Krabbe an Strand neben Plastikmüll
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„Die Uhr tickt“

Zähes Ringen um Plastikmüllabkommen

Mit einer damals als historisch bezeichneten Resolution haben sich die Vereinten Nationen vor mittlerweile über zwei Jahren einen verschärften Kampf gegen Plastikmüll auf die Fahnen geschrieben. Erklärtes Ziel ist ein bis Ende 2024 stehendes internationales und rechtsverbindliches Abkommen – ob der Zeitplan hält, wird sich ab Dienstag im kanadischen Ottawa weisen. „Die Uhr tickt“, hieß es – auch mit Verweis auf den bisher zähen Verhandlungsverlauf – von Umweltschutzorganisationen.

Bei der vierten und laut Fahrplan vorletzten Verhandlungsrunde (INC-4) liegt nach Angaben der zuständigen UNO-Umweltorganisation (UNEP) ein überarbeiteter Entwurf des anvisierten Abkommens auf dem Tisch. Finalisiert werden soll das Verhandlungsziel dann zwischen 25. November und 1. Dezember 2024 bei der INC-5 im südkoreanischen Busan.

„Es bleibt noch viel zu tun, um unsere Differenzen einzugrenzen und technische Grundlagen für unsere Verhandlungen zu entwickeln“, sagte dazu im November UNEP-Verhandlungsführer Gustavo Meza-Cuadra Velasquez nach der dritten Verhandlungsrunde. Man habe sich bei der INC-3 in Nairobi (Kenia) lediglich auf einen Ausgangspunkt für Ottawa geeinigt, wie Velasquez ernüchternd eingestand.

Umweltschutzorganisationen setzen sich für klare Vorgaben ein und fordern, die weltweite Produktion von Plastik bis 2040 um 75 Prozent zu verringern. Die Erdölexporteure, China, aber auch die USA ziehen eine solche Reduktion gar nicht oder nur zögerlich in Betracht.

„Entscheidender Moment“

„Die Verhandlungen zum globalen Abkommen gegen Plastikmüll stehen vor einem entscheidenden Moment“, so Umweltschutzministerin Leonore Gewessler, deren Angaben zufolge Österreich als Teil der High Ambition Coalition (HAC) ein „ambitioniertes Abkommen“ unterstütze. Die mittlerweile auf 117 Länder angewachsene zwischenstaatliche Gruppe hat sich unter anderem dem gemeinsamen Ziel verschrieben, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen der Welt effektiv zu erhalten und zu bewirtschaften.

„Wir brauchen konkrete Ziele, damit wir die Verschmutzung unseres Planeten und seiner einzigartigen Natur bekämpfen“, so Gewessler, die dazu an alle Verhandlerinnen und Verhandler appellierte: „Machen wir den letzten Schritt und schützen wir unsere Umwelt vor den ständig wachsenden Plastikmüllbergen.“

Der Gastgeber des Treffens in Ottawa blickt zuversichtlich auf die kommenden Verhandlungen. „Wir haben einen Text, der eine Basis darstellt. Auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt“, so Kanadas Umweltminister Steven Guilbeault. Ihm zufolge ist es diesmal das Ziel der Gespräche, 60 bis 70 Prozent des Abkommens fertigzustellen.

Demo in Ottawa
AP/The Canadian Press/Spencer Colby
Demo gegen Plastikverschmutzung im Vorfeld zur INC-4 in Ottawa

Greenpeace: „Einmalige Gelegenheit“

Für ein Ende der Plastikverschmutzung und eine Reduzierung von Einwegplastik gingen in Ottawa schon am Sonntag Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße. „Einige Länder blockieren den Fortschritt und werden von der petrochemischen Industrie und der Kunststoffindustrie unterstützt, die keine Veränderungen sehen wollen“, zitierte CBC dazu einen Vertreter der Umweltschutzgruppe Environmental Defence.

„Dies ist das vorletzte Treffen, und die Uhr tickt“, teilte im Vorfeld der Ottawa-Gespräche Greenpeace Österreich mit. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die fossile Industrie das Abkommen torpediert. Um sicherzustellen, dass wir die Umwelt und unsere Gesundheit schützen, muss das globale Plastikabkommen die weltweite Plastikproduktion bis 2040 um mindestens 75 Prozent reduzieren. Diese Verhandlungen sind eine einmalige Gelegenheit, um die Plastikkrise zu lösen.“

Laut Florian Titze von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland stehe eine „große Mehrheit von Staaten“ hinter ehrgeizigen und rechtsverbindlichen Regeln. „Diese Mehrheit muss sich durchsetzen, damit das Abkommen bis zum Jahresende nicht nur steht, sondern auch wirksam ist.“

„Wie ist der Stand der Verhandlungen?“

Umweltschutzorganisationen kritisierten im Vorfeld zur Ottawa-Konferenz den bisherigen Verhandlungsverlauf scharf. Die in Washington sitzende Nichtregierungsorganisation Center of International Environmental Law (CIEL) verwies etwa auf die Verfahrensfragen, die vielfach im Fokus standen. Die Rede ist von „Verzögerungen und Frustrationen“, weswegen sich laut CIEL nun zunächst auch die Frage stelle: „Wie ist der Stand der Verhandlungen?“

„Mehr als die Hälfte der Vertragsverhandlungen sind bereits abgeschlossen und wir steuern auf ein Desaster zu“, so Greenpeace Österreich in einer Stellungnahme nach der Nairobi-Konferenz: „Gehen die Verhandlungen weiter wie bisher und es wird ein Vorschlag nach dem anderen verwässert, dann wird sich das Plastikproblem dramatisch zuspitzen.“

Keine Einigung in zentralen Punkten

Bei den einwöchigen Gesprächen in Nairobi hatten rund 60 Staaten ein Vertragswerk gefordert, in dem bestimmte Plastikprodukte durch Verbote aus dem Markt genommen werden. Außerdem sollte es weitere Regeln zur Einschränkung des Plastikverbrauchs geben. Die Gespräche gingen jedoch ohne Einigung in zentralen Punkten zu Ende.

Der Iran, Saudi-Arabien, Russland und weitere Erdölexporteure sollen nach Informationen von Verhandlungskreisen eine Vielzahl neuer Vorschläge eingebracht haben. Dadurch sei der Vertragstext stark gewachsen und die Bearbeitung der einzelnen Punkte habe sich erheblich verlangsamt. Außerdem setzten sich die Vertreter der Erdölförderländer dafür ein, dass jegliche Regeln lediglich den Charakter von Selbstverpflichtungen haben sollten, wie AFP mit Verweis auf Verhandlerkreise weiter berichtete.

„Ernstes globales Umweltproblem“

Nach UNO-Angaben wurden seit den 1950er Jahren 9,2 Milliarden Tonnen Plastik produziert. „Die rapide zunehmende Plastikverschmutzung ist ein ernstes globales Umweltproblem, das sich negativ auf die ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung auswirkt“, hält UNEP dazu fest.

Millionen Tonnen von Plastik landen in der Umwelt, oftmals auch im Meer als mikroskopisch kleine Partikel. Lediglich neun Prozent des hergestellten Plastiks werden laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) recycelt. Plastik sei 2019 für 3,4 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich gewesen, bis 2060 könnte sich der Beitrag zur Erderwärmung verdoppeln, schätzt die OECD.

„Plastik kennt keine Grenzen“, sagte schließlich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der dazu via X (Twitter) festhielt: „Jedes Lebewesen und jeder Teil des Planeten werden durch Kunststoffe und deren Herstellung geschädigt.“