Das britische Parlament
Reuters/Toby Melville
Großbritannein

Parlament billigt Asylpakt mit Ruanda

Nach langen Verhandlungen hat das britische Parlament in der Nacht auf Dienstag ein Gesetz, das den umstrittenen Asylpakt mit Ruanda rechtlich absichern soll, verabschiedet. Die regierende Tory-Partei feierte das als Durchbruch: Mit dem Gesetz soll ein Urteil des obersten Gerichts ausgehebelt werden, das die Pläne für rechtswidrig erklärt hatte. Konkret wird Ruanda, dem Kritiker Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, damit zum sicheren Drittstaat erklärt.

Mit diesem Schritt will die Regierung Einsprüche vor britischen Gerichten gegen Abschiebungen verhindern. Das Oberhaus als zweite Parlamentskammer hatte mehrmals Änderungsanträge beschlossen, die in einem zeitaufwendigen Verfahren vom Unterhaus rückgängig gemacht wurden. Schließlich gab das House of Lords seinen Widerstand auf. Damit kann der Gesetzesentwurf von König Charles III. mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt werden.

Der Asylpakt mit Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Menschen in Großbritannien keine Gelegenheit mehr zum Antrag auf Asyl erhalten sollen. Sie sollen stattdessen ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda gebracht werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen.

GB: Parlament verabschiedet Asylpakt mit Ruanda

Nach langen Diskussionen hat das britische Parlament ein Gesetz zum umstrittenen Asylpakt mit Ruanda verabschiedet. Der Entwurf erklärt Ruanda zum sicheren Drittstaat, damit Großbritannien irregulär eingereiste Migrantinnen und Migranten abschieben kann.

Sunak will Menschenrechtsgerichtshof ignorieren

Großbritanniens Premier Rishi Sunak begrüßte am Dienstag die Zustimmung des Parlaments. Es sei ein „bahnbrechendes Gesetz“ im Kampf gegen irreguläre Migration. Sunak hatte bereits vor den Beratungen im Parlament am Montag angekündigt, einstweilige Verfügungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Zusammenhang mit seinem Asylpakt mit Ruanda ignorieren zu wollen. „Wir sind bereit, die Pläne liegen vor, und diese Flüge werden auf jeden Fall starten“, sagte Sunak.

Die konservative Regierung steht aufgrund schlechter Umfragewerte im Jahr der Parlamentswahl unter großem Druck. Sie will verstärkt gegen irreguläre Migration vorgehen. Jährlich kommen Zehntausende Menschen über den Ärmelkanal. Aber es gibt auch in den Reihen der Torys Kritik an dem Vorhaben. Hardlinern in der Partei geht der Gesetzesentwurf der Regierung nicht weit genug – liberale Torys wiederum befürchten, Großbritannien könne gegen internationales Recht verstoßen.

Pakt mit vielen Hindernissen

Präsentiert wurde das Vorhaben erstmals im April 2022 unter Ex-Premier Boris Johnson. Der einzige Flug, der bisher nach Ruanda abheben sollte, wurde im Juni 2022 per einstweiliger Verfügung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Minute gestoppt.

Das oberste Gericht erklärte den Pakt daraufhin im vergangenen Herbst für rechtswidrig. Die Richter des Supreme Court äußerten Bedenken hinsichtlich des Asylverfahrens in Ruanda. Es sei nicht auszuschließen, dass die Schutzsuchenden von dort wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben würden. Mit dem Ruanda-Gesetz soll dieses Urteil nun ausgehebelt werden.

Karte von Großbritannien und Ruanda
Grafik: APA/ORF

Erste Maschine soll in zehn bis zwölf Wochen abheben

Die erste Maschine werde voraussichtlich in zehn bis zwölf Wochen abheben, kündigte Sunak bereits am Montag an. Bisher hatte die Regierung den ersten Abflug für Frühling angekündigt. Sunak sagte, für die Abschiebungen seien kommerzielle Charterflüge gebucht worden. Zudem seien Hunderte Sachbearbeiter und Richter auserkoren, um mögliche Klagen zu bearbeiten.

Die Opposition äußerte scharfe Kritik: Die Labour-Politikerin Yvette Cooper sagte, ihre Partei würde vielmehr die Grenzsicherheit verbessern, anstatt „eine halbe Milliarde Pfund für ein System auszugeben, das nur ein Prozent der Asylbewerber abdeckt“. Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Ed Davey, bezeichnete den Asylpakt als „kolossalen Misserfolg“ der Konservativen.

Grafik zur illegalen Migration über den Ärmelkanal
Grafik: APA/ORF; Quelle: migrationwatchuk.org

UNO: „Gefährlicher Präzedenzfall“

Der UNO-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk rief die britische Regierung auf, ihren Plan zur Abschiebung von Geflüchteten nach Ruanda zu überdenken. Das umstrittene Vorhaben bedrohe die Rechtsstaatlichkeit und stelle „weltweit einen gefährlichen Präzedenzfall“ dar. Stattdessen solle Großbritannien „praktische Maßnahmen ergreifen, um irreguläre Flüchtlings- und Migrantenströme auf der Grundlage internationaler Zusammenarbeit und der Achtung der internationalen Menschenrechtsnormen zu bewältigen“.

Die Regierung in Ruanda zeigte sich am Dienstag hingegen zufrieden über die Verabschiedung des Gesetzes. Die Behörden des Landes „freuen sich darauf, die nach Ruanda umgesiedelten Personen willkommen zu heißen“, sagte Regierungssprecherin Yolande Makolo der Nachrichtenagentur AFP.

Auch der Europarat kritisierte den Asylpakt scharf. „Die Regierung des Vereinigten Königreichs sollte von der Abschiebung von Menschen im Rahmen der Ruanda-Politik absehen und die tatsächliche Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit durch das Gesetz rückgängig machen“, sagte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, in Straßburg. Das Gesetz werfe Fragen zu den Menschenrechten von Asylwerbern und zur Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen auf.

Appell an Airlines

UNO-Menschenrechtsexperten und -expertinnen riefen Fluggesellschaften und Luftfahrtbehörden indes auf, sich nicht an solchen Programmen zu beteiligen. Menschen nach Ruanda oder in ein anderes Land zu bringen, von wo aus sie womöglich in ihre Heimat zurückgezwungen werden, könne gegen das Recht auf Schutz vor Folter und anderer erniedrigender Behandlung verstoßen.

„Wenn Fluggesellschaften und Luftfahrtbehörden staatliche Entscheidungen umsetzen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, müssen sie für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden“, erklärten die UNO-Sonderberichterstatter.

Mindestens fünf Tote in Ärmelkanal

Fachleute rechnen nicht damit, dass der Asylpakt die Menschen davon abhalten wird, über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen. Zahlreiche Durchquerungsversuche gab es am Dienstag, dabei starben Medienangaben zufolge mindestens fünf Menschen.

Die französische Küstenwache bestätigte, dass der Versuch, den Ärmelkanal zu überqueren, fehlgeschlagen sei. Auf dem kleinen Boot waren ihren Angaben zufolge über hundert Menschen. Die Menschen seien aufgrund einer Massenpanik an Bord gestorben.