Israelische Soldaten
IMAGO/Israel Defense Forces
Gaza

„Letzte Chance“ für Geiseldeal, Feuerpause

Israel sieht die jüngsten Bemühungen um eine Feuerpause und die Freilassung von Geiseln Medienberichten zufolge als „letzte Chance“. Sollte es nicht bald zu einer Einigung mit der Hamas kommen, werde man mit der angekündigten Bodenoffensive in Rafah beginnen. In den Gesprächen gab es zuletzt offenbar etwas Bewegung.

Seit Wochen wird spekuliert, wann das israelische Militär in Rafah im Süden Gazas einmarschieren wird. Es wurde erwartet, dass der Militäreinsatz mit einer mehrwöchigen Evakuierung der Zivilbevölkerung beginnen dürfte. Inzwischen sollen auch schon Zehntausende Menschen die Stadt verlassen haben.

Zeitweilig hielten sich in Rafah rund 1,5 Millionen der mehr als 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen auf. Mehr als eine Million hatte dort nach Angaben von Hilfsorganisationen im Zuge des Gaza-Krieges Zuflucht gesucht.

Bald aber will Israel nach eigenen Angaben Ernst machen. Es müsse eine Einigung zu den noch verbliebenen israelischen Geiseln und zu einer Feuerpause her, ansonsten werde man in Rafah einmarschieren, hieß es laut übereinstimmenden Berichten des Nachrichtenportals Axios und israelischer Medien unter Berufung auf ranghohe israelische Beamte. Es sei die „letzte Chance“: „Entweder ein Abkommen in naher Zukunft oder Rafah“, wurde ein Beamter zitiert.

Bemühungen um Feuerpause

Die Verhandlungen über eine Feuerpause und eine Übereinkunft zur Freilassung von Geiseln geht weiter, allerdings scheint die Zeit davonzulaufen. Israel drängt die Hamas, es gebe nun die „letzte Chance“.

Außenminister Israel Katz sagte am Samstag zudem, im Fall einer Übereinkunft werde man den Angriff auf Rafah aufschieben. „Die Freilassung der Geiseln hat die höchste Priorität für uns“, sagte Katz dem Fernsehsender Channel 12. Auf die Frage, ob das auch einen Aufschub des Militäreinsatzes umfasse, antwortete Katz: „Ja. Wenn es ein Abkommen gibt, werden wir die Operation aussetzen.“

Fortschritte auf diplomatischem Parkett

In den Verhandlungen gibt es dem Präsidenten des Weltwirtschaftsforums (WEF) zufolge offenbar wieder Bewegung. „Es gibt etwas Bewegung in den Gesprächen über die Geiseln und für einen möglichen Weg aus der Sackgasse, in der wir uns befinden“, sagte Forumspräsident Borge Brende am Samstag in Riad. Dort sind parallel zu einem Wirtschaftsforum am Sonntag und Montag Gespräche geplant, unter anderem zwischen den Außenministern der USA, Großbritanniens, Deutschlands und mehrerer arabischer Länder sowie mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Israel werde nicht teilnehmen, sagte Brende.

Die Hamas erhielt nach eigenen Angaben einen neuen Vorschlag Israels für eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. „Die Hamas wird diesen Vorschlag prüfen und eine Antwort vorlegen“, schrieb der ranghohe Hamas-Funktionär Chalil al-Haja in einer am Samstag auf Telegram verbreiteten Mitteilung.

Druck aus Kairo

Laut verschiedenen Medien will Ägypten nun Druck auf die Hamas ausüben, um eine Einigung herbeizuführen. Es seien bei den Gesprächen Fortschritte erzielt worden, schrieb die „Times of Israel“. Zuvor hatte auch der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News von erheblichen Fortschritten berichtet. Die Ägypter seien sich der Dringlichkeit bewusst, schrieb Axios. Die Regierung in Kairo ist besorgt, dass bei einem Einmarsch in Rafah Palästinenser in großer Zahl über die Grenze kommen könnten.

Neues Geiselvideo

Die Hamas veröffentlichte unterdessen erneut ein Geiselvideo. Darin sprechen sich zwei aus Israel entführte Männer für einen Deal zwischen der Hamas und der israelischen Regierung aus, der die Freilassung der Geiseln vorsieht. Die Aufnahme ist nicht datiert. Einer der Männer sagte darin, dass er sich seit 202 Tagen in Gefangenschaft befinde. Unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob die beiden Männer aus freien Stücken oder unter Druck und Drohungen sprachen, war zunächst unklar.

Die zweite Geisel – ein Mann, der israelischen Medien zufolge auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt – rief in dem Video dazu auf, die Demonstrationen für die Freilassung der aus Israel Verschleppten in den Städten Tel Aviv und Jerusalem fortzuführen.

In Israel selbst demonstrierten am Samstag erneut landesweit Tausende für die Freilassung der Geiseln. In Tel Aviv forderten die Menschen auch den Rücktritt des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu. Auch in der Küstenstadt Haifa sowie vor einem Privathaus von Netanjahu in der Stadt Caesarea protestierten israelischen Medien zufolge jeweils Hunderte. In Jerusalem zogen Tausende auf die Straße.

Tote nach israelischem Beschuss im Libanon

Palästinensische Medien berichteten indes von israelischen Luftangriffen im Raum Rafah, Chan Junis und im Zentrum Gazas. Es gebe Todesopfer. Eine offizielle Bestätigung Israels dafür gab es zunächst nicht.

Zudem wurden bei einem israelischen Drohnenangriff im Libanon nach libanesischen Angaben am Freitag mindestens zwei Menschen getötet. Das israelische Militär zielte auf ein Auto im Osten des Libanon, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur NNA.

Die libanesische Hisbollah-Miliz attackierte wiederum am Samstag nach eigenen Angaben den Norden Israels mit Drohnen und Lenkraketen. Der Angriff habe sich gegen das Hauptquartier des Al-Manara-Militärkommandos gerichtet.