Person füllt ein AMS-Formular zur Covid-19-Kurzarbeitsbeihilfe aus
ORF/Christian Öser
CoV-Kurzarbeit

Liste zeigt, an wen Millionen gingen

„Koste es, was es wolle“, hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im März 2020 als Leitspruch ausgegeben, „um Arbeitsplätze zu sichern“. Im Fall der Covid-19-Kurzarbeit waren es bis Herbst 2023 laut Arbeitsmarktservice (AMS) sowie Arbeitsministerium mehr als 9,8 Milliarden Euro. Unklar war bisher, wer in der Pandemie Kurzarbeit genehmigt und ausgezahlt bekommen hatte. Dem ORF liegt nun eine Liste vor, wie viel Geld an die einzelnen Unternehmen geflossen ist.

Neben den Hilfen über die Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) zählte die Kurzarbeit zu den größten CoV-Unterstützungen. Seit Kurzem ist nun gerichtlich geklärt: Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, an wen das Geld geflossen ist. Aufgrund eines vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) durchgesetzten Auskunftsbegehrens bekam ORF-Redakteur Martin Thür in diesem Frühjahr vom AMS eine entsprechende Liste.

Darin finden sich nach Firmennamen aufgeschlüsselt alle bis September 2023 genehmigten Kurzarbeitsanträge und deren jeweilige Summe. Mit einer Ausnahme: Unternehmen, die nicht bilanzpflichtig waren und weniger als 100.000 Euro an Kurzarbeitshilfen bekommen haben, scheinen in der Liste nicht auf. Die Hilfe geht für einige Firmen in den mehrstelligen Millionenbereich. Spitzenreiter ist die AUA mit mehr als 261 Millionen Euro, gefolgt vom Flughafen Wien (mehr als 107 Mio. Euro) und XXXLutz (rund 42 Mio. Euro).

Die CoV-Kurzarbeitshilfe wurde im März 2020 in wenigen Tagen auf die Beine gestellt. Sie sollte Unternehmen stützen, die durch die Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren. Laut Kurzarbeitsrichtlinie mussten die Schwierigkeiten vom Unternehmen „plausibel" dargestellt“ werden.

Aufgesetzt und überprüft wurde das freilich nicht vom AMS, sondern von den Sozialpartnern. Es waren auch keine Konsequenzen vorgesehen, falls Unternehmen trotz beanspruchter Kurzarbeitshilfe Gewinne schrieben – egal wie hoch diese ausfielen. Die Hilfsgelder konnten sie auf jeden Fall behalten.

Joberhalt als erklärtes Ziel

Ganz konkret sollte das Instrument ja vor allem eines verhindern: dass Jobs verloren gehen. Grundsätzlich habe das funktioniert, hielt nicht zuletzt der Rechnungshof in seinem Bericht zu Umsetzung und Kontrolle der CoV-Kurzarbeit 2022 fest. Die Maßnahme habe „in nicht unbeträchtlichem Ausmaß“ Arbeitsplätze gesichert und den Anstieg der Arbeitslosigkeit gedämpft.

Recherchekooperation

Die Liste zur CoV-Kurzarbeit wurde in einer Kooperation von „Eco“, ORF.at und ZIB2 ausgewertet.

In der direkten Überprüfung durch das AMS war die Perspektive freilich eine kurzfristige. „Beihilfenrechtlich“ sei nur relevant gewesen, dass die Beschäftigungsverhältnisse nur bis zum Ende der Behaltefrist – üblicherweise ein Monat nach Ende der Kurzarbeitshilfe – aufrechtblieben. In diesem Zeitraum habe es „nicht auffällig viele Nichteinhaltungen gegeben“, so das AMS.

