Das Gebäude des Slowakischen Rundfunks in Bratislava
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Slowakei

Regierung sichert sich Zugriff auf Rundfunk

Die slowakische Regierung unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico treibt die Auflösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt RTVS voran. Am Mittwoch nahm das Kabinett den diesbezüglichen Gesetzesvorschlag an, zustimmen muss noch das Parlament. Nicht nur die Opposition sieht in dem Schritt den Versuch, einen willfährigen Staatssender zu schaffen.

Mehrere Nichtregierungsorganisationen kündigten Briefe an die EU-Kommission und das EU-Parlament an, um Schützenhilfe aus Brüssel gegen die Regierungspläne zu erhalten. Schon Mitte März hatten Zehntausende Menschen in den beiden größten Städten Bratislava und Kosice gegen die drohende RTVS-Auflösung protestiert.

Auch Präsidentin Zuzana Caputova, deren Amtszeit im Juni endet, kritisierte das Vorhaben. Die Europäische Rundfunkunion (EBU), eine Gruppe öffentlich-rechtlicher Medien, erklärte, der Gesetzesentwurf ersetze faktisch „eine angesehene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt“ und stelle eine Bedrohung ihrer Unabhängigkeit dar.

Demonstration in Bratislava
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Proteste gegen die Zerschlagung von RTVS Ende März in Bratislava

Der slowakische Politikwissenschaftler Radoslav Stefancik forderte im Ö1-Mittagsjournal die EU auf, tätig zu werden, schließlich gehe es um nichts Geringeres, als die Berichterstattung des slowakischen Fernsehens und Rundfunks zu manipulieren. „Die EU hat sehr spät auf die innenpolitische Situation in Ungarn reagiert, und ich würde sagen, diesen Fehlschritt sollte die EU nicht wiederholen.“

EU will Entwicklung „genau verfolgen“

Gegenüber ORF.at hieß es aus der EU-Kommission, dass der slowakische Gesetzesentwurf analysiert und die Entwicklung genau verfolgt werde: „Die öffentlich-rechtlichen Medien spielen eine wichtige Rolle für die Demokratie. Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen niemals zu staatlichen Sendern gemacht werden. Aus diesem Grund haben wir im Medienfreiheitsgesetz starke Garantien für die Unabhängigkeit und stabile Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien vorgeschlagen.“ Die Entwicklungen in der Slowakei würden sich zudem im nächsten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2024 niederschlagen.

Fico, der 2023 nach mehreren Jahren in der Opposition zum vierten Mal Premierminister wurde, wettert seit Langem gegen kritische Medien. „Die Situation bei RTVS ist unhaltbar“, sagte der Premier am Mittwoch. Fernsehen und Radio könnten nicht objektiv sein, „weil sie mit der slowakischen Regierung im Streit liegt. Das grundlegende Menschenrecht der slowakischen Bürger, über objektive Informationen zu verfügen, wird verletzt.“

Slowakei: Regierung will Rundfunk zerschlagen

Im Nachbarland Slowakei will die Regierung den öffentlich-rechtlichen Sender RTVS auflösen. Das Vorhaben sorgt für viel Kritik. Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspolitiker, Journalistinnen und Journalisten und Analysten werfen der Regierung vor, einen Propagandasender installieren zu wollen, weil der Sender „zu kritisch“ sei.

Kulturministerin klagt über Voreingenommenheit

Auch Kulturministerin Martina Simkovicova, die zuvor für ein Medienunternehmen gearbeitet hat, das für die Verbreitung von Verschwörungstheorien bekannt ist, hatte die RTVS-Führung wiederholt als gegen sie voreingenommen kritisiert und beklagt, dass die Anstalt nur Mainstream-Meinungen zulasse.

Absetzen konnte die Regierung den für eine Funktionsperiode bis 2027 gewählten Generaldirektor und sein Team aufgrund der bestehenden Gesetzeslage aber nicht. Dieses Hindernis will die Regierung damit umgehen, dass sie mit ihrem neuen Gesetz RTVS einfach auflöst und durch eine neue Sendeanstalt namens STVR (Slowakisches Fernsehen und Radio) ersetzt.

Die slovakische Kulturministerin Martina Simkovicova
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Simkovicova ist als Kulturministerin nicht erst seit dem neuen Gesetzesentwurf umstritten

Das Gesetz sieht auch Änderungen bei der Bestellung und Entlassung des Generaldirektors vor. Künftig wird ein neunköpfiger Rat für die Besetzung der Direktorenstelle zuständig sein, vier Mitglieder werden von der Regierung bestellt, die übrigen sollen vom Parlament ernannte Fachleute sein. Den endgültigen Beschluss kann nur das Parlament fassen, in dem die Regierungsparteien aber eine ausreichende Mehrheit haben. Fico sagte, er rechne im Juni damit.

Lektionen aus dem „Autokratenhandbuch“

Auf die zunächst ebenfalls geplante Schaffung eines von Regierung und Parlament kontrollierten Programmrats, der direkten Einfluss auf Inhalte von Radio und Fernsehen nehmen hätte können, verzichtet der überarbeitete Gesetzesvorschlag. Für Beruhigung sorgt das aber nicht: „Ministerpräsident Fico hat beschlossen, unabhängigen Medien den Kampf zu erklären“, sagte der Chef von Reporter ohne Grenzen für den Raum Europa und Zentralasien, Pavol Szalai.

Michal Simecka, Vorsitzender der Progressiven Slowakei, der größten Oppositionspartei des Landes, sagte, die Regierung bediene sich mit ihrer Einmischung in die staatlichen Institutionen eines „Autokratenhandbuchs“. Ficos Regierung hatte zuvor bereits eine Sonderstaatsanwaltschaft geschlossen, die sich mit Korruption auf höchster Ebene befasst, sowie die Leiter der Polizei und des Geheimdienstes ausgetauscht. Die staatliche Militärhilfe an das Nachbarland Ukraine zur Verteidigung gegen Russland ließ er stoppen.

Rundfunk auch in Italien in Bedrängnis

Zweifel an der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehren sich indessen auch in Italien. Journalistinnen und Journalisten der RAI wollen aus Protest gegen eine mutmaßliche Einflussnahme der rechten Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in den Streik treten. Die Gewerkschaft USIGRAI rief am Donnerstag zu einer 24-stündigen Arbeitsniederlegung am 6. und 7. Mai auf, nachdem Gespräche mit der Rundfunkleitung ihre Bedenken nicht ausgeräumt hätten. Der Hauptgrund für den Streik sei „die erstickende Kontrolle der journalistischen Arbeit“ und „der Versuch, RAI auf ein Verlautbarungsorgan der Regierung zu reduzieren“, teilte die Gewerkschaft mit.

Zudem sorgte ein Anruf des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama, der Meloni nahesteht, bei einem RAI-Chefredakteur für Kritik. Rama wollte sich über einen Fernsehbericht beschweren, in dem es um das italienische Vorhaben für den Bau zweier Flüchtlingslager in Albanien ging. Die Sendung hatte über Missmanagement bei dem Projekt und die mögliche Beteiligung von Kriminellen berichtet. Rama bestätigte den Anruf laut einem Bericht der italienischen Zeitung „La Stampa“. Er habe sich beschweren wollen, weil der Beitrag „tendenziös“ gewesen sei und „Lügen“ verbreitet habe.