Löscharbeiten in Charkiw
Reuters/Vitalii Hnidyi
Ukraine

Großbrände nach Angriffen auf Charkiw

In der ukrainischen Millionenstadt Charkiw sind nach Angriffen der russischen Armee mit Drohnen und Raketen in der Nacht auf Samstag mehrere Brände ausgebrochen, der größte davon hat Lagerhallen betroffen. Berichte gab es erneut auch über Angriffe auf „kritische Infrastruktur“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht sein Land vor einer „neuen Phase“ im Krieg.

Der größte Brand in der zweitgrößten Stadt der Ukraine mit rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern erstreckte sich laut Angaben des staatlichen Katastrophenschutzes über eine Fläche von rund 3.000 Quadratmetern, die Löscharbeiten dauerten am Samstag an. Mehrere Menschen wurden bei dem russischen Angriff verletzt.

Laut Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte setzte Russland bei dem Angriff in der Nacht zumindest 13 Kampfdrohnen der iranischen Bauart Schahed ein, außerdem umfunktionierte Luftabwehrraketen des Typs S-300. Während die Luftstreitkräfte erklärten, alle Drohnen abgefangen zu haben, räumte der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, zwei Einschläge in der Stadt ein.

Angriffe auf „kritische Infrastruktur“

Auch in der Region Dnipropetrowsk gab es Verletzte durch russische Drohnenangriffe. Beschädigt worden seien ein Objekt der „kritischen Infrastruktur“ und mehrere Wohnhäuser, schrieb Militärgouverneur Serhij Lyssak auf seinem Kanal im Kurznachrichtendienst Telegram.

Löscharbeiten in Charkiw
Reuters/Vitalii Hnidyi
Große Flächen nach Angriffen in Brand

Worum es sich bei dieser Anlage genau handelt, ließ Lyssak offen. Seit Ende März hat Russland seine Angriffe auf die ukrainische Energieversorgung verstärkt. Die Ukraine hat laut Angaben der Regierung in Kiew etwa 80 Prozent ihrer Wärmeerzeugung verloren. Die Ukraine griff im Gegenzug über weite Distanzen Einrichtungen der russischen Erdöl- und Erdgasindustrie an.

Neue russische Offensive nicht ausgeschlossen

Charkiw im Nordosten der Ukraine ist eine der von dem mittlerweile mehr als zwei Jahre dauernden Krieg am schwersten betroffenen Städte. Bereits zu Kriegsbeginn hatte Russland – bisher erfolglos – versucht, die grenznahe Millionenstadt zu besetzen. Seit mehreren Monaten greift die russische Armee die Stadt regelmäßig aus der Luft an. Militärexperten schließen auch einen neuerlichen Angriff mit Bodentruppen nicht aus.

Zerstörtes Elektrizitätswerk in Charkiw
Reuters/Vyacheslav Madiyevskyy
Charkiw ist seit Kriegsbeginn Ziel russischer Angriffe

Berichte über ukrainische Raketenangriffe auf Krim

Die ukrainische Armee griff im Gegenzug laut russischen Angaben erneut die seit 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit von den USA gelieferten Raketen an. Die Flugabwehr habe vier der ballistischen Kurzstreckenraketen des Typs ATACMS (Army Tactical Missile System) abgefangen, teilte das russische Verteidigungsministerium Samstagfrüh via Telegram mit. Unabhängig sind die Angaben – wie sehr oft in dem Konflikt – nicht überprüfbar. Von ukrainischer Seite gab es keine offizielle Äußerung dazu.

Bereits am Dienstag hatte die Ukraine russische Truppen auf der Krim mit den kürzlich von den USA gelieferten Raketen angegriffen. Medien berichteten von Einschlägen auf drei Militärbasen auf der Halbinsel. Dabei habe es mehrere Verletzte gegeben. Die Raketenangriffe hätten der Bekämpfung russischer Flugabwehrsysteme gegolten, hieß es.

US-Raketen mit höherer Reichweite

Die USA hatten angekündigt, in einem neuen Paket militärischer Unterstützung auch ATACMS-Raketen mit größerer Reichweite an die Ukraine zu liefern. In vorherigen Lieferungen war die Reichweite des Typs auf 165 Kilometer begrenzt.

Für die russische Armee ist die Krim Aufmarschgebiet ihres Krieges gegen die Ukraine. Über die Halbinsel läuft der Nachschub an Soldaten, Waffen und Munition. Deshalb bemüht sich die Ukraine, russische Militärziele auf der Krim zu treffen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat eine Rückeroberung der Halbinsel als Ziel ausgegeben.

Kiew sieht Krieg „vor einer neuen Phase“

Am Freitag warnte er vor einer bevorstehenden Ausweitung der russischen Angriffe auf sein Land. „Wir stehen gerade vor einer neuen Phase des Krieges“, sagte er während einer Ehrung von Soldaten in der Region Chmelnyzkyj, wie in einem Video zu sehen war. Er fügte hinzu: „Die Besatzer bereiten sich auf Versuche vor, die Offensivaktionen auszuweiten. Gemeinsam müssen wir (…) alles dafür tun, um diesen russischen Angriffsplan zu vereiteln.“

Starke Ausweitung der russischen Angriffe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht sein Land vor einer „neuen Phase“ im Krieg. Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz erklärt, was damit gemeint ist.

Aus Sicht der Ukraine ist die Lage an der Front derzeit sehr schwierig. Erst kürzlich bestätigte das ukrainische Militär einen Durchbruch russischer Verbände im Gebiet Donezk im Osten des Landes. Die russischen Truppen erreichten dort Geländegewinne von mehreren Kilometern und erklärten, mehrere Ortschaften „befreit“ zu haben.