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Neue EU-Schuldenregeln

Etliche Länder bleiben Defizitsünder

Nach langem Gezerre haben die EU-Staaten am Montag die Reform der Schuldenregeln fixiert. Damit soll die Verringerung der Schulden, die sich durch Pandemie und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine anhäuften, vorangetrieben werden. Doch gegen einige Mitgliedsstaaten dürften bald wieder Defizitverfahren eingeleitet werden.

Der Ministerrat der EU-Staaten nahm am Montag in Luxemburg Reformpläne für den Stabilitäts- und Wachstumspakt abschließend an, wie zunächst die dpa erfuhr. In den kommenden Tagen soll das Regelwerk im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt schreibt den Staaten unter anderem Obergrenzen für Schulden vor.

An den grundsätzlichen Regeln – das gesamtstaatliche Budgetdefizit soll nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, der Schuldenstand darf nicht höher als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung sein – ändert sich nichts.

Mehr Strenge, aber auch Flexibilität

Es sollen aber künftig klare Mindestanforderungen dafür gelten, wie verschuldete Länder ihre Schulden senken. Gleichzeitig soll bei EU-Zielvorgaben die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden, etwa durch verlängerte Fristen. Das soll den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum und Zeit bei der Konsolidierung ihrer Budgets lassen.

Das könnte auch nötig werden, denn ab diesem Frühjahr sollen die in der Pandemie ausgesetzten Defizitverfahren wiedereröffnet werden können. Nach jüngsten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat brachen mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenzen, die „Financial Times“ schrieb am Montag von elf Ländern.

Defizitverfahren drohen wieder

Die EU-Kommission wolle im Juni darüber entscheiden, ob jeweils Verfahren eröffnet werden. Frankreich, Italien und Belgien seien sehr wahrscheinlich unter den Verfahrenskandidaten, da sie ihre Schuldenquote wohl auch in den kommenden Jahren nicht deutlich reduzieren werden können.

„Es könnte Grenzfälle geben“, wurde Handelskommissar Valdis Dombrovskis von der Zeitung zitiert. Gebe es ein Land, dessen Defizit vorübergehend nahe drei Prozent liege, könne die EU-Kommission auch kulant sein und kein Verfahren einleiten.

Widerstrebende Interessen

Die bisherigen Schuldenregeln stammten aus den 1990er Jahren, sie wurden als zu kompliziert und zu streng angesehen. Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Pandemie sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ohnehin ganz ausgesetzt. Doch solide öffentliche Finanzen gelten als wichtige Voraussetzung für die Stabilität in der EU und im Euro-Raum.

Fixe Reduktionsziele

Erstmals sind verpflichtende Schuldenreduktionsziele vorgesehen: Länder mit über 60 Prozent Verschuldung müssen ihre Schulden um mindestens 0,5 Prozent jährlich reduzieren, Länder über 90 Prozent um mindestens 1,0 Prozent.

Die Reform war unter den EU-Staaten umstritten: Während Österreich, Deutschland und nordische Länder, die sich als sparsam (frugal) bezeichnen, auf mehr Strenge pochten, forderten südliche Staaten mehr Flexibilität und Möglichkeiten für Ausnahmen. Zuletzt forderten das auch die östlichen Staaten, die nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hohe Beträge für Militär und Aufrüstung ausgaben. Polens Defizit etwa lag im Vorjahr bei fünf Prozent, doch rund 3,9 Prozent des BIP flossen in die Verteidigung. Ohne diese Ausgaben läge Polen nicht über der Grenze.

„Das ist eine außergewöhnliche Situation, die bei der Beurteilung berücksichtigt werden sollte, und die neuen EU-Haushaltsregeln sind darauf ausgelegt“, so Polens Finanzminister Andrzej Domanski gegenüber der „Financial Times“.

Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) begrüßte am Freitag die Reform. „Im Kern bringen die neuen Regeln einerseits klare Zielvorgaben und andererseits Flexibilität für kurzfristige Abweichungen bei gleichzeitiger langfristiger Schuldenreduktion“, so Brunner zur APA.