Demonstranten unter EU-Flagge
Reuters/Irakli Gedenidze
Proteste in Georgien

Demonstranten kämpfen für Westkurs

Auch Sonntagabend sind wieder Zehntausende Georgier und Georgierinnen gegen das von der Regierung geplante Gesetz gegen „ausländische Agenten“ auf die Straße gegangen. Das Gesetz, das laut der prowestlichen Präsidentin Salome Surabischwili „exakt“ einem russischen Gesetz entspricht, mit dem dort Druck auf Medien und NGOs ausgeübt wird, spaltet das Land. Die Opposition kämpft um den Erhalt der EU-Perspektive und eine Westorientierung. Es ist zugleich ein Ringen um Einfluss zwischen Russland und dem Westen.

Rund 20.000 Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich am Sonntag mit georgischen und EU-Fahnen in der Hauptstadt Tiflis, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Kundgebung war von einem breiten Bündnis aus Oppositionsparteien und Menschenrechtsgruppen organisiert worden. Seit Anfang April gibt es immer wieder Massenproteste.

Die Demonstranten kamen zunächst auf dem Platz der Republik zusammen und starteten dann einen „Marsch für Europa“ in Richtung des Parlaments. Die Polizei setzte laut der von den USA betriebenen Website Radio Free Europe Tränengas und Pfeffespray ein, als einige Demonstranten den Polizeikordon durchbrachen.

Letztes Jahr wegen Protesten gescheitert

Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte Anfang April angekündigt, den vor einem Jahr nach Massenprotesten mit Zehntausenden Teilnehmern zurückgezogenen Gesetzesentwurf in leicht geänderter Fassung erneut zur Abstimmung zu bringen. Mitte April wurde die Vorlage in erster Lesung angenommen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, behördlich registrieren lassen müssen. Kritikerinnen und Kritiker sehen Parallelen zum Gesetz gegen „ausländische Agenten“ in Russland, das es den dortigen Behörden erlaubt, hart gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen.

Demonstranten auf Straße
Reuters/Irakli Gedenidze
Proteste Sonntagabend in der Hauptstadt Tiflis

Warnungen der EU und USA

Das neue Gesetzesvorhaben löste erneut Massenproteste in der früheren Sowjetrepublik aus. Auch die EU forderte Tiflis auf, das Gesetz fallen zu lassen. Das Land ist seit Dezember offiziell EU-Beitrittskandidat. EU-Vertreter hatten angedeutet, dass ein Beschluss des Gesetzes den EU-Ambitionen schaden würde.

Eine überparteiliche Gruppe von US-Senatorinnen und -Senatoren warnte den georgischen Regierungschef Irakli Kobachidse laut Radio Free Europe am Freitag in einem Schreiben, dass der Beschluss des „an Russland angelehnten“ Gesetzes die US-Politik gegenüber Tiflis verändern könnte. Die Senatoren zeigten sich wörtlich „zunehmend besorgt, dass die transatlantischen Bestrebungen Georgiens unterminiert werden“.

Georgien: Demo gegen Gesetzesentwurf

Zehntausende Georgier sind gegen ein geplante Gesetz gegen „ausländische Agenten“ auf die Straße gegangen. Das Gesetz, das laut der prowestlichen Präsidentin Salome Surabischwili „exakt“ einem russischen Gesetz entspricht, mit dem dort Druck auf Medien und NGOs ausgeübt wird, spaltet das Land.

Dauerkonflikt mit Russland

Georgien ist seit seiner Unabhängigkeit 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ständigem Druck Moskaus ausgesetzt. Seit dem fünftägigen Kaukasus-Krieg im Jahr 2008 befinden sich russische Truppen in den völkerrechtlich zu Georgien gehörenden autonomen Regionen Abchasien und Südossetien. Moskau erkannte beide Landesteile als eigenständige Staaten an.

Auch innenpolitisch ist das Land zwischen prorussischen und prowestlichen Kräften gespalten. Nach der russischen Invasion in der Ukraine flüchteten Zehntausende wehrpflichtige Russen nach Georgien. Aktuell ist auch ein weltweites neues Wettrennen zwischen Russland und dem Westen um Einflusssphären im Gange.

Veto der Präsidentin nur mit aufschiebender Wirkung

Der Gesetzesentwurf muss noch in zweiter und dritter Lesung vom Parlament verabschiedet werden. Die dritte Abstimmung ist derzeit für den 17. Mai geplant. Zwar will die proeuropäische Präsidentin Surabischwili ihr Veto einlegen, doch verfügen die regierungstreuen Abgeordneten im Parlament über eine ausreichende Mehrheit, um das Veto der Präsidentin zu überstimmen.

Der Fraktionschef der Regierungspartei Georgischer Traum, Mamuka Mdinaradse, hatte Anfang April den neuen Versuch, das Gesetz nach dem Scheitern im Vorjahr einzubringen, angekündigt. Es würde NGOs und Medien, die Geld aus dem Ausland erhalten und „politisch“ aktiv sind – wobei das im Gesetz sehr breit definiert ist –, ihre Tätigkeit weitgehender behördlicher Kontrolle und Aufsicht unterwerfen.

Vertretern der Organisationen drohen bei Verstößen strafrechtliche Konsequenzen. Dabei sind die Delikte nicht definiert. Laut Regierungspartei soll das Gesetz die Transparenz in der Politik erhöhen. Gegner vermuten dagegen, dass die Opposition und missliebige NGOs und Medien damit kontrolliert werden sollen.