Polizistin vor dem Song Contest Dorf in Malmö
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Song Contest

Zwischen ABBA-Party und Israel-Aufregung

Am Dienstag startet der Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö, und das Starterfeld verspricht heuer wieder besonders viel Partymusik und eine große Show zum 50-Jahre-Jubiläum von ABBAs „Waterloo“-Sieg. Überschattet wird der – laut Eigendefinition streng unpolitische – Bewerb vom Krieg in Gaza.

„United by Music“ lautet das heurige Motto des Bewerbs – und in Schweden feierte man schon lange auf den 68. Song Contest hin, markiert er doch das 50-Jahre-Jubiläum des vielleicht bekanntesten Song-Contest-Titels überhaupt: 1974 hatten ABBA mit „Waterloo“ den Bewerb im englischen Brighton zum ersten Mal für Schweden gewonnen. Praktischerweise holte Loreen im Vorjahr mit „Tattoo“ den siebenten Sieg für das Land, dem großen ABBA-Heimspiel sollte also nichts mehr im Wege stehen.

Doch dann kamen der Terrorangriff der Hamas und die Reaktion Israels darauf: Nach dem harten Vorgehen Israels im Gazastreifen wurden – vor allem in Skandinavien – Stimmen laut, Israel vom diesjährigen Wettbewerb auszuschließen.

Die Europäischen Rundfunkunion (EBU) als Veranstalter wies das zurück, schritt aber ein, weil der geplante israelische Beitrag „October Rain“ zu deutlich auf den Hamas-Angriff am 7. Oktober verwies. Nach wochenlangem Gezerre, bei dem es schon so aussah, als ob Israel seine Teilnahme absagen würde, einigte man sich dann doch auf eine Lösung. Der Song von Sängerin Eden Golan wurde nach Intervention von Israels Staatspräsident Jizchak Herzog auf „Hurricane“ umgetextet.

Sichtbares Sicherheitsaufgebot

Doch auch angesichts der propalästinensischen Proteste in den USA und nun auch in Europa wappnet sich Schweden für den Ernstfall: Schwerbewaffnete Polizisten werden am Rande des Bewerbs ein sichtbares Zeichen für die erhöhte Vorsicht der Einsatzkräfte sein. „Sie werden Polizisten sehen, die mit den üblichen Waffen ausgestattet sind, aber auch mit schwereren Waffen“, sagte Polizeichefin Petra Stenkulla.

Banner mit einen Boykottaufruf wegen der Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest bei einer 1.-Mai-Kundgebung in Malmö
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Schon in der Woche vor dem Song Contest ist in Malmö gegen die Teilnahme Israels protestiert worden

Mehrere Demonstrationen – darunter auch proisraelische – sind in Malmö in dieser Woche angemeldet. Israel verschärfte wegen „glaubwürdiger Befürchtungen“ möglicher Angriffe auf Israelis seine Reisewarnstufe. Israelis, die einen Besuch in Malmö planen, werde nahegelegt, das noch einmal zu überdenken.

Kroatien und Schweiz als Favoriten

Musikalisch deutet heuer alles auf einen Zweikampf um den Sieg hin, von Ländern, die in der Song-Contest-Geschichte noch nie oder schon lange nicht mehr ganz oben waren: Bei den Buchmachern führt derzeit der kroatische Beitrag von Baby Lasagna. „Rim Tim Tagi Dim“ ist eine explosive Mischung aus Rock, Rap und traditionellen Klängen zum Thema Landflucht.

Baby Lasagna führte früh die Favoritenliste an, wurde dann aber von der Schweiz vorübergehend abgelöst. Auch Nemos „The Code“ wandelt mit eingängigem Refrain zwischen Rap, Operngesang und Pop. Schwer vorstellbar, dass der Sieg nicht zwischen den beiden Ländern ausgeschnapst wird.

Lustige Finnen

Die ersten Herauforderinnen kommen aus Ländern, die stets Qualitätsarbeit zum Song Contest schicken. In Italien hat Angelina Mango mit „La noia“ das Sanremo-Festival gewonnen, der eingängige Song wird wohl Jurys und Publikum gleichermaßen begeistern. Und für die Ukraine haben Sängerin Jerry Heil und die bekannte Rapperin Alyona Alyona mit „Teresa & Maria“ einen Ohrwurm in Malmö im Gepäck.

Gastgeber und Dauerfavorit Schweden schickt die norwegischen Brüder Marcus & Martinus ins Rennen, die sich allerdings heuer keine großen Chancen auf eine Titelverteidigung ausrechnen können. Für die Spaßfraktion sind heuer Finnland, das Duo (!) Windows95man mit „No Rules!“, und der einschlägig bekannte Niederländer Joost Klein mit „Europapa“ unterwegs.

Die Bühne des Eurovision Song Contest in Malmö
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Die Bühne hat die Form eines Kreuzes. Spektakuläres verheißen bewegliche LED-Würfel und Leuchtböden.

Für den wahrscheinlich größten Wirbel im eigenen Land, inklusive Politdebatte, sorgte der heurige spanische Beitrag. Völlig überraschend setzte sich beim nationalen Vorentscheid – dem Benidorm-Festival – das Duo Nebulossa durch. Mit ihrem Song „Zorra“ (wörtlich: Füchsin, umgangssprachlich: Schlampe) traf das Mittfünfzigerehepaar einen Nerv und wird seitdem von den einen als Helden der LGTBQ- und Feminismusbewegung gefeiert und den anderen als frauenfeindlich beschimpft. Echte Chancen werden ihnen keine eingerechnet, gut möglich aber, dass sich Nebulossa als Sieger der Herzen in Malmö positionieren.

Kaleen startet am Donnerstag

Die Fahne Österreichs hält Kaleen hoch, mit „We Will Rave“ geht sie am Donnerstag mit Starternummer sechs ins Rennen. Der für Österreich eher ungewöhnliche Eurodance-Track setzt vor allem auf das tanzwütige Publikum und findet dort – glaubt man Buchmachern und Blogs – recht viele Fans. Vor allem von Kaleens Tanzperformance wird viel erwartet. Auch wenn das zweite Semifinale heuer das tendenziell besser besetzte ist, sollte einer Finalteilnahme wenig im Weg stehen.

Luxemburg-Comeback nach 31 Jahren

Mit 37 Nationen wird der Tiefstand an Teilnehmern aus dem Vorjahr wiederholt. Russland ist wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine nicht dabei, ebenso wie Belarus. Ungarn setzt wie Bosnien-Herzegowina und die Slowakei schon seit Jahren aus. Bulgarien, Montenegro und Nordmazedonien waren schon im Vorjahr nicht dabei. Rumänien sagte die Teilnahme heuer aus Kostengründen ab, dafür feiert der fünffache Sieger Luxemburg nach 31 Jahren ein Comeback.

„Big Five“ und Gastgeber bekommen mehr Zeit

Auch ein paar Neuerungen im Regelwerk gibt es: Die fünf Großen im Reigen, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien, dürfen ihre Songs im Rahmen der Semifinale ganz und nicht nur in Ausschnitten wie früher präsentieren. Verlängert wurden die Abstimmungszeiten, gevotet wird ab dem ersten Auftritt.

Wie im Vorjahr haben die Jurys erst im Finale etwas zu sagen und steuern dort die Hälfte der Punkte bei. In den Semifinalen entscheidet nur das Publikum per Televoting. Und als eigene „Nation“ werden auch die gesammelten Publikumsstimmen aus Ländern gewertet, die nicht am Bewerb teilnehmen.

Liveticker auf ORF.at

Die Semifinale am Dienstag und Donnerstag sind so wie das Finale am Samstag jeweils ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.

In allen ORF-Medien

Wie gewohnt sind alle Shows auf ORF1 mit Moderator Andi Knoll, der heuer auch noch einen Podcast beisteuert, zu sehen, die Semifinale am Dienstag und Donnerstag werden traditionell mit seinem „Mr. Song Contest proudly presents“ eingeläutet. Am Samstag setzen ORF, deutsche ARD und Schweizer SRF wie im Vorjahr aus das gemeinsame Rahmenprogramm „ESC – Der Countdown“ (20.15 Uhr) und „ESC – Die Aftershow“ (0.40 Uhr) mit Barbara Schöneberger.

FM4 wiederholt seinen Überraschungscoup aus dem Vorjahr und schickt den deutschen Satiriker Jan Böhmermann und den Sänger und Schauspieler Olli Schulz nach Malmö, um den Finalabend zu kommentieren. Zu hören ist das Spektakel nicht nur auf FM4, in der ORF-TVthek gibt es auch einen eigenen Stream für das passende Bild zum Ton. Und auf ORF.at werden die Shows mit dem traditionellen multimedialen Liveticker begleitet, dazu gibt es Vor- und Nachschauen auf die Shows.