Kündigungen nach Kurzarbeit

„Minutiös abgerechnet und von den zuständigen Behörden überprüft und als korrekt bestätigt“ sei die Kurzarbeit worden, heißt es auch vom Tiroler Kristallkonzern Swarovski gegenüber dem ORF. Mit mehr als 38 Mio. Euro liegt die D. Swarovski KG auf der Liste der Kurzarbeitsbezieher auf Platz sechs. Noch einmal über 11,3 Mio. Euro flossen an die zur Unternehmensgruppe gehörenden Tyrolit Schleifmittelwerke und die Swarovski Optik.

CoV-Kurzarbeitshilfe: Wer wie viel bekommen hat

Mit Beginn der CoV-Pandemie im März 2020 wurde in Österreich die Covid-19-Kurzarbeit eingeführt. Bis September letzten Jahres wurden Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kurzarbeitshilfe unterstützt. Insgesamt wurden dafür mehr als 9,8 Milliarden Euro Steuergeld verwendet. Welche Unternehmen wie viel CoV-Hilfe bekommen haben, war bisher allerdings geheim. Jetzt hat die Zeit im Bild nach einem vier Jahre langen Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht recht bekommen – und damit erstmals Zugriff auf diese Daten.

Laut dem Konzern lag die Kurzarbeitsquote „in der Hochphase“ bei rund 42 Prozent. Besonders betroffen gewesen seien der Bereich des Einzelhandels und „alle Bereiche, in denen Homeoffice nicht möglich war, wie zum Beispiel die Produktion“, hieß es gegenüber dem ORF.

Allerdings: Bereits im Herbst und Winter 2020 strich das Unternehmen rund 1.200 Stellen. Im Jahr darauf trennte es sich noch einmal von rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Konzern argumentierte die Kündigungen damals zum einen mit Einbrüchen in der Pandemie, zum anderen mit gestiegenem Konkurrenzdruck. Genaue Zahlen fehlen freilich. Die D. Swarovski KG legt als Kommanditgesellschaft keine Bilanz offen. Gewinne und Verluste bleiben damit weitgehend Unternehmensgeheimnis.

Dutzende Millionen an Glücksspielsektor

Noch zwei Plätze vor Swarovski auf der Liste der CoV-Kurzarbeitshilfen stehen mit 40 Mio. Euro die Casinos Austria. Insgesamt erhielten Unternehmen, die in Österreich eine Glücksspiellizenz besitzen, zusammen rund 75 Millionen Euro. Dazu kamen Zahlungen über fast 13 Mio. Euro an Produzenten von Glücksspielautomaten. Überdies gingen noch weitere Millionen Euro an Anbieter von Sportwetten, für die in Österreich keine Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz erforderlich ist.

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass der Staat Dutzende Millionen an Hilfsgeldern dem Glücksspielsektor zukommen ließ. Rein auf die Vorgaben der Kurzarbeitshilfe umgelegt, darf der Umstand freilich nicht überraschen. Natürlich waren Betreiber von Casinos oder Wettlokalen von den pandemiebedingten Maßnahmen wirtschaftlich stark betroffen. Und natürlich wurden sie damit zu möglichen Empfängern der Kurzarbeitshilfen.

Lotterien und die Angst vor geschlossenen Trafiken

Auch die Österreichischen Lotterien erhielten für Kurzarbeit in den Monaten April bis August 2020 rund 2,45 Millionen Euro. Doch die Lotterien selbst betreiben keine Casinos und auch keine Automatenlokale. Letztere haben sie in ein eigenes Tochterunternehmen ausgelagert. Das Hauptgeschäft der Lotterien läuft über ihre Website und die Trafiken – und diese hatten die gesamte Pandemie über offen.

ORF an Lotterien beteiligt

Der ORF besitzt einen Anteil von 18,8 Prozent an der Lotto-Toto Holding GmbH. Diese wiederum hält rund 26,2 Prozent an der Österreichischen Lotterien GmbH.

Genau das sei allerdings „über einen langen Zeitraum“ nicht gesichert gewesen, so die Lotterien. Und ein Schließen der Trafiken hätte für die Lotterien einen „weitgehenden Zusammenbruch des Kerngeschäfts“ bedeutet. Darüber hinaus seien die Lotterien auch von der Schließung der Casinos und Spiellokale betroffen gewesen. Das Unternehmen verweist auf „zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Konzernzentrale“, die „wechselseitig verrechnete Dienstleistungen“ erbringen.

Dass die Lotterien sowohl ihren Umsatz als auch ihren Gewinn im Jahr 2020 im zweistelligen Millionenbereich steigerten, ist laut dem Unternehmen auch nur das halbe Bild. Lasse sich die wirtschaftliche Entwicklung doch nicht vom Casinos-Konzern losgelöst betrachten. Tatsächlich brach der Umsatz aus Spielerlösen für die Casinos-Austria-Gruppe im Jahr 2020 um rund 300 Millionen Euro ein, der Gewinn ging auf eine kleine einstellige Millionensumme zurück.

Kurzarbeit für Wirtschaftskammer Wien

Antragsberechtigt waren Lotterien wie auch Casinos auf jeden Fall. Standen die Hilfen doch allen Arbeitgebern offen – mit Ausnahme von Bund, Ländern, Gemeinden und sonstigen juristischen Personen öffentlichen Rechts. Für Letztere eröffnete die erste Überarbeitung der CoV-Kurzarbeitsrichtlinie Ende März 2020 ebenfalls die Möglichkeit zur Kurzarbeit – wenn sie „wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanzieren und am Wirtschaftsleben teilnehmen“.

Damit erklärt die Wirtschaftskammer (WK) Wien die Inanspruchnahme von Kurzarbeit zwischen März und September 2020 in Höhe von über 300.000 Euro. Das AMS schließt sich dieser Argumentation an. Eigentlich fiele die WK Wien als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht unter die Förderkriterien. Die Kurzarbeitshilfen seien aber an das Seminar- und Eventhotel Schloss Hernstein geflossen, so die WK Wien. Dieses beantragte dann bis Februar 2022 die Hilfen eigenständig – in Höhe von weiteren rund 650.000 Euro.

2,3 Mio. Euro für Wiener Wohnen Hausbetreuung

Ähnlich wurde auch im Fall der Wiener Wohnen Hausbetreuung GmbH, eines Tochterunternehmens der Stadt Wien argumentiert. Die für Hausbetreuung zuständige Firma erhielt für März bis September 2020 mehr als 2,3 Mio. Kurzarbeitshilfen. Das Unternehmen argumentierte gegenüber dem ORF, dass es als GmbH den privatwirtschaftlichen Regelungen unterliege und für Wirtschaftlichkeit Sorge zu tragen habe.

Zudem sei es „ein wichtiges Anliegen als verantwortungsvolle Arbeitgeberin, Arbeitsplätze zu erhalten“. Wiener Wohnen sagte aber auch, dass es „für den genannten Zeitraum keinen konkreten Kündigungsplan“ gab. Es sei aber aufgrund der Pandemie die Auftragslage stark eingebrochen.

Das AMS weist darauf hin, dass auch andere Unternehmen im öffentlichen Eigentum das Instrument der Kurzarbeit genutzt hätten. Dazu zähle etwa der ORF, der von April bis September 2020 Kurzarbeit in Höhe von rund 4,4 Mio. Euro beantragte – wie andere Medien auch. Es seien Bereiche betroffen gewesen, die wegen der Absage von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie von Eigenproduktionen ihrer Tätigkeit nicht in vollem Umfang nachgehen konnten, erklärte der ORF die Kurzarbeit.

Infografik mit Kennzahlen zur CoV-Kurzarbeit: 356.025 gestellte Anträge, 331.571 bewilligte und 24.454 abgelehnte beziehungsweise rückgeforderte Projekte. Insgesamt haben 119.519 Betriebe für 1.335.046 CoV-Kurzarbeit in der Höhe von 9.828.699.609 Euro bekommen.
AMS

Rechnungshof vermisste geeignete Kontrollen

Fest steht: Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer war die Kurzarbeit ein attraktives Modell. Die Unternehmen erhielten die Zahlungen für ausgefallene Stunden, die Beschäftigten bekamen vergleichsweise hohe Ersatzraten von anfangs bis zu 90 Prozent des bisherigen Nettoentgelts.

Allerdings stellte bereits 2022 der Rechnungshof in seinem Bericht fest, dass in der Anfangsphase der Covid-19-Kurzarbeit (März bis Ende Mai 2020) Überzahlungen erfolgten – laut RH-Berechnungen in der Größenordnung von 500 Mio. Euro. Zudem vermisste der Rechnungshof geeignete Kontrollen.

Er bemängelte überdies fehlende Kriterien für die Beurteilung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zudem habe eine inhaltliche Prüfung gefehlt, ob diese tatsächlich nur auf die Pandemie zurückzuführen gewesen seien, so das Kontrollorgan.

CoV-Kurzarbeitshilfe: Wer wieviel bekommen hat

Wegen der Coronavirus-Pandemie hat die Regierung knapp zehn Milliarden Euro Unternehmen als Kurzarbeitshilfe bezahlt. Lange waren die Empfänger geheim, der ORF hat jetzt die Daten.

„Keine inhaltliche Prüfung“ in erster Phase

BDO-Steuerrechtsexperte Thomas Neumann bestätigte gegenüber der ZIB2 die anfänglich sehr schwammigen Kriterien: „Am Anfang waren es nur die formalen Voraussetzungen, dass der Antrag und die Vereinbarung korrekt ausgefüllt waren.“ Die inhaltliche Begründung sei immer Covid-19 gewesen, damit habe das Unternehmen automatisch wirtschaftliche Schwierigkeiten gehabt. In der ersten Phase habe es „keine inhaltliche Prüfung“ gegeben.

Laut AMS seien „flächendeckend laufend alle Projekte geprüft“ worden. Am Ende sei zudem die Prüfung gestanden, ob die Hilfe widmungsgemäß erfolgte. Die Kriterien wurden mit der Zeit angepasst und strenger – die Richtlinie wurde allein zwischen März 2020 und März 2021 zwölfmal geändert. In diesen Zeitraum fällt auch der größte Teil der bezahlten Kurzarbeitshilfen.

Inzwischen hat das AMS laut Vorstand Johannes Kopf „Hunderttausende Endabrechnungen“ untersucht. Bei Unregelmäßigkeiten habe es auch Anzeigen gegeben. „In den Tagen des Lockdowns“ hat laut dem AMS aber „niemand kontrolliert“, so Kopf gegenüber dem ORF. Auf Unstimmigkeiten gekommen sei man oft erst durch Anzeigen von betroffenen Arbeitnehmern.

„Geklotzt und nicht gekleckert“

Das Instrument an sich sieht der AMS-Vorstand bis heute als den richtigen Weg. Wenn dann habe er ein Problem damit, „dass wir so lange gefördert haben“. Es sei überdies ein Ziel der Politik gewesen, dass Leute zu Hause bleiben, sagt Kopf und verweist auch auf das Epidemiegesetz. „Wenn der Staat entscheidet, dass wirtschaftliche Tätigkeit eingeschränkt wird, dann hat der Staat auch zu entschädigen.“

Der AMS-Chef will in der Kurzarbeitshilfe keine „Unternehmensförderung“ sehen, sondern eine Förderung von „Menschen, die zu Hause bleiben mussten“. „Aber natürlich war der Spruch, ‚koste es, was es wolle‘, eine politische Entscheidung. Und genauso ist auch gefördert worden“, sagt Kopf. Man habe „geklotzt und nicht gekleckert“.

Laut dem Arbeitsministerium läuft inzwischen eine umfassende Evaluierung – auch um künftige Lehren aus der CoV-Kurzarbeit zu ziehen. Dabei wäre es auch eine Option, „nach Art und Ausmaß des Kurzarbeitsbedarfs und hinsichtlich der Vorgangsweise und Gestaltung des Instruments stärker zu differenzieren“, so das Ministerium.