der AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Maximilian Krah
AP/Jean-Francois Badias
EU-Parlament

China-Spionage bringt AfD unter Druck

„Sollte sich der Vorwurf bestätigen, trifft er das Herz unserer Demokratie“: So kommentierte der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag die Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah. Der Beschuldigte Jian G. steht im dringenden Verdacht, seit Jahren für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Das EU-Parlament hat ihn bereits suspendiert.

G. wurde nach Angaben der deutschen Bundesanwaltschaft in Dresden festgenommen. Ihm werde Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt, teilte die oberste deutsche Anklagebehörde mit. Der Beschuldigte G. sei Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes und arbeite seit 2019 für ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments, hieß es von der Anklagebehörde.

Den Namen des EU-Abgeordneten nannte die Bundesanwaltschaft nicht, doch handelte es sich offenkundig um Krah. Dieser teilte am Dienstagvormittag mit, aus den Medien von der Festnahme seines Mitarbeiters erfahren zu haben. „Weitere Informationen liegen mir nicht vor.“ Der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei „eine schwerwiegende Anschuldigung“, sagte Krah und fügte hinzu: „Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.“

Pfeifer (ORF): ORF-Analyse zu AfD und Spionage

Eineinhalb Monate vor der Europawahl wird das EU-Parlament von einem Spionageskandal erschüttert. Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wurde am Dienstag in Dresden wegen des Verdachts festgenommen, für China spioniert zu haben. ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer analysiert.

Mit sofortiger Wirkung suspendiert

Das hat sich erübrigt, Dienstagmittag erklärte eine Sprecherin des EU-Parlaments: „In Anbetracht der Schwere der Enthüllungen hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert.“ Und: „Das Parlament wird mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und entsprechende Folgemaßnahmen ergreifen.“

Die Organisation Lobbycontrol warf Krah indessen Versäumnisse in der Angelegenheit vor. „Der Spionageverdacht gegen seinen Mitarbeiter ist bereits seit 2023 bekannt, Krah zog damals keine Konsequenzen“, sagte Aurel Eschmann von Lobbycontrol. Damit habe Krah „nicht nur die Integrität der EU, sondern auch deren Sicherheitsinteressen gefährdet“. Ein Sprecher Krahs wies den Vorwurf zurück.

Exilopposition ausspioniert

Der 43-jährige gebürtige Chinese G. besitzt laut „Zeit“-Recherchen mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft und war nach seinem Studium in Deutschland zunächst als Geschäftsmann aktiv. Als Krah 2019 ins Europaparlament einzog, holte er G. als Assistenten in sein Brüsseler Team. Wenig später begleitete G. den AfD-Politiker auf eine Reise nach China. Spätestens seit dieser Zeit soll er für die Behörden in Peking gearbeitet haben.

Die Ermittler werfen G. vor, die chinesische Exilopposition in Deutschland ausspioniert zu haben. Er soll sich in verschiedenen Funktionen in oppositionellen Gruppen engagiert und dabei Informationen über chinesische Dissidenten gesammelt haben. Diese habe er an das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) weitergegeben. G. soll sich bereits vor mehr als zehn Jahren an deutsche Sicherheitsbehörden gewandt und als Informant angeboten haben. Jedoch habe man ihn damals für unzuverlässig und für einen möglichen Doppelagenten Chinas gehalten.

Plenum des Europäischen Parlaments in Brüssel
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Krah sollte AfD-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl werden, die Spionageaffäre könnte das ändern

Nach Informationen des „Spiegel“ ging es bei den weitergegebenen Informationen unter anderem um den Diskussionsprozess zu „sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union“ sowie um einen Entschließungsantrag „zu der anhaltenden Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung in China“.

AfD berät sich

Aus der Bundesgeschäftsstelle der AfD hieß es am Dienstag: „Die Meldungen über die Verhaftung eines Mitarbeiters von Herrn Krah wegen Spionageverdachts sind sehr beunruhigend. Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten.“ Krah ist Mitglied im Bundesvorstand der AfD und seit 2019 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er soll die Partei in die Europawahl im Juni führen. Am Nachmittag hieß es von der AfD-Bundesspitze, Krah sei auf dem Weg nach Berlin, man werde sich zusammensetzen, den Fall besprechen und am Mittwoch eine öffentliche Stellungnahme abgeben.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Spionagevorwürfe als „äußerst schwerwiegend“. „Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie“, sagte sie. Ebenso schwer wiege der Vorwurf der Ausspähung der chinesischen Opposition. „Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung.“

Bereits am Montag hatte die Festnahme von drei Deutschen Schlagzeilen gemacht, die für China spioniert haben sollen. Sie waren in Düsseldorf und Bad Homburg festgenommen worden und sollen unter anderem Informationen zu militärisch nutzbaren Technologien beschafft haben. Chinas Außenministerium wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer „sogenannten Bedrohungstheorie durch chinesische Spionage“. Diese sei in der europäischen öffentlichen Meinung nicht neu. Dahinter stehe die Absicht, China zu diskreditieren und „die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören“.

Kontakte Krahs zu Kreml

Mehrere Politiker verschiedener Fraktionen forderten am Dienstag Krahs Rücktritt als Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, zumal Krah selbst auch wegen möglicher Verbindungen zum russischen Geheimdienst aktuell in der Kritik steht. Die US-Bundespolizei FBI soll ihn Ende des Vorjahres während einer USA-Reise zu möglichen Zahlungen aus dem Kreml-Umfeld befragt haben. Es soll dabei um eine Chatnachricht des prorussischen Aktivisten Oleg Woloschyn gehen, der Krah eine angemessene Kompensation für die Zusammenarbeit versprochen haben soll.

Zuvor hatte der tschechische Geheimdienst mitgeteilt, dass er ein prorussisches Propagandanetzwerk aufgedeckt habe. Dieses soll über die Plattform Voice of Europe versucht haben, Einfluss auf die Europawahl zu nehmen. Auch Krah gab der Plattform Interviews.

AfD in der Defensive

Nach Einschätzung des Politologen Wolfgang Schroeder würde es der AfD derzeit nicht gelingen, „in die Offensive zu kommen“. Die bisher erfolgreiche Strategie, „als Opfer dazustehen, funktioniert nicht mehr so gut“, sagte der Politikwissenschaftler der Universität Kassel der Nachrichtenagentur AFP. Die AfD sei in einigen Fragen nicht homogen. Mehrheitlich befänden sich in der Partei zwar „Russland- und Diktaturversteher“. Aber es gebe auch klare Befürworter des Rechtsstaats. „Diese wollen sich nicht vorwerfen lassen, dass sie selbst bestehendes Recht verletzten.“