialhilfe teilweise nicht umgesetzt haben“, sagte er weiter.

Statt einer „De-facto-Residenzpflicht“ müssten der Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert und die Sozialhilfe bundesweit einheitlich geregelt werden. Für eine Wohnsitzauflage bzw. Residenzpflicht, die anerkannte Flüchtlinge über einen längeren Zeitraum im ersten Bundesland halten soll, in dem sie Asyl bekamen, sind unter anderem NEOS und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Familiennachzug: Herausforderung für Wiener Schulen

Wien vermeldete zuletzt hohe Zahlen an Familiennachzügen. Das führt vor allem im Schulbereich aufgrund nötiger Plätze zu Problemen. Wiens Bildungs- und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) präsentierte angesichts der gestiegenen Zahl außerordentlicher Schülerinnen und Schüler erst am Mittwoch eine Deutschoffensive für Kinder und Jugendliche – mehr dazu in wien.ORF.at.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verwies vor gut einer Woche auf das Subsidiaritätsprinzip: Jede Gebietskörperschaft müsse ihre Probleme selber lösen. Den Familiennachzug will die Partei aber neu regeln. „Meines Erachtens wäre es ein Ansatz zu sagen: Wenn jemand seine Familie nach Österreich holt, soll nachgewiesen werden, dass er für diese aufkommen kann“, so Stocker. Am Samstag forderte auch der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) in einer Aussendung eine „Neuregelung des Familiennachzugs für Asylberechtigte, die zu einer deutlichen Begrenzung führt“.

Wurde einem oder einer Fremden in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt, können derzeit Familienangehörige innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft dieser Statuszuerkennung bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels stellen. Wird dieser erteilt, können sie nach Österreich reisen, um hier einen Asylantrag im Familienverfahren zu stellen und denselben Schutzstatus wie die Bezugsperson bekommen. Wird der Antrag erst nach drei Monaten gestellt, müssen sie zusätzlich eine adäquate Unterkunft, eine Krankenversicherung und ein ausreichendes Einkommen nachweisen.

Gemeindebund-Präsident verweist auf schwedisches Modell

Nicht auf ÖVP-Parteilinie ist Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl. Er würde eine Residenzpflicht nach schwedischem Vorbild begrüßen, sagte er im Interview mit dem „profil“. In Schweden gebe es eine Grundunterstützung für Geflüchtete für drei bis sechs Monate, verbunden mit einer Residenzpflicht. Davon, Menschen aus einer jahrelang gewohnten Wohnumgebung herauszureißen, halte er nichts, aber er ist überzeugt: „Integration kann in Gemeinden und kleineren Städten grundsätzlich besser gelingen, wenn enge Verbindungen zur Dorfgemeinschaft oder sogar Freundschaften entstehen.“

Für den Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp ist Kopfs Forderung nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Asylwerbern gehe es in Wien zu gut, so Nepp. „Tatsache ist, dass es Asylanten von vornherein in das Sozialhilfeparadies der Ludwig-SPÖ zieht, weil im Unterschied zu anderen Bundesländern für sie dort Milch und Honig fließt.“ Er verlangt, die Auszahlung der Mindestsicherung an die österreichische Staatsbürgerschaft zu koppeln und die Familienzusammenführung generell zu stoppen.

AMS-Vorstand Johannes Kopf
APA/Eva Manhart
AMS-Chef Johannes Kopf

SPÖ und NEOS mit Kritik an Regierung

SPÖ und NEOS, die in Wien die Stadtregierung stellen, zeigten sich vergangene Woche entsetzt. „Die Bundesregierung kann hier nicht sagen: Das ist Aufgabe von Wien, uns ist das alles egal“, so NEOS-Asyl- und -Migrationssprecherin Stephanie Krisper in einer der APA übermittelten Stellungnahme. „Das ist absurd und völlig verantwortungslos, den Familiennachzug in geordnete Bahnen zu lenken ist eine Staatsaufgabe.“

SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch wiederum sah in einer Aussendung eine „Frechheit“ Stockers. Das (ÖVP-geführte, Anm.) Innenministerium bearbeite jeden einzelnen Antrag auf Familiennachzug und habe daher den vollen Überblick darüber, wann wie viele Personen einreisen.

Asyl: Hohe Zahlen beim Familiennachzug

Dass der Familiennachzug stark bleibt, zeigte Anfang April eine Anfragebeantwortung des Innenministeriums an den freiheitlichen Abgeordneten Hannes Amesbauer. Gestellt wurden unter dem Titel Familiennachzug im ersten Monat des Jahres 845 Asylanträge, was deutlich mehr als in den Jahren davor ist. Im Jänner 2023 waren es 421, im ersten Monat 2022 nur 310.

Von den Anträgen im Jänner 2024 war der allergrößte Teil von Familienangehörigen aus Syrien – nämlich 782 von gesamt 845. Im Gesamtjahr 2023 waren gut 89 Prozent der entsprechenden Ansuchen von Syrern, 2022 betrug der Wert 79 Prozent. Bemerkbar ist, dass im Vorjahr die Zahl der Anträge gegen Ende des Jahres angestiegen ist. Waren es im Jänner nur 421, kletterte die Zahl bis auf den monatlichen Höchstwert von 1.181 im Oktober.