Indonesien ist das viertbevölkerungsreichste Land der Welt, mehr als 30 Millionen Menschen leben derzeit in Jakarta auf der Insel Java, die Infrastruktur ist hoffnungslos überlastet, dazu kommen der sinkende Boden und der steigende Meeresspiegel. Fachleute schätzen, dass bereits 2050 ein Drittel der Stadt überflutet sein könnte.
„Was macht ein Land, wenn seine überfüllte, verschmutzte Hauptstadt im Meer versinkt? Es baut eine neue“, schrieb „Newsweek“ und verwies auf aktuelle Satellitenbilder der Retortenstadt. Auf diesen ist der Baufortschritt bereits eindeutig zu sehen. Zeigen jene Aufnahmen von April 2022 noch weite grüne Fläche, können zwei Jahre später schon eindeutig Straßennetze und erste Anzeichen von Gebäuden ausgemacht werden.
Umzug noch dieses Jahr
Rund zwei Millionen Menschen sollen eines Tages dort leben. Bereits bis Ende des Jahres sollen die ersten Bereiche der Regierung und Verwaltung von Jakarta in die neue Hauptstadt Nusantara verlegt werden, so der Plan. Tausende Regierungsangestellte sollen in der ersten Phase bis Oktober umziehen, schrieb „Newsweek“.
Das Regierungszentrum umfasse einen Präsidentenpalast, Regierungsbüros und die Infrastruktur für die ersten Beamten, hieß es weiter. Mit der finalen Fertigstellung der neuen Hauptstadt wird allerdings nicht vor 2045 gerechnet. Auch die Finanzierung des Megaprojekts ist noch nicht endgültig abgeschlossen, fehlen doch noch große Investoren. Insgesamt wird die Investitionssumme des Projekts auf bis zu 38 Milliarden Dollar geschätzt – rund ein Fünftel davon zahle das wirtschaftliche stabile und rohstoffreiche Land aus der eigenen Staatskasse.
Jakarta als Shoppinghauptstadt?
Was mit den leeren Regierungsbüros nach der Umsiedelung passieren solle, war bisher noch offen. Laut einem Bericht des Newsportals Katadata schlug der indonesische Einzelhändlerverband Hippindo der Provinzregierung von Jakarta vor, diese zu Einkaufszentren umzugestalten. So könne Jakarta eine „internationale Handelsstadt“ werden.
„Ehemalige Ministerialbüros können als Handelsvertretungsbüros oder Einkaufszentren genutzt werden“, sagte der Vorsitzende von Hippindo, Budihardjo Iduansjah, im Industrieministerium in Jakarta. Doch Jakarta könne nicht nur eine Einkaufsstadt sein, sondern auch eine Stadt des Tourismus, des Handels und der Ausstellungen, so Iduansjah.
Kritik von Umweltschützern
Nusantara, was so viel bedeutet wie „Archipel“, soll, so die Idee, gleich in vielerlei Hinsicht neu werden – nicht zuletzt auch grün, nachhaltig und klimafreundlich.
Eine Stadt, mitten in Regenwald, auf der Basis von erneuerbaren Energien und mit vielen öffentlichen Verkehrsmitteln, so die Vision des amtierenden Präsidenten und ehemaligen Bürgermeisters Jakartas, Joko Widodo. Er gilt als „Mastermind“ des Projekts.
Doch Kritik am Bau kommt vor allem von Umweltschützerinnen und Umweltschützern. Sie befürchten, dass wertvolle Ökosysteme zerstört werden könnten. Auch der „Spiegel“ schrieb nach einem Lokalaugenschein: „Die Insel ist jetzt schon bekannt für die Umweltzerstörung, die dort seit Jahrzehnten stattfand.“ Fast die Hälfte des ursprünglichen Dschungels sei bereits gerodet worden, wie Naturschützer schätzen würden.
Nahe der Baustelle lägen zudem riesige Kohleminen. „60 Prozent der indonesischen Kohleexporte stammen von Borneo. Viele Kritiker fürchten, die neue Stadt zerstöre die Natur nur noch weiter, weil massiv Wald abgeholzt wird, um Beton hinzustellen.“
Architekt äußert Zweifel
Die Architekten wiesen die Kritik jedoch als falsch zurück – wenn man sich an die Pläne hielte, würde mit dem Bau der Stadt sogar natürlicher Dschungel aufgeforstet werden, so das Argument. Doch selbst der Architekt und Designer der Stadt, Sibarani Sofian, sei unsicher, ob er eines Tages nach Nusantara ziehen werde, hieß es in dem Artikel.
Und weiter: „Auch er weiß nicht, ob das Herz Indonesiens je woanders liegen wird als in Jakarta.“ Wenn nicht bald ausreichend Investoren gefunden würden, sei es möglich, dass Nusantara am Ende nicht mehr sein werde als „ein Resort aus Regierungsgebäuden im Dschungel“.