„Bildnis Fraulein Lieser“ im Auktionshaus
Reuters/Leonhard Foeger
Auktion in Wien

35 Millionen für Klimts „Fräulein Lieser“

Gustav Klimts unvollendet gebliebenes Spätwerk „Bildnis Fräulein Lieser“, das jahrzehntelang verborgen in österreichischem Privatbesitz gewesen war, ist am Mittwochnachmittag im Wiener Auktionshaus im Kinsky als Abschluss und Höhepunkt eines „Gustav Klimt Sale“ um 30 Millionen Euro versteigert worden. Inklusive Aufgeld wechselt das Bild um 35 Mio. den Besitzer. Es handelt sich um einen neuen Versteigerungsrekord für Österreich – verkauft wurde das Bild wohl dennoch unter den Erwartungen.

Das Medieninteresse im Vorfeld war groß: Von der „New York Times“ bis zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wurde in den vergangenen Tagen über die Versteigerung berichtet. Zudem sorgten die Bilder von Klimt (1862–1918) in den vergangenen Jahren immer wieder für Rekorde. Allein aus Gründen wie diesen wurde für Klimts „Bildnis Fräulein Lieser“ im Vorfeld ein Erlös von 70 Millionen und mehr für denkbar gehalten. Der vom Auktionshaus angebene Schätzwert lag zwischen 30 und 50 Millionen.

Auktionator Michael Kovacek hatte bei 28 Millionen Euro begonnen, bekam aber insgesamt nur drei Gebote. Den Zuschlag erhielt nur wenige Minuten nach dem Aufruf eine Person im Saal, die nach Angaben des Auktionshauses für einen Auftraggeber aus Hongkong das Werk ersteigerte.

„Bildnis Fraulein Lieser“ im Auktionshaus
Reuiters/Leonhard Foeger
Der Zuschlag ging an einen Bieter im Saal

„Überglücklich“

Das reichte für einen neuen Rekord für das Auktionshaus im Kinsky und einen Auktionsrekord für Österreich. Bisher war das Gemälde „Der Mensch, der sich zwischen Tugenden und Lastern entscheiden muss“ von Frans Francken II. das teuerste je in Österreich versteigerte Bild. Es wurde 2010 im Dorotheum um 7.022.300 Euro verkauft.

„Wir sind natürlich überglücklich über das Ergebnis, aber nicht wirklich überrascht, denn das Ergebnis entspricht internationalen Standards“, teilte Claudia Mörth-Gasser, zuständige Expertin des Auktionshauses für die Arbeiten Gustav Klimts, nach der Versteigerung per Aussendung mit.

„Bildnis Fräulein Lieser“ versteigert

Das auf 1917 datierte „Bildnis Fräulein Lieser“, eines der letzten Gemälde des Jugendstilmalers Gustav Klimt, ist am Mittwoch im Wiener Auktionshaus im Kinsky um 30 Millionen Euro versteigert. Zuvor war das Werk auf einen Wert von 30 bis 50 Millionen Euro geschätzt worden.

Rund 100 Jahre verschollenes Spätwerk

Klimts „Fräulein Lieser“ galt rund 100 Jahre lang als verschollen. „Viele Jahrzehnte lang befand sich dieses bedeutende Kunstwerk im Verborgenen, in österreichischem Privatbesitz“, so das Auktionshaus. Die Fachwelt war zuvor nur eine offenbar aus dem Jahr 1925 stammende Schwarz-Weiß-Fotografie bekannt.

Die Wiederentdeckung sei demnach eine Sensation: „Auf dem internationalen Kunstmarkt spielen Klimts Gemälde in der obersten Liga. Seine Damenporträts stellen bei Auktionen eine große Rarität dar. Seit Jahrzehnten konnte der Kunstmarkt in Mitteleuropa kein Gemälde präsentieren, das in Seltenheit, künstlerischem Rang und Wert vergleichbar gewesen wäre“, wie das Auktionshaus im Kinsky im Vorfeld zur vielfach Versteigerung mitteilte.

„Bildnis Fraulein Lieser“ im Auktionshaus
Reuiters/Leonhard Foeger
Vor der Versteigerung war das erst heuer aufgetauchte Bild auf Welttournee

Die Auktion wurde, beginnend von der weltweit beachteten Präsentation des Bildes im Jänner dieses Jahres, Schritt für Schritt eingeläutet. Vor der Sonderauktion in Wien trat das „Bildnis Fräulein Lieser“ „noch eine Reise um die Welt“ an und war etwa in der Schweiz, in Deutschland, Großbritannien und Hongkong zu sehen.

Die Tage vor der Auktion wurde es schließlich noch in Wien für die Öffentlichkeit ausgestellt. „Aufgrund des großen Interesses“ gibt es nun am 29. und 30. April sowie 2. und 3. Mai noch einmal die Möglichkeit, das Gemälde im Kinsky zu sehen.

Wer ist die Porträtierte?

Das 140 mal 80 cm große und unsignierte Bild zählt zu Klimts Spätwerk. Konkret dürfte Klimt im Mai 1917 mit dem Bild begonnen haben, wie der gut dokumentierte Schaffensprozess nahelegt. Beauftragt wurde das Gemälde von einem Mitglied der jüdischen Industriellenfamilie Lieser.

Nicht vollständig gesichert ist, ob es sich bei der in offenbar neun Sitzungen Porträtierten um Helene oder Annie Lieser, eine der beiden Töchter der Kunstmäzenin Henriette Lieser, oder um ihre Nichte Margarethe Constance Lieser, Tochter von Adolf Lieser, handelt.

Es seien 25 Vorstudien entstanden, so das Auktionshaus. Als der Maler im Februar 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war das Werk in geringen Teilen nicht vollendet. „Die Tatsache, dass dieses Bild nicht von Klimt signiert wurde, zeigt, dass er selbst das Porträt noch nicht als fertiggestellt ansah“, heißt es in der Werkbeschreibung.

Vermutlich 1925 in Wien ausgestellt

Die jetzigen Besitzer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden, hieß es seitens des Auktionshauses im Kinsky. Öffentlich gezeigt wurde das Porträt einer jungen Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund, wobei um ihre Schultern ein mit reichlich Blumendekor ausgestatteter Schal liegt, vermutlich 1925 bei einer Wiener Kunstausstellung.

Zwischen 1925 und den 1960er Jahren ist sein genaues Schicksal ungeklärt – und damit auch der Verbleib während der Zeit des Nationalsozialismus. Die Familie Lieser wurde in der NS-Zeit wegen ihrer jüdischen Abstammung verfolgt. Laut dem Auktionshaus liegen nach intensiver Recherche keine Beweise vor, dass das Gemälde damals beschlagnahmt wurde. „Umgekehrt wurden aber auch keine Beweise gefunden, dass das Gemälde in der Zeit zwischen 1938 und 1945 nicht geraubt wurde.“

Erlös wird aufgeteilt

Infolge der Lücken in der Provenienz des Bildes soll der Erlös auf Basis einer Vereinbarung nach den sogenannten „Washington Principles“ unter mehreren möglichen Rechtsnachfolgern aufgeteilt werden.

Hier liegt nach Angaben des Auktionshauses im Kinsky auch der Grund, warum das weltweit für Aufsehen sorgende Bild nicht in London oder New York versteigert wurde. Das ungleich kleinere Wiener Auktionshaus habe demnach nicht nur eine langjährige Erfahrung mit Werken Klimts, sondern auch im Umgang mit Raubkunstfällen.

„Buchenwald“ und „Goldene Adele“

Auch wenn das nun verkaufte Bild für das Auktionshaus einen neuen Rekord darstellt – für Werke von Klimt wurde bereits weit mehr bezahlt. So erzielte Klimts Gemälde „Dame mit Fächer“ im Juni 2023 bei einer Auktion von Sotheby’s in London mit 74 Mio. Pfund Hammerpreis respektive 85,305 Mio. Pfund (rund 99,33 Mio. Euro) inklusive Aufschlägen den bis dato höchsten Preis für ein in Europa versteigertes Kunstwerk.

Den Versteigerungsrekord für Klimt hält derzeit das aus der umfangreichen Kollektion des 2018 verstorbenen Microsoft-Mitbegründers Paul Allen stammende Gemälde „Buchenwald“, das im November 2022 bei Christie’s in New York für 105 Millionen Dollar (104,6 Mio. Euro) zugeschlagen wurde.

„Adele Bloch-Bauer II“ in der National Gallery in London
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„Adele Bloch-Bauer II“ in der National Gallery in London

Es ist eines der fünf Gemälde, um die die Republik Österreich einen langen Restitutionsstreit gegen die Erben der Familie Bloch-Bauer geführt hatte und das 2006 an die Erben um Maria Altmann restituiert wurde. Unter ihnen war auch das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“, die „Goldene Adele“, die zu einem Preis von 135 Mio. Dollar als damals weltweit teuerstes Gemälde außerhalb einer Versteigerung an Ronald Lauder ging.

Das Porträt „Adele Bloch-Bauer II“ wurde 2006 von US-Medienstar Oprah Winfrey bei Christie’s in New York für 87,9 Mio. Dollar ersteigert und über zehn Jahre später um 150 Mio. Dollar an einen chinesischen Sammler weiterverkauft.