U-Ausschuss im Parlament
ORF/Lukas Krummholz
„Rot-Blau“-U-Ausschuss

Statt Kickl rückt FPÖ-Graz-Skandal in Fokus

Zwar muss der von der ÖVP eingesetzte U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ zum Finale absagebedingt auf die Befragung von FPÖ-Chef Herbert Kickl verzichten, immerhin soll aber am Dienstag dessen einstiger Kabinettschef im Innenministerium, Reinhard Teufel, Rede und Antwort stehen. Weil aber kurzfristig auch der Chef der Werbeagentur signs – krankheitsbedingt – abgesagt hat, über dessen Befragung Kickl indirekt Thema geworden wäre, wird der Ausschuss den Fokus zunächst auf Graz richten – auf den dortigen FPÖ-Finanzskandal.

Befragt wird mit Alexis Pascuttini einer, der als Gemeinderat aus der Stadt-FPÖ ausgeschlossen wurde. Nach dem Finanzskandal der Grazer Freiheitlichen gründete er mit anderen ehemaligen freiheitlichen Klubmitgliedern einen eigenen Gemeinderatsklub, der Korruptionsfreier Gemeinderatsklub (KFG) genannt wurde. Pascuttini ist dort Klubchef. In den U-Ausschuss geladen wurde Pascuttini von der ÖVP, diese erhofft sich freimütige Ausführungen zu Vorgängen in Pascuttinis ehemaliger Partei in der Vergangenheit.

Zu erzählen gibt es jedenfalls viel, denn die Grazer FPÖ-Finanzcausa beschäftigt seit zwei Jahren die Justiz – doch worum geht es da eigentlich? Kurz nach der Wahlniederlage der Grazer FPÖ bei der Gemeinderatswahl im September 2021 war bekanntgeworden, dass Gelder aus der städtischen Klubförderung offenbar im großen Stil abgezweigt worden waren.

Ex-Finanzreferent übernahm alleinige Verantwortung

Was folgte, war eine Selbstanzeige von FPÖ-Graz-Finanzreferent Matthias Eder, der praktisch alle Schuld auf sich nahm – er allein sei für die Veruntreuung von 700.000 Euro verantwortlich.

Das Rathaus in Graz
ORF/Viviane Koth
Der U-Ausschuss unternimmt einen Ausflug in die Grazer Gemeindepolitik und blickt auf die Vorgänge im Grazer Rathaus

Schwere Vorwürfe

Kurz zuvor hatte die Spitze der Grazer FPÖ ihren Rücktritt erklärt. Und seitdem verlängerte sich die Liste der Verdächtigen. Sowohl kleinere Funktionäre als auch Granden der Stadtpartei stehen unter Verdacht. Die Palette der Vorwürfe ist breit: Sie reicht von Fördermissbrauch über Betrug, Beweismittelunterdrückung, NS-Wiederbetätigung bis hin zur Falschaussage. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt, für alle Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung.

Nach den Rücktritten des früheren Grazer FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio sowie des Ex-FPÖ-Klubchefs Armin Sippel von ihren Funktionen wurden von der Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die beiden eingeleitet. Im Herbst 2022 gab es Hausdurchsuchungen bei allen drei Beschuldigten sowie weiteren Verdächtigen. Alle weisen die Schuld von sich – alle außer jenem Ex-Finanzreferenten, der an allem allein schuld sein will.

„Natürlich war ich da nicht allein“

Eine Darstellung, die vor Kurzem erhebliche Kratzer erhielt. Im Zentrum steht ein Treffen Pascuttinis und anderer KFG-Leute mit Ex-Finanzreferent Eder bei einem Würstelstand auf dem Grazer Hauptplatz Mitte April, über das mehrere Medien – darunter der „Standard“ und das „profil“ – zuletzt berichteten. Eder – der wie gesagt das Bild eines Einzeltäters zeichnete – soll dort gesagt haben: „Natürlich war ichs nicht allein. Wie soll ich allein 700.000 Euro gefladert haben?“

Das Gespräch sei mitgeschnitten worden, um sich bei eventuellen Handgreiflichkeiten durch Eder abzusichern, wurde Pascuttini dann zitiert. Dass Eder „seinen Kopf für andere hinhält“, habe ihn schockiert, so Pascuttini, Eder sei ein „Bauernopfer“. Was folgte, war ein Rückzieher: Eder ließ über seinen Anwalt erklären, dass er an jenem Abend „stark alkoholisiert“ gewesen sei und „alles Mögliche“ gesagt habe, die Version in der Selbstanzeige stimme, „in Bezug auf den Betrag von rund 700.000 Euro“ trage er „die alleinige Verantwortung“.

Dritter Antrag auf Auslieferung Kunaseks

Insgesamt geht um rund 1,8 Mio. Euro an Klubförderung, deren Verwendung bisher nicht geklärt werden konnte. Geld soll demzufolge auch für private Zwecke verwendet worden sein. Und auch die steirische Landes-FPÖ soll in die Causa involviert sein. Erst unlängst hat die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zum dritten Mal einen Auslieferungsantrag gegen FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek gestellt, um gegen ihn ermitteln zu können. Auslöser soll eine Anzeige von Pascuttini sein.

Dabei geht es um die Vorwürfe der „gefährlichen Drohung“ und „Nötigung“, da Pascuttini von Kunasek und dem Landtagsmandatar Stefan Hermann 2022 unter Druck gesetzt worden sein soll, damit der Finanzskandal nicht weiter aufgeklärt werde. Die FPÖ erklärte, weder Anzeige noch Auslieferungsantrag zu kennen. Überhaupt bestreitet Kunasek alle Vorwürfe gegen ihn, dabei soll es um die Nutzung von Geldmitteln für private Zwecke – konkret einen Hausbau – gehen. Auch hierbei gilt die Unschuldsvermutung.

Pascuttini will offen reden

Das Finanzgebaren der Grazer FPÖ hat mit dem Untersuchungsgegenstand und der (für die Behandlung im U-Ausschuss relevanten) Vollziehung des Bundes praktisch nichts zu tun, weshalb das Justizministerium Aktenlieferungen eine Absage erteilte und im U-Ausschuss Fragen dazu von der Verfahrensrichterin oder dem Verfahrensrichter nicht zugelassen werden dürften. Verfahrensrichterin Christa Edwards hatte die Entscheidung über die Zulässigkeit von Fragen zuletzt eher streng ausgelegt.

Verfahrensrichterin Christa Edwards
ORF/Patrick Bauer
Verfahrensrichterin Edwards im U-Ausschuss – sie wird bei der Befragung Pascuttinis wohl viel zu tun bekommen

Doch kann eine Auskunftsperson ungeachtet dessen antworten. Auf diese Bereitschaft wird es bei seiner Befragung auch ankommen, Pascuttini kündigte bereits vorab an, alle Fragen beantworten zu wollen. Ungeachtet dessen ist eine Fülle von Geschäftsordnungsdebatten zu erwarten.

Teufel wird befragt

Nach Pascuttini wird Kickls damaliger Kabinettschef im Innenministerium, der nunmehrige blaue Klubobmann im niederösterreichischen Landtag, Teufel, befragt. Er war aufgrund der langen Kickl-Befragung zuletzt nicht mehr drangekommen. Bei ihm wird es um die Zeit im Innenministerium gehen, es könnte nach Inseratenvergaben gefragt werden. Auch die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) kommt wohl einmal mehr aufs Tapet.

Für den Mittwoch einzig zugesagt hat bis jetzt der langjährige Sicherheitschef von Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der ja medial ausführlich über das Finanzgebaren in der FPÖ unter Strache gesprochen hat. Zudem erhofft werden Befragungen des Wiener Szenegastronomen Martin Ho, des ehemaligen Generalsekretärs der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, Florian Stermann, sowie des ehemaligen BVT-Direktors, Peter Gridling. Von ihnen gab es bis zuletzt keine Zusage.

ÖVP: Kickl als „Feigling der Nation“

Dass Kickl mit Verweis auf dessen Urlaubspläne absagte, sorgte bei den anderen Parteien für Ärger – insbesondere bei der ÖVP. Es sei ein „demokratiepolitischer Skandal, wenn Kickl eine Bergtour macht“, sagte ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger. „Er ist damit ein Feigling der Nation“, richtete er dem FPÖ-Chef aus und will ihn für den Ersatztermin am 23. Mai noch einmal laden. Da dieser Termin an sich nur für Vorführungen reserviert ist, geht die Ladung wohl ins Leere. Beim erkrankten signs-Geschäftsführer stehen die Chancen besser, weil dieser bereits zweimal abgesagt hat.