Harvey Weinstein auf dem Weg zum Gericht in New York 2020
AP/Seth Wenig
Verfahrensfehler

Gericht hebt Urteil gegen Weinstein auf

Der Oberste Gerichtshof von New York hat das Vergewaltigungsurteil gegen den früheren Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein aufgehoben und eine Neuverhandlung angeordnet. Zur Begründung verwiesen die Richter am Donnerstag auf Verfahrensfehler während des Prozesses. Weinstein war 2020 in New York wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden.

So seien Frauen als Zeuginnen zugelassen worden, deren Fälle nicht Gegenstand der Anklage gewesen seien, hieß es vom Supreme Court von New York. „Wir kommen zu dem Schluss, dass das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen über nicht angeklagte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen gegen andere Personen als die Kläger der zugrunde liegenden Straftaten zugelassen hat“, schrieb der zuständige Richter.

Das Berufungsgericht entschied mehrheitlich zudem, dass der Richter den Fehler noch verschlimmert habe, indem er Weinstein einem Kreuzverhör ausgesetzt habe, das ihn in einem „höchst nachteiligen“ Licht dargestellt habe. „Die Abhilfe für diese ungeheuerlichen Fehler ist ein neues Verfahren“, so das Gericht am Donnerstag.

Zeuginnen sollten wiederkehrende Muster belegen

In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben. Tatsächlich stützte sich die Anklage bei dem weltweit beachteten Fall auf eine Reihe von Zeuginnen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, die allerdings nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mit deren Hilfe zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten.

Kohl (ORF): „Schwerer Rückschlag für Opfer von sexueller Gewalt“

ORF-Korrespondent Christoph Kohl spricht unter anderem über das Verfahren gegen Harvey Weinstein, das neu aufgerollt werden muss. Zudem berichtet er, wie die Reaktionen der „#MeToo“-Bewegung waren.

Weinstein wurde daraufhin im Jahr 2020 zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. In einem weiteren Strafprozess in Los Angeles kamen 16 Jahre Gefängnis dazu. Nach Angaben der Zeitung „New York Times“ muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein einleitet. Es blieb am Donnerstag zunächst unklar, welche Auswirkungen die Aufhebung des Urteils auf Weinstein haben wird, der in einem Gefängnis im Bundesstaat New York sitzt. Wegen der Verurteilung in dem zweiten Prozess aus Kalifornien wird er nicht auf freien Fuß kommen.

Knappe Entscheidung

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs fiel mit vier gegen drei Stimmen. Mit diesem Urteil mache das Gericht „die stetigen Fortschritte zunichte, die Überlebende von sexueller Gewalt in unserem Strafjustizsystem erkämpft haben“, schrieb einer der Richter, die gegen die am Donnerstag verkündete Entscheidung gestimmt hatten.

Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Mira Sorvino („Geliebte Aphrodite“) war eine der ersten Frauen, die dem US-Filmproduzenten sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. „Entsetzt!“, schrieb die 56-Jährige auf X (vormals Twitter). „Seit wann lassen Gerichte Beweise für Verhaltensmuster nicht zu, die frühere schlechte Taten belegen?“

Der Prozess hatte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte markiert. Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der „New York Times“ und dem Magazin „New Yorker“ veröffentlicht, waren der Anfang der „#MeToo“-Bewegung. Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Harvey Weinstein beim Verlassen des Gerichts in New York 2020
APA/AFP/Johannes Eisele
Weinstein beim Prozess in New York

Weinsteins Anwälte kämpferisch

Das Anwaltsteam des ehemaligen Filmmoguls reagierte kämpferisch auf die Entscheidung. Arthur Aidala, einer von Weinsteins Anwälten, sagte bei einer Pressekonferenz vor dem Strafgerichtsgebäude von Manhattan, sein Team habe von Anfang an „gewusst, dass Weinstein keinen fairen Prozess bekommen hat“.

Weinstein könne nun vor Gericht zurückkehren und seine Sicht der Dinge darlegen, ohne dass „so viel Ballast“ aus seiner Vergangenheit an die Geschworenen weitergegeben wird, sagte Aidala. „Er brennt darauf, seine Geschichte vom ersten Tag an zu erzählen.“

Weitere Verurteilung 2022

2022 wurde Weinstein in einem weiteren Prozess wegen Sexualverbrechen in Los Angeles schuldig gesprochen, das Strafmaß wurde im Februar 2023 auf 16 Jahre festgelegt. In drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, wurde er schuldig gesprochen. In einem Punkt wurde er freigesprochen, in drei weiteren Punkten gab es keine Einigung.

Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Unter den Klägerinnen war unter anderen Jennifer Siebel, die jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.

Mächtiger Hollywood-Mogul

Der 1952 im New Yorker Stadtteil Queens in eine wohlhabende Familie geborene Weinstein war einst ein reicher und mächtiger Hollywood-Mogul, der mit seiner Firma Erfolgsfilme wie „Der englische Patient“, „Pulp Fiction“, „Good Will Hunting“ und „Gangs of New York“ produzierte und für „Shakespeare in Love“ selbst einen Oscar gewann